Dienstag, 30. Dezember 2014

Καὶ


1) Gelegentlich, aber stets fröhlich lästerte ich im vergangenen Jahr über manche Professoren und sonstige Experten, die aus meiner Sicht ziemlichen Unsinn über das Markusevangelium verzapften. Mit einem solchen Spaß will ich meinen blog im Jahr 2014 auch beschließen und allen einen guten Rutsch wünschen.
facepalm
via wikicommons
 

Es geht um den angeblich schlechten, schlichten oder einfachen Stil von Markus, der sich vor allem durch monotone Aneinanderreihungen (natürlich heißt es bei den Professoren hochwissenschaftlich „Parataxe“) auszeichne, die durch das Wörtchen καὶ (griechisch: und) verbunden sind. Es handele sich dabei vermeintlich um eine typisch volkstümliche Sprache. Immer wieder würde Markus einzelne Verse mit καὶ beginnen und auch innerhalb des Verses häuften sich die καὶ's. Nein, ein guter „Schriftsteller“ könne dieser Markus nicht sein, höchstens ein primitiver „Schreiber“, da er doch bis zum Überdruss das Wörtchen καὶ verwende: und, und dann, und schließlich – so ginge es in einem fort. Welch ein Grauen für die gebildete Professorenschaft!


2) Bevor etwas zur lachhaften Absurdität dieses Einschätzung gesagt werden soll, möchte ich zunächst einige dieser Professoren selbst zu Wort kommen lassen:

Wolfgang Fritzen, Von Gott verlassen?, 2008, S. 70
Der Stil ist einfach, knapp und volkstümlich: Das Griechisch des Markusevangeliums ist rau und von Latinismen und Semitismen durchsetzt, kurze Parataxe mit καὶ und δὲ herrscht vor, die Ausdrucksweise ist wenig vielseitig. Der Autor scheint also nicht als Schriftsteller ausgebildet gewesen zu sein. Mehr noch: Seine Sprache und sein Stil mussten in den Augen der damaligen gebildeten Oberschicht als indiskutabel gelten.

Freitag, 26. Dezember 2014

Petrus, der Zenturio und die Frage: Hat es einen historischen Jesus gegeben?


1) Anlass für diesen Beitrag sind die teils recht heftigen Diskussionen, die seit mehreren Jahren im englischen Sprachraum zu dieser Frage geführt werden, die nunmehr dort einen Höhepunkt erreichten und zudem auch hierzulande Einzug gefunden haben.
Der ... hüstl ... historische Jesus?
via asiaonourmind.blogspot

Am 18.12.2014 veröffentlichte die angesehene US-amerikanische Tageszeitung „The Washington Post“ einen Artikel des Religionswissenschaftlers Raphael Lataster mit dem Titel „Did historical Jesus really exist?“ und dem Fazit: „There are clearly good reasons to doubt Jesus’ historical existence.“ Bereits nach zwei Tagen verzeichnete der Artikel mehr als 5000 Leserkommentare, die jeweils hitzig für Pro und Contra stritten.

Auf dem Sci-log „Natur des Glaubens“ von Michael Blume erschien am 15.11.2014 ein Gastbeitrag von Zoran Jovic, in dem die Thesen der Verneiner eines historischen Jesus recht polemisch zurückgewiesen und diese in die Nähe von Holocaustleugnern, Ufologen und Zeitfälschungs-Theoretikern gerückt werden.

Schließlich strahlte der Sender Phoenix am 21.12.2014 eine Folge von Guido Knopp´s „History Live“ mit dem Titel „Jesus – Mythos und Wahrheit“ aus, in der die Theologen Annette Merz, Klaus Wengst und Hermann Detering auch über diese Frage disputierten und sich dabei achtbar schlugen. Besonders der angenehm sachliche Tonfall der drei Theologen, die jeweils unterschiedliche Positionen vertraten, ist vorbildlich. Der Mitschnitt der Sendung kann in voller Länge angesehen werden.

Man könnte vielleicht vermuten, dass ich - mit meinem rein literarischen Verständnis des Markusevangeliums - ebenfalls zu der Annahme neige, dass es einen historischen Jesus gar nicht gegeben hat. Der einzige Grund, warum ich überhaupt einmalig etwas zu dieser Frage sagen möchte, ist ein in der gesamten Diskussion meines Erachtens übersehenes Argument. Es läuft darauf hinaus, dass – selbst wenn man nicht ein einziges Detail aus den Evangelien als historisch wahr ansieht und wenn man davon ausgeht, dass Paulus keinen irdischen Jesus, sondern einen himmlischen Christus predigte - dennoch ein Anhaltspunkt für einen historischen Jesus besteht. Der vorliegende Beitrag mag deshalb vor allem für Historische-Jesus-Skeptiker interessant sein.

Dienstag, 9. Dezember 2014

Offtopic: Eine Buchempfehlung für Weihnachten


Weihnachten und Markus? Oh nein, vergessen wir den Meister für einen Moment! Denn sehnen wir uns zu Weihnachten nicht nach einer klugen, aber auch herzerwärmenden Geschichte? Klar, wir haben Lukas, Charles Dickens' „Weihnachtsgeschichte“ und O. Henrys „Die Gabe der Weisen“, für Kinder insbesondere Cornelia Funkes „Als der Weihnachtsmann vom Himmel fiel“ und Sven Nordqvists „Morgen, Findus, wird’s was geben“. Wunderbare Geschichten, die man immer wieder lesen kann.

Ich möchte gern auf ein weiteres, sehr schönes Buch hinweisen, das bislang jedoch noch nicht in deutscher Sprache erhältlich ist (aber kein Prob, dazu am Ende mehr). Es ist „The Christmas Miracle of Jonathan Toomey“, geschrieben von Susan Wojciechowski und illustriert von P. J. Lynch.
via gatheringbooks

Die Handlung spielt gefühlt vor gut 100 Jahren in einem kleinen Dorf irgendwo auf der Welt. Ein kunstfertiger Holzschnitzer namens Jonathan Toomey ist nach dem Tod seiner Frau und seines Kindes mit der Welt entzweit und lebt in selbstgewählter sozialer Isolation. Aufgrund seiner hervorragenden Fähigkeiten als Schnitzer bekommt er gleichwohl Aufträge und sichert sich so seinen Lebensunterhalt, ist aber zu jedermann mürrisch und unfreundlich. Die Handlung beginnt im Advent, als eine verwitwete Frau mit ihrem kleinen Jungen in das Dorf zieht. Beim Umzug sind die Krippenfiguren verloren gegangen, die Mutter und Sohn über alles lieben. Sie bitten schließlich den Schnitzmeister, ihnen neue anzufertigen und der sagt auch mürrisch zu. Allerdings erweist sich der Fertigstellungstermin als problematisch:
„Bis wann werden die Figuren denn fertig sein?” „Sie werden fertig sein, wenn sie eben fertig sind”, murrte der Meister abweisend. „Aber ich brauche sie unbedingt bis Weihnachten. Sie bedeuten meinem Sohn Tom und mir wirklich sehr viel. Ein Weihnachten ohne unsere Weihnachtskrippe, das wäre gar nicht auszudenken.” „Weihnachten ist doch Schnickschnack”, brummte Jonathan Toomey düster und schloss mit einem Mal die Tür.

Montag, 8. Dezember 2014

Die DaBhaR-Übersetzung, Salz bei Markus und bei Philo von Alexandria


via bibelarchiv-vegelahn
1) Mir ist schon öfter aufgefallen, dass ich im Detail bei der Auslegung des Markusevangeliums eine ausgeprägte Übereinstimmung mit sehr frommen Christen haben kann. Diese teilweise Gleichgesinntheit beruht auf dem gemeinsamen Vorverständnis des Evangeliums als einem absoluten Text. Für diese ist es das Wort Gottes, für mich das höchst sorgfältig konzipierte und meisterhaft verfasste Werk von Markus.

Seit langem bin ich der Meinung, dass die herkömmlichen Bibelübersetzungen von Markus etwas ungenügend sind. Nach meinem Empfinden hat Markus zum Beispiel eine lange Reihe bestimmter Wörter bzw. Wortverbindungen als „Signal“-Wörter verwendet, die Zusammenhänge innerhalb des Evangelientextes deutlich machen sollen. Diese Wörter müssten deshalb in einer deutschen Übersetzung auch immer mit dem gleichen Wort übersetzt werden. Diese Art der Übersetzung heißt konkordante Bibelübersetzung. Die herkömmlichen Bibelübersetzungen versuchen hingegen besonders „schön“ zu übersetzen und verwenden je nach Kontext für ein mehrfach von Markus gebrauchtes griechisches Wort verschiedene deutsche Wörter bzw. für verschiedene griechische Wörter zuweilen nur ein deutsches Wort, so dass es dem deutschen Leser unmöglich wird, die konstruierten Zusammenhänge zu entdecken.

Bislang war mir die DaBhaR-Übersetzung unbekannt, die ich in der vergangenen Woche entdeckte und über die ich hellerfreut bin. Ich will hier nur an einem kleinen und auf den ersten Blick total verrückten Beispiel zeigen, warum diese Übersetzung wirklich wertvoll ist. Zunächst fragt sich vielleicht jeder, dem diese Art der Übersetzung neu ist, ob die DaBhaR-Übersetzer noch „alle Tassen im Schrank haben“ ;-) , um schließlich festzustellen, dass dies sehr wohl der Fall ist. Hierzu ein Blick auf Mk 1,16-17 in der Luther und der DaBhaR.

Luther Mk 1,16-17                                             

DaBhaRMk1,16-17                                        
16 Als er aber am Galiläischen Meer entlangging, sah er Simon und Andreas, Simons Bruder, wie sie ihre Netze ins Meer warfen; denn sie waren Fischer.
17 Und Jesus sprach zu ihnen: Folgt mir nach; ich will euch zu Menschenfischern machen!
16 Und als Vorbeiführender neben dem Meer, dem des GALILAe´A, gewahrte er SI´MOoN und ANDRÄ´AS, den Bruder SI´MOoNs, als ein Ringnetz Werfende in dem Meer; denn sie waren Besalzer.
17 Und der JESuU´S sagte zu ihnen: Kommet herbei, mir nach, und ich werde machen, dass ihr Besalzer der Menschen werdet.

Sonntag, 30. November 2014

Einführung in die Grundlagen der Heilkunst Jesu II


1) Auf die Doppelerzählung von der Heilung der blutenden Frau und der Erweckung der Tochter des Synagogenvorstehers Jairus folgt im Markusevangelium die sogenannte „Verwerfung“ Jesu in seiner Heimat. Dieses Triptychon läuft meiner Meinung nach auf einen ironischen Clou hinaus, auf den ich zuletzt eingehen will.

Zunächst gestattet die Gegenüberstellung der Heilungs- und Verwerfungsszene eine erste Annäherung an mögliche Sinnzusammenhänge in den markinischen Heilungserzählungen. (Der Text ist fast wortwörtlich mit Bedacht auf Nuancen übersetzt, griechische Wörter sind soweit möglich jeweils gleichlautend übertragen bzw. kenntlich gemacht.)

Mk 5,25ff: Und seiend eine Frau mit Fluss Blutes zwölf Jahre und vieles erlitten habend von vielen Heilern und alles von ihr hingewendet habend und nichts profitiert, gehört habend von Jesus, gekommen mit dem Volk von hinten, berührte (ψατο – hēpsato) sein Gewand. Denn sie sagte nämlich: Wenn ich berühre (ψωμαι - hapsōmai) nur seine Gewänder, werde ich gerettet (σωθήσομαι - sōthēsomai). Und sofort vertrocknete der Fluss ihres Blutes und sie erkannte im Körper, dass sie geheilt (αται - iatai) ist von der Geißel. Und sofort Jesus bei sich erkannt habend die aus ihm ausgegangene Kraft (δύναμιν - dynamin); sich umgewandt habend in dem Volk, er sagte: Wer hat berührt (ψατο - hēpsato) meine Kleider? Und sagten zu ihm seine Jünger: Du siehst das Volk umpressend dich und sagst, wer hat mich berührt (ψατο - hēpsato)? Und er blickte rings umher zu sehen die dieses getan Habende. Aber die Frau ängstigte sich und zitterte, wissend was ihr geschehen ist. Sie kam und fiel nieder vor ihm und sagte ihm all die Wahrheit. Er aber sagte zu ihr: Tochter, dein Glaube (πίστις - pistis) hat gerettet (σέσωκέν – sesōken) dich, führe dich zum Frieden und sei gesund (γις – hygiēs) von deiner Geißel.

Mk 6,1ff: Und ausging er von dort und kommt zu seiner Heimat und folgen ihm seine Jünger. Und geworden war Sabbat, er begann zu lehren in der Synagoge und die vielen hörend entsetzten sich, sagend: Woher diesem dieses und was die Weisheit die diesem gegebene und die Kräfte (δυνάμεις - dynameis) solche durch seine Hände geschehenden? Nicht dieser ist der Handwerker, der Sohn der Maria und Bruder Jakobus und Joses und Judas und Simons? Und nicht sind seine Schwestern hier bei uns? Und sie fielen ab von ihm. Und zu ihnen der Jesus sagte, dass nicht ist ein Prophet ungeehrt, wenn nicht in seiner Heimat und bei seinen Angehörigen und in seinem Haus. Und er vermochte (δύνατο - edynato) nicht dort zu wirken nicht eine Kraft (δύναμιν - dynamin), wenn nicht wenigen Erkrankten aufgelegt habend die Hände (πιθες τς χερας - epitheis tas cheiras) er pflegte (θεράπευσεν - etherapeusen). Und er wunderte sich wegen ihres Unglaubens (πιστία – apistia) und umführte die Dörfer im Kreis lehrend.

2) In einzigartiger Weise finden sich in diesen Szenen Gegenüberstellungen von Glaube und Unglaube, von einer von Jesus ausgehenden Kraft und dem Unvermögen, eine Kraft zu bewirken.

Montag, 17. November 2014

Einführung in die Grundlagen der Heilkunst Jesu


Rembrandt via commons.wikimedia
1) Der Titel dieses Beitrags ist zugleich ironisch und ernsthaft gemeint. Ironisch, weil die Heilungen im Markusevangelium nicht mittels eines Systems medizinischen Wissens und ärztlicher Behandlungsmethoden erläutert werden können. Ernsthaft, weil man gleichwohl Muster, Wiederholungen und Zusammenhänge in den markinischen Heilungserzählungen erkennen kann, die auf eine mögliche Logik hindeuten.

Man kann beispielsweise drei wiederkehrende Behandlungsmethoden feststellen, die der markinische Jesus mit seinen Händen ausführt:

- an der Hand festhalten (κρατέω τῆς χειρός) und aufstehen lassen (ἤγειρεν)

- anrühren oder berühren (ἅπτομαι)

- Auflegen der Hand (ἐπιτίθημι τὴν χεῖρα)

Rembrandt via commons.wikimedia

Die handelnden Personen im Markusevangelium scheinen sich indes über die Bedeutung der jeweiligen Behandlung nicht ganz im Klaren zu sein. Mehrfach wird Jesus von Menschen gebeten, eine bestimmte Behandlungsmethode an einem Patienten anzuwenden, er selbst entscheidet sich jedoch für eine andere.

So bringt man in Bethsaida einen Blinden zu Jesus mit der Bitte, diesen „anzurühren“ – Mk 8,22. Jesus wird jedoch auf dessen Augen die „Hände auflegen“. Zur Heilung des Taubstummen in Mk 7,31ff wird Jesus umgekehrt gebeten, diesem die „Hände aufzulegen“, aber Jesus u.a. „rührte an“ seine Zunge. Ebenso bittet der Synagogenvorsteher Jairus in Mk 5,22, dass Jesus sein im Sterben liegendes Töchterlein durch „Auflegen der Hand“ vor dem Tod bewahre. Jesus wird sie jedoch „an der Hand festhalten“ und zu ihr sagen „Steh auf“. Auch außerhalb der Heilungsgeschichten begegnet uns ein solches Missverständnis. Bei der Segnung der Kinderchen in Mk 10,13 soll Jesus diese „anrühren“, aber er wird ihnen „die Hände auflegen“.

Mir scheint jedenfalls, dass Markus durch diese Irrtümer den Leser dazu einlädt, sich die Sache etwas näher anzuschauen.

Dienstag, 14. Oktober 2014

Draufgängertum und Zärtlichkeit des blinden Bartimäus

Bartimäus: Zärtlicher Draufgänger
via majide2ch.blogspot

1) Ruhm für den „Glauben“ wird dreimal im Markusevangelium zuerkannt.

Zunächst wird diese Ehre „einigen“ zuteil, die in Mk 2,3ff das Dach eines Hauses aufbrechen, um einen Gelähmten von oben zu Jesus herabzulassen, da ihnen das „Volk“ (ὄχλον) den Weg durch die Tür versperrt: „Als nun Jesus ihren Glauben sah, sprach er ...

... oder rührseliger Opa?
via lavistachurchofchrist
Dann ist es der Ruhm einer blutenden Frau, die sich in Mk 5,27ff durch „viel Volk“ (ὄχλος πολὺς) drängelt und von hinten an Jesus anschleicht, um sein Gewand zu berühren: „Meine Tochter, dein Glaube hat dich errettet ...

Schließlich der markinische Held Bartimäus, der sich gegen die „vielen“ aus einer Menge von „genügend Volk“ (ὄχλου ἱκανοῦ) behauptet, die ihn zum Schweigen bringen wollen: „Geh, Dein Glaube hat Dich errettet ...

Es sind alles Draufgänger, die sich „auf eigene Faust“, mit weiblicher List oder mit männlicher Rücksichtslosigkeit, quer durch die Menge zu Jesus „durchschlagen“.


2) Bartimäus wird eingangs aggressiv Schweigen geboten: „und anherrschten ihn viele, dass er schweigen solle ...“ Indes bleibt Bartimäus unbeirrbar: „Der aber („ὁ δὲ“) viel mehr schrie ...

Donnerstag, 9. Oktober 2014

AUF DEM WEG - ἐν τῇ ὁδῷ

via pinsoflight.net

1) Markus hat den Abschnitt zwischen der ersten und zweiten Blindenheilung sichtbar gegliedert.

Fünf Mal begegnet uns zwischen Mk 8,27 und Mk 10,52 die Wendung „ἐν τῇ ὁδῷ“ - „auf dem Weg“. Sie ist außerhalb dieses Abschnitts nur in Mk 8,3 als Vorausblick erwähnt. Der Abschnitt wurde von Markus auch mit wiederkehrenden Motiven gestaltet, die sich schematisch so darstellen lassen:

1. Blindenheilung
                   Christus-Bekenntnis des Petrus
                                         1. Leidensankündigung, Fehlverhalten von Jüngern, Belehrung durch Jesus
                                         2. Leidensankündigung, Fehlverhalten von Jüngern, Belehrung durch Jesus
                                         3. Leidensankündigung, Fehlverhalten von Jüngern, Belehrung durch Jesus
                    Sohn-Davids-Bekenntnis des Bartimäus
2. Blindenheilung

Für die drei Lehrreden von Jesus könnte man folgende Überschriften finden: - Mk 8,34ff: Weg der Nachfolge, - Mk 10,29ff: Lohn der Nachfolge, - Mk 10,42ff: Art und Weise der Nachfolge

- Nachfolge Jesu auf dem Kreuzweg durch Selbstverleugnung
- Glaubensgemeinschaft auf dem irdischen Leidensweg und ewiges Leben in der Zukunft
- Dienende Niedrigkeit zum Wohl aller Gläubigen

Dem stehen als „Versuchung“ das Streben nach irdischer, vor allem auch innerkirchlicher Macht und Autorität, nach Reichtum und nach persönlichem Ansehen gegenüber.

Der Abschnitt „Auf dem Weg“ ist das schlagende Herz des Markusevangeliums. In ihm wird eine Frage gestellt, die um das griechische Wort „θέλει“ (thelei - wollen) kreist: Was ist DEIN Begehr? Was willst DU? Markus verhängt keine strengen Gebote, nichts wird unter „Strafe“ oder „Verdammnis“ gestellt. Es ist ausdrücklich eine Frage der eigenen Entscheidung, des freien Wunsches – Mk 8,34: „Wenn einer will (θέλει – thelei) mir nachkommen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach ...


2) Der blinde Bartimäus sitzt in Mk 10,46 zunächst neben dem Weg („παρὰ τὴν ὁδόν“). Ihm stellt Jesus schließlich diese Frage (Mk 10,51): „Was willst (θέλεις – theleis) du, dass ich für dich tun soll?“ Nach seiner „Heilung“ („Dein Glaube hat Dich gerettet“) folgt Bartimäus schließlich Jesus nach „ἐν τῇ ὁδῷ“ - auf dem Weg.

Was Bartimäus wollte? Er wünschte nur „ἀναβλέπω“ (anablepó) zu sein - „aufblickend“, den Willen Gottes erkennend …

Montag, 6. Oktober 2014

„ἀναβλέπω“ in der Septuaginta und bei Markus



1) Markus’ Bibel, die Septuaginta, schildert im Buch Genesis (1. Mo 24, 62) die erste Begegnung zwischen Rebekka und Isaak so:
Abel Pann: Rebekah
via iamachild.wordpress

Isaak aber durchzog die Wüste zum Brunnen der Erscheinung; er selbst aber wohnte in dem Land, das nach Süden liegt. Und Isaak kam heraus, um Zwiesprache zu führen auf das Feld gegen Abend und aufblickend (ναβλψας) mit den Augen sah er Kamele kommen. Und Rebekka aufblickend (ναβλψασα) mit den Augen sah Isaak und sprang vom Kamel herab und sagte zum Knecht: Wer ist der Mensch dort, der auf das Feld zur Begegnung mit uns gekommen ist?

Isaak sieht die „Kamele“ seines Vaters zurückkehren. Rebekka sieht einen Mann, vom dem sie noch nicht sicher weiß, dass es „Isaak“ ist. Es sind Blicke aus der Ferne, die sich noch nicht begegnen. Ein erstes romantisches „Schau-mir-in-die-Augen“ muss noch warten. Warum betont der Erzähler (Übersetzer) diese Blicke dann? Beide „blicken“ zunächst „auf“ und dann „sehen“ sie.

Die Wendung „aufblickend/ aufschauend mit den Augen“ könnte einerseits als bloße Floskel verstanden werden, die keine tiefere Bedeutung hat. Sie könnte andererseits aber auch einen Impuls, eine plötzliche Eingebung beschreiben, aufgrund derer Rebekka und Isaak in ihrem gewöhnlichen Tun „aufgeschreckt“ werden und ihre Aufmerksamkeit vollständig auf etwas Neues richten. Dabei könnte es sich um ein für beide noch rätselhaftes, aber schicksalhaftes Geschehen handeln.

Auf den ersten Blick scheint diese letztere Möglichkeit etwas überspannt. Dieser Eindruck ändert sich jedoch, wenn man die zwölf weiteren Stellen im Buch LXX-Genesis liest, die das Verb ναβλέπω (anablepó – aufblicken) enthalten. Nehmen wir zum Beispiel das Erscheinen des Widders bei der Bindung (Opferung) Isaaks im Buch Genesis (1. Mo 22,13):

Und als Abraham mit seinen Augen aufblickte (ναβλψας), sah er, und siehe, ein Widder mit seinen Hörnern verfangen im Strauch Sabek; und Abraham ging und nahm den Widder und brachte ihn als Ganzfeueropfer anstelle seines Sohnes Isaak dar. Und Abraham gab jenem Ort den Namen: Der Herr hat gesehen, damit man heute sagt: Auf dem Berg zeigte sich der Herr.

Vorliegend ein Beitrag zur Verwendung des Verbs ναβλέπω (anablepó – aufblicken) in der Septuaginta und im Markusevangelium …

Donnerstag, 25. September 2014

Mk 8,24: Ich sehe die Menschen, als sähe ich Bäume umhergehen


1) Um mich der Gestalt des blinden Bartimäus anzunähern, beginne ich mit der ersten „Blinden“-Heilung, die eine der dunkelsten und geheimnisvollsten Begebenheiten im Markusevangelium ist. Eingangs einige Beobachtungen:
via shelaughs.org

Die Szene Mk 8,22ff spielt in Bethsaida. Jesus hatte die Jünger bereits in Mk 6,45 „angetrieben“, ohne ihn über das „Meer“ nach Bethsaida überzusetzen. Wegen eines „Windes“ kamen die Jünger (immerhin geübte Fischer) aber vom Kurs ab und landeten in Genessaret an. In Mk 8,13 soll es erneut „hinüber“ gehen, aber die Jünger diskutieren, dass sie „kein Brot“ dabei hätten. Jesus wirft ihnen nun vor, dass sie ihr Herz „versteinerten“ (πεπωρωμένην). Es erscheint überlegenswert, ob die Jünger etwa absichtlich nicht nach Bethsaida wollen.

In Bethsaida bringt man einen Blinden zu Jesus mit der Bitte, diesen „anzurühren“. Jesus wird ihn jedoch nicht „anrühren“, sondern ihm die „Hände auflegen“. Bei der Heilung des Taubstummen in Mk 7,31ff war es umgekehrt. Die Leute baten, dass Jesus ihm die „Hände auflege“, aber Jesus „rührte an“ seine Zunge.

Jesus führt den Blinden aus Bethsaida heraus, nachdem er seine Hand ergriffen hat. Er fragt ihn, ob er etwas erblicke, nachdem er ihm in die Augen (ὄμματα - ommata) gespuckt (moderne Übersetzungen vermeiden es gern, dies deutlich zu machen; lobenswert die „Offene Bibel“) und die Hände aufgelegt hat. Eine Vielzahl von Kommentatoren geht davon aus, dass das Wegführen aus Bethsaida dazu dient, die Heilung nicht öffentlich vor Publikum geschehen zu lassen. Dagegen legt Mk 8,26 („Geh nicht hinein in das Dorf“) aber nahe, dass mit Bethsaida an sich „etwas nicht stimmt“.

Die Reaktion des Blinden auf Jesus´ Frage ist wörtlich wie folgt beschrieben:
καὶ ἀναβλέψας ἔλεγεν Βλέπω τοὺς ἀνθρώπους ὅτι ὡς δένδρα ὁρῶ περιπατοῦντας
und aufblickend (er) sagte (Ich) erblicke die Menschen dass wie Bäume (ich) sehe (sie) umhergehen

Jesus legt seine Hände erneut auf die Augen (ὀφθαλμοὺς - ophthalmous) des Blinden, der alsdann „durchblickt“, wiederhergestellt ist und alles "fernsichtig" (so wörtlich τηλαυγῶς – télaugós) anblickt.

Donnerstag, 18. September 2014

„Minor agreements“ und die Logienquelle Q


via wikimedia
Bei meiner Beschäftigung mit dem Abjatar-Problem und aufgrund meiner Schwierigkeiten, den logischen Sinn des Gedankengangs in Mk 2,23-28 zu erfassen, habe ich auch die Parallelstellen bei Matthäus und Lukas sorgfältig gelesen. Dabei tauchte als Randgedanke die Frage auf, in welchem Verhältnis die drei Texte zueinander stehen, wer also von wem „abgeschrieben“ hat. Besonders in der deutschen Bibelwissenschaft herrscht die sogenannte Zweiquellentheorie vor, nach der Matthäus und Lukas (unabhängig von ihrem Sondergut) zwei Quellen benutzten, nämlich das Markusevangelium und ein hypothetisches Dokument, das unter dem Begriff „Logienquelle Q“ bekannt ist.

Der Grund für diese These besteht zum einen in der Vielzahl der wortwörtlichen Übereinstimmungen zwischen den drei Evangelisten, die nur bei einem „Abschreiben“ aus dem Markusevangelium denkbar sind. Neben den „Übernahmen“ aus dem Markusevangelium gibt es zwischen Matthäus und Lukas aber viele weitere wortwörtliche Gemeinsamkeiten in Szenen, die im Markusevangelium nicht enthalten sind und die ebenfalls nahelegen könnten, dass einer der beiden vom anderen „abgespickt“ hat (z.B. Bergpredigt bei Matthäus und Feldrede bei Lukas). Aus mehreren und durchaus gewichtigen Gründen verneint die Zweiquellentheorie jedoch ein solches Abschreiben im Verhältnis zwischen Matthäus und Lukas. Sie geht vielmehr davon aus, dass weder Matthäus das Lukasevangelium noch Lukas das Matthäusevangelium kannte, sondern dass beide unabhängig voneinander von einem anderen Dokument, eben der Logienquelle Q, abgeschrieben haben.

Der gewichtigste Einwand gegen die Zweiquellentheorie sind die sogenannten „minor agreements“. Dabei handelt es sich um wortwörtliche Übereinstimmungen von Matthäus und Lukas bei der Übernahme von Szenen aus dem Markusevangelium, die beide in genau gleicher Weise von Markus abweichen. Der Gedanke ist folgender: Wenn Matthäus oder Lukas von Markus abschreiben, mögen sie auch einmal den Wortlaut von Markus abändern, etwas weglassen oder hinzufügen. Diese Abänderungen dürften jedoch – von zufälligen Ausnahmen und wenigen nachträglichen Harmonisierungen in der Überlieferung abgesehen – bei Matthäus und Lukas nie gleich sein, wenn keiner der beiden den anderen kannte. Wenn also Markus „A“ sagt und Matthäus ihn leicht zu „A²“ abwandelt, dann dürfte Lukas die Markusstelle nicht ebenfalls zu „A²“ abwandeln, sofern er Matthäus gar nicht kannte.

Ich habe nachfolgend die „minor agreements“ der Szenen vom Ährenraufen am Sabbat bei Markus, Matthäus und Lukas zusammengestellt.

Mittwoch, 10. September 2014

Mk 8,37 – Denn was kann der Mensch geben …?

 
Wanderer am Weltenrand
via commons.wikimedia
1) In der vergangenen Woche las ich erstmals eine muslimische Polemik gegen christliche Glaubensinhalte. Zur Untermauerung seiner These („Die Bibel verneint die Göttlichkeit Jesu´“) berief sich der Autor Shabir Ally auch auf Aussagen des Markusevangeliums. Solche Streitschriften sind für Christen, die sich für den „interreligiösen Dialog“ ;-) interessieren, sicher kalter Kaffee. Für mich war es etwas gänzlich Neues. Ich habe deshalb die Argumentation aufmerksam gelesen, wobei mein Augenmerk auf dem Umgang mit Markus lag. Ally stellt den Leser vor die Alternative: War Jesus Gott oder Mensch? Anhand von Bibelstellen argumentiert er alsdann, dass Jesus im Neuen Testament von Gott deutlich unterschieden werde: „Dies zeigt, dass die Menschen wussten, dass Jesus nicht der einzige Mensch gewesen war, der derartige Macht von Gott verliehen bekommen hat ...“.

Wer in meinen Blog schon mal etwas reingelesen hat, weiß ja, dass ich nicht gläubig bin und meine Begeisterung für das Markusevangelium rein literarischer Natur ist. Davon unabhängig hatte ich mir die von Ally aufgeworfene Frage noch nie gestellt. Ich denke, mein Blog würde seinen Namen nicht verdienen, wenn ich nicht auch mal – vielleicht sogar für mögliche christliche Leser – etwas zu einem solchen Thema sage. Mich haben dabei im Wesentlichen zwei Gedanken bewegt.

2) Zunächst habe ich keinen Zweifel, dass im Markusevangelium - vor allem während der Geschehnisse in Galiläa - Jesus mit göttlichem Angesicht erscheint und durch ihn Gott erfahrbar wird. Zum anderen zeigt es – und diesmal vor allem während der Passion in Jerusalem - Jesus mit menschlichem Antlitz, an dessen Beispiel und in dessen Nachfolge der Mensch den Weg zum ewigen Leben beschreiten kann.

Donnerstag, 4. September 2014

Das Abjatar-Problem III


Schluss – Brot des Lebens

Meines Erachtens wirft der Text von Mk 2,23-2,28 u.a. folgende, sehr schwierige Fragen auf:

1) Gibt das Markusevangelium zu verstehen, dass das Ausrupfen der Ähren durch die Jünger zum Essen der Getreidekörner erfolgt wie bei Matthäus und Lukas?

Van Gogh´s Krähen im Kornfeld
via fr.wikipedia
2) Warum kritisieren die Pharisäer Jesus, wenn das nicht der Fall ist?

3) Wieso enthält die gesamte Szene Mk 2,23-2,28 so viel „Schöpfungsvokabular“? Ist Mk 2,27 „humanistisch“ zu interpretieren?

4) Soll man Mk 2,28 mit „So ist der Menschensohn auch Herr des Sabbats“ oder stattdessen eher „Herr ist der Sohn des Menschen und des Sabbats“ übersetzen?

5) Welche Bedeutung hat die Davidserzählung im Kontext von Mk 2,23-28?
_____________________________________________________

1) Traditioneller Weise wird die Szene vom Ährenraufen am Sabbat so verstanden, dass die Jünger hungrig sind, einige Ähren pflücken und die Getreidekörner essen. Die Pharisäer beurteilen dies als am Sabbat verbotene Erntearbeit und rügen das Vergehen der Jünger gegenüber Jesus. Dies entspricht zweifellos dem Wortlaut und dem Sinn der Perikopen bei Matthäus und Lukas. Zunächst ein Blick auf den griechischen Text und die wortwörtliche Übersetzung von Mk 2,23:

Καὶ
ἐγένετο
αὐτὸν
ἐν
τοῖς
σάββασιν
παραπορεύεσθαι
διὰ
τῶν
σπορίμων
kai
egeneto
auton
en
tois
sabbasin
paraporeuesthai
dia
tOn
sporimOn
Und
es geschah
er
an
den
Sabbaten
hindurchging
durch
die
Saaten

καὶ
οἱ
μαθηταὶ
αὐτοῦ
ἤρξαντο
ὁδὸν
ποιεῖν
τίλλοντες
τοὺς
στάχυας
kai
hoi
mathEtai
autou
Erxanto
hodon
poiein
tillontes
tous
stachuas
und
die
Jünger
seine
begannen
Weg
zu machen
ausrupfend
die
Ähren

Freitag, 22. August 2014

Das Abjatar-Problem II


Teil 2 – Der markinische David als Vorläufer von Jesus

1) Im ersten Teil dieses Beitrags sollte deutlich geworden sein, dass das Abjatar-Problem eine anachronistische Fragestellung ist. Sie resultiert aus unserem modernen Pro und Contra zu angeblichen „Irrtümern“ in der Bibel. Markus selbst hatte kein Abjatar-Problem. Die Figur, die ihn in erster Linie interessierte und auf die er in Mk 2,25-26 Betonung legte, war David und nicht Abjatar. Meines Erachtens wird man das Abjatar-Problem deshalb nicht lösen, solange man nicht zu verstehen versucht, welches Bild Markus von David zeichnete.
König David tanzt
via wikimedia.org

David wird im Markusevangelium an vier Stellen erwähnt: in Mk 2,25-26 (Abjatar-Stelle), in Mk 10,47-48 (Bartimäus ruft nach Jesus, dem „Sohn Davids“), in Mk 11,10 (Einzug in Jerusalem mit dem Pilgerruf: „Gelobt sei das Reich unseres Vaters David ...“) und in Mk 12,35-37 (Frage nach dem Davidssohn). Die letzten drei Stellen betreffen David nicht direkt, sondern Jesus, die Hoffnungen der Pilger und den Messias. Nur in der Abjatar-Szene in Mk 2,25-26 steht David selbst als Gestalt im Mittelpunkt. Hier haben wir also die markinische David-Interpretation.

Markus´ Davidserzählung im Kontext des Evangeliums

2) Wie interpretiert Markus in Mk 2,25-26 nun den großen und legendären König David, der Israel nach dem alttestamentlichen Bericht einte und in ein glorreiches Zeitalter führte?

- David leidet Not und hungert (Leidensmoment und Niedrigkeitsstatus wie Jesus)

- David dringt in das Haus Gottes ein und isst die Schaubrote (Missachtung der Priester- und Tempelautorität wie Jesus)

- David gibt die Brote auch denen, die bei ihm sind (so auch Jesus´ Brotspeisungen der 5000, 4000 und der Jünger beim letzten Abendmahl)

Montag, 18. August 2014

Das Abjatar-Problem


Teil 1 – Abjatar oder Ahimelech? (… und noch anderes mehr)

1) Wenn von den sogenannten „Fehlern“, „Irrtümern“ und „Widersprüchen“ der Bibel die Rede ist, wird als Beispiel gern auch die Abjatar-Stelle (auch Abiathar geschrieben) im Markusevangelium (Mk 2,26) angeführt.
David und Ahimelech
via wikipedia

Das Problem war bereits in der Spätantike bekannt. Der Kirchenvater Hieronymus schrieb in seinem Mitte der 390er Jahre verfassten Brief an Pammachius: „Derselbe Markus führt den Erlöser ein, wie er zu den Pharisäern spricht: 'Habt ihr nicht gelesen, was David tat, als er Not litt und samt seinen Begleitern hungerte? Wie er unter dem Hohenpriester Abiathar in das Haus des Herrn hineinging und die Schaubrote verzehrte, die niemand außer den Priestern essen durfte?' Schlagen wir einmal Samuel oder, wie der Titel gewöhnlich lautet, die Bücher der Könige nach! Dort werden wir finden, dass der Hohepriester nicht Abiathar, sondern Ahimelech hieß, der nachher von Doeg zusammen mit den übrigen Priestern auf Befehl Sauls umgebracht wurde.

Das Abjatar-Problem hat vor einigen Jahren neue Berühmtheit erlangt, als der bekannte amerikanische Bibelwissenschaftler Bart Ehrman es als Wendepunkt in seinem studentischen Werdegang bezeichnete. Das Problem habe, so Ehrman sinngemäß, am Beginn seiner Konversion vom Christen zum Agnostiker, vom fundamentalistischen Bibelausleger zum kritischen Wissenschaftler gestanden. In seinem 2. Semester schrieb Ehrman in einem Kurs über das Markusevangelium eine Abschlussarbeit und wählte die Abjatar-Stelle. Ziel seiner damaligen Argumentation war es nachzuweisen, dass die Nennung von Abjatar statt Ahimelech nicht wirklich ein „Fehler“ sei, sondern dass man Markus so zu verstehen habe, dass die von ihm wiedergegebene David-Erzählung in einem Bibelabschnitt zu finden ist, in dem Abjatar eine der Hauptpersonen sei: Abjatar also nicht als handelnde Person innnerhalb der David-Erzählung, sondern als Stichpunkt, wo diese David-Erzählung in der Bibel nachgelesen werden kann. Ehrman war sich sicher, dass sein Professor diese Argumentation wohlwollend aufnehmen würde, aber er täuschte sich: „But at the end of my paper he made a simple oneline comment that for some reason went straight through me. He wrote: 'Maybe Mark just made a mistake.' I started thinking about it, considering all the work I had put into the paper, realizing that I had had to do some pretty fancy exegetical footwork to get around the problem, and that my solution was in fact a bit of a stretch. I finally concluded, 'Hmm ... maybe Mark did make a mistake.' Once I made that admission, the floodgates opened. For if there could be one little, picayune mistake in Mark 2, maybe there could be mistakes in other places as well ..."

2) Dieses Problem hatte ich mir für meinem Sommerurlaub ausgewählt. Eine kurze Recherche vor Reiseantritt bestärkte mich in der anfänglichen Mutmaßung, dass Markus den Namen Abjatars nicht irrtümlich und fehlerhaft, sondern absichtlich und im Wissen um seine "Unrichtigkeit" gewählt hatte. Während einiger gemütlicher Radtouren wollte ich nun mit Muse darüber nachsinnen, aus welchem Grund Markus den Namen „geändert“ hatte.

Donnerstag, 31. Juli 2014

Vier neue Bücher: Markus als Pauliner


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Ich habe schon mehrfach geschrieben, dass ich Markus für einen Pauliner halte. Grund hierfür sind vor allem zwei Umstände: zum einen das unablässige „Mobbing“ im Markusevangelium gegenüber Petrus, den „Säulen“ und den Zwölf und zum anderen eine Vielzahl von Übereinstimmungen mit paulinischen Sichtweisen, vor allem solche aus dem 1. Korintherbrief. 

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Für mich macht das den meisten Sinn. Warum sonst sollte Markus auch die Jünger ständig als unverständige „Deppen“ vorführen? Die einzig glaubhafte Erklärung ist für mich, dass er eben auf der paulinischen „Gegenseite“ stand, aber dennoch an die Tradition gebunden war, dass Petrus als erster bzw. wichtigster Jünger Jesu angesehen wurde, was Paulus selbst schon überlieferte. Die Frage ist für mich nicht, ob Markus Pauliner war, sondern in welchem Sinn er es war, denn wir finden ja auch Unterschiede zwischen Markus und Paulus.

Die Sichtweise, dass Markus Pauliner war, hat es in der Wissenschaft lange Zeit sehr schwer gehabt und ist nur vereinzelt aufgetreten. In den letzten zwei, drei Jahren sind nun mehrere Bücher erschienen, die diese Position vertreten. Ich will vier Arbeiten in diesem Beitrag ganz kurz vorstellen und freue mich besonders, dass sich auch ein deutschsprachiges Buch darunter befindet. Zum Schluss noch ein kleiner Bonus von mir. Zunächst die vier Bücher:

Eric Kun Chun Wong „Evangelien im Dialog mit Paulus: eine intertextuelle Studie zu den Synoptikern“, Vandenhoeck & Ruprecht, 2012

Tom Dykstra, „Mark Canonizer of Paul: A New Look at Intertextuality in Mark‘s Gospel”, Ocabs Press, 2012

Thomas Nelligan, „The Quest for Mark‘s sources: An exploration of the case for Mark‘s use of first Corinthians”, 2012

Bartosz Adamczewski, „The Gospel of Mark. A Hypertextual Commentary“, Verlag Peter Lang, 2014

Dienstag, 22. Juli 2014

Die Übersetzung von zwei Wörtern in Mk 14,4-5, …


über meine geplante Übersetzung des Markusevangeliums und als Bonus eine der von mir heißgeliebten Übersichten: „Gefühle im Markusevangelium“ (wer wann welche Gefühle hat bzw. äußert)

1.) Ich habe einige Zeit investiert, um die Wörter „ἀγανακτοῦντες“ (aganaktountes) in Mk 14,4 und „ἐνεβριμῶντο“ (enebrimōnto) in Mk 14,5 möglichst treffend zu übersetzen.
ein äußerst gereizter Jesus via
wrostoll.blogspot

Die Luther übersetzt ersteres mit „unwillig werden“ und letzteres mit „anfahren“. Die Offene Bibel hat sich erfreulicherweise für expressivere Begriffe, nämlich für „aufregen“ und „beschimpfen“ entschieden. Ich tendiere nach gründlicher Überlegung zu „äußerst gereizt sein“ und „anschnauzen“. Das erste Wort stammt aus dem medizinischen Bereich und bezieht sich in erster Linie auf körperliche Reizungen und Entzündungen. Auch im Kontext von Mk 14,4 fand ich deshalb „äußerst gereizt sein“ treffend. Das zweite Wort meint ursprünglich ein zorniges Schnauben von Pferden. „Anschnauzen“ schien mir da am passendsten.

2) Auf lange Sicht beabsichtige ich natürlich eine eigene Übersetzung des Markusevangeliums. Mir scheint diese wünschenswert, weil alle mir bekannten Übersetzungen meiner Meinung nach außer Acht lassen, dass Markus bestimmte Wörter genau überlegt und ganz bewusst gebraucht, um eine Stelle zu betonen und Sinnzusammenhänge zwischen einzelnen Szenen des Evangeliums herzustellen.

Dienstag, 15. Juli 2014

Markinische Abhängigkeit der johanneischen Salbung

via convincedinlove.blogspot

Mein eigener Eindruck ist, dass der Evangelist Johannes das Markusevangelium (und auch das Lukasevangelium) kannte und dass das Johannesevangelium eine freie Interpretation dieser beiden Schriften ist.

Einer der Gründe für diese Annahme sind die Gemeinsamkeiten der markinischen und der johanneischen Salbung, die - obwohl grundverschieden (Kopfsalbung bei Markus durch namenlose Frau im Haus Simons des Aussätzigen, Fußsalbung bei Johannes durch Maria im Haus von Lazarus) - viel zu viele wörtliche Übereinstimmungen aufweisen, um literarisch voneinander unabhängig zu sein.

Nachfolgend eine Übersicht der wesentlichen Gemeinsamkeiten:

Dienstag, 8. Juli 2014

Die Liebe in den Zeiten der Lepra (Mk 14,3ff)

LXX Hld 1,12 : „Als der König sich
hinlegte, gab meine Narde ihren Duft.“

1) In 1. Kor 13 besingt Paulus die Liebe mit Worten, in denen das Hohelied Salomos deutlich anklingt. Schließlich hisst er das Freiheitsbanner der Liebe in Römer 13,8ff und Galater 5,1ff und erhebt die Nächstenliebe zum höchsten Gebot: „Denn das ganze Gesetz ist in einem Wort erfüllt, in dem: 'Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!'

Markus, der Paulus in so vielem folgt, berichtigt oder - besser - ergänzt seinen Vorläufer in Mk 12,28ff um einen für ihn selbst offenbar ganz wesentlichen Punkt. Noch vor der Nächstenliebe führt er die Liebe zu dem einen Gott an: „Das höchste Gebot ist das: 'Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein, und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und von allen deinen Kräften'. Das andre ist dies: 'Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst'“.

Desto erstaunlicher ist es, dass die Liebe auf den ersten Blick im Markusevangelium abwesend zu sein scheint. Das Substantiv „Liebe“ (ἀγάπη – agápē), das immerhin 116 Mal im Neuen Testament enthalten ist, taucht im Markusevangelium nicht auf und das Verb „lieben“ eben nur in Mk 12,28ff („liebgewinnen“ ein weiteres Mal in Mk 10,21). Sicher, man kann annehmen, dass der kühle Denker Markus nur sparsam Gefühle äußert. Aber man muss sich die von Markus geprägte, 5. Mose 6,4ff. leicht abändernde Formel („... lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und von allen deinen Kräften ...“) einmal in Ruhe durchdenken, um zu begreifen, dass die Abwesenheit der Liebe im Markusevangelium eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit ist.

2) Die Geschichte der Auslegung des Neuen Testaments kennt Rätsel, die die Jahrhunderte überdauert haben, über die bereits die Kirchenväter geteilter Ansicht waren und die auch in unserer Zeit noch zu scharfsinnigen Meinungsstreiten der Gelehrten Anlass geben. Eine solche Knobelaufgabe ist das Wort „πιστικῆς“ (pistikês) in Mk 14,3, dass die Lutherbibel mit „echt“ übersetzt: „νάρδου πιστικῆς“ also mit „echte Narde“. Zuweilen findet man auch die Übersetzung als „reine“ Narde (NeÜ, Gute Nachricht, Hoffnung für alle). Der ehrwürdige Wichelhaus (pdf, Seite 51) schrieb bereits 1855 zu dieser Frage: „Dieses Wort hat bekanntlich den Gelehrten viel zu raten und nicht weniger Anlass zu gelehrtem Prunk und Schwulst gegeben.

Donnerstag, 3. Juli 2014

Unwägbarkeiten in Mk 14,1-11

Alabastron via
wikimedia
 

Als was erscheint Jesus in Mk 14,1-11 eigentlich? Als „würdig“ gesalbter Christus, als von teurem Duftöl „dekadent“ triefender Jesus oder als einbalsamierter leidender Gottesknecht?

In meinem letzten Beitrag habe ich zu vorschnell geurteilt. Ich hatte den Eindruck, dass gewisse Doppeldeutigkeiten und Unbestimmtheiten der Erzählung sich auflösen lassen und ihr Sinn in der Auslegung eindeutig „gemacht“ werden kann. 

Bei genauer Lektüre ist diese Annahme jedoch falsch. Markus scheint den Leser zu zwingen, sich in die Szene zu vertiefen und aus seiner schemenhaften Skizze einen Sinn zu "erarbeiten", der endgültig nicht festgelegt werden kann.


1) Zunächst ist bemerkenswert, mit welcher Sorgfalt Markus den Text der Salbungsszene ausbalanciert hat (Griechischer Grundtext am Schluss des Beitrags).

        Darniederliegend er, kam eine Frau
                                                        habend ein Alabastron
                                                                                         kostbaren Öls von echter Narde.
                                                        Zerbrochen habend das Alabastron
         niedergoß sie es auf seinen Kopf.

Auf der Textebene nehmen die Wörter „niederliegend“ und „niedergießen“ aufeinander Bezug, ebenso die im Kontrast von Beschützen und Zerstören stehenden Wörter „habend, bewahrend“ und „zerbrochen habend“. Im Zentrum der Szene steht nicht die Frau, sondern ein erstaunlich detailliert bezeichnetes Öl, an dem sich die Diskussion entzündet.

2) Unbestimmheiten

Äußerlichkeiten der Frau (Name, Herkunft, Alter, Status, Beziehungen zu Jesus oder zu den Anwesenden) erfahren wir aus dem Markusevangelium nicht. Es scheint, als habe Markus alle erläuternden Einzelheiten mit Absicht ausgeblendet, um die ungeteilte Aufmerksamkeit des Lesers auf die Handlungen der Frau und das Öl zu lenken.

Freitag, 27. Juni 2014

Tränen am Ende



Lukas lässt grüßen!
Stets weine ich, wenn ich beim Lesen zum Schluss des Markusevangeliums komme. Es beginnt mit einem mulmigen Gefühl, dass sich zur Beklemmung steigert, und spätestens bei der Verspottung kommen die Tränchen. Ich weine natürlich nicht wie eine Gläubige, sondern – um bei anderen antiken Literaturbeispielen zu bleiben - wie über den Tod Hektors von Troja, Kassandras oder Antigones. Das mulmige Gefühl setzt immer an der gleichen Stelle ein: der Salbung von Betanien. Bei alledem bin ich mir recht sicher, was Markus über mich denken würde: „Denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist.“ (Mk 8,33)

Ein wirklicher Grund zu weinen, wäre hingegen der Umstand, dass unsere Vorstellung von einer Szene im Markusevangelium häufig von den Schilderungen der anderen Evangelien überlagert und manchmal regelrecht verdrängt wird. Die Salbung von Betanien ist dafür auch ein gutes Beispiel. Viele denken sicher „automatisch“ an eine sündige, schöne Frau, die die Füße Jesu mit ihren Tränen benetzt, mit ihren Haaren trocknet, sie küsst, mit Öl salbt und ergeben vor ihm kniet. Lukas und Johannes lassen grüßen! Wer hingegen weiß, dass der Fall bei Markus und Matthäus ganz anders liegt, stellt sich die Salbung Jesu am Tisch bei einem üppigen Gastmahl im Haus von Simon vor. Hand in Hand haben die drei anderen Evangelisten hier ganze Arbeit geleistet. Tatsächlich kommt ein „Tisch“ oder eine „Mahlzeit“ in der markinischen Salbung überhaupt nicht vor. 

Dienstag, 3. Juni 2014

Das abwesende Lamm beim Abendmahl


via art-now-and-then.blogspot
Das Portal „Offene Bibel“ hatte sich in seinem „Markusprojekt“ zum Ziel gesetzt, dass Markusevangelium in einer neuen Bibelübersetzung zugänglich zu machen, die dem griechischen Urtext stärker verbunden ist und doch gute deutsche Formulierungen findet. Ein sehr lobenswertes Beispiel für die glückliche Neuübersetzung ist Markus 14,12:

Und am ersten Tag der ungesäuerten [Brote], als sie das Passah zu essen pflegten, sagen seine Jünger zu ihm: 'Wo willst du, dass wir hingehen und vorbereiten, dass du das Passah isst?'

Bemerkenswert und inhaltlich zutreffend an dieser Neuübersetzung ist, dass ein „Lamm“ im griechischen Urtext von Mk 14,12 nicht erwähnt wird. Alle herkömmlichen Bibelübersetzungen nennen hingegen ein „Lamm“ in Mk 14,12, obwohl es eben im griechischen Grundtext gar nicht auftaucht, z.B. die Luther: „Und am ersten Tage der Ungesäuerten Brote, als man das Passalamm opferte, sprachen seine Jünger zu ihm: Wo willst du, dass wir hingehen und das Passalamm bereiten, damit du es essen kannst?“

Markus schreibt stets nur, dass das „Passah“ gefeiert, das „Passah“ gegessen und das „Passah“ vorbereitet wird. Weder von einem „Lamm“ noch von einer Opferung im Tempel ist die Rede. Seinen Jüngern gibt der markinische Jesus genaue Anweisungen zur Vorbereitung des „Passah“ - Mk 14,13ff (Offene Bibel): „Und er sandte zwei seiner Jünger und sagt zu ihnen: „Geht in die Stadt, und euch wird ein Mann begegnen, der einen Krug Wasser trägt. Folgt ihm! Und wo auch immer er hineingeht, sagt zu dem Hausherrn: ‚Der Lehrer sagt: Wo ist mein Gästezimmer, wo ich das Passah mit meinen Jüngern esse?‘ Und er wird euch ein großes, möbliertes Dachzimmer zeigen, das bereit [ist]. Und dort bereitet [das Passahmahl] für uns vor!“ Auch diese Stelle enthält keinen Hinweis darauf, dass die Jünger ein Lamm im Tempel schlachten und opfern lassen sollen.

Auch im Übrigen gilt, dass Markus jede Nennung von Opferungen im Tempel und jede Erwähnung des regulären Tempeldienstes vermeidet. Die Beschreibung des Abendmahls macht deutlich, dass dies sicherlich kein eigenartiger Zufall, sondern strenge Absicht von Markus war. Warum aber vermeidet Markus jegliche Erwähnung des Tempeldienstes? Ich halte es mal wieder mit einer paulinischen Erklärung:

Freitag, 16. Mai 2014

Von Dämonen und unreinen Geistern

via blog.richmond

Auch heutzutage sind viele Gläubige weltweit von der realen Existenz von Dämonen überzeugt. Pater Francesco Bamonte, der Exorzist der Diözese des Papstes, gab erst unlängst grundlegende Einsichten in seine Dämonenvorstellungen. Solche Gläubigen gehen davon aus, dass Dämonen tatsächlich existieren, dass Jesus gegen sie kämpfte und dass der Evangelist Markus dies wusste und in seinem Evangelium beschrieb.

In der modernen Gelehrtenwelt herrscht eine andere Vorstellung vor. Nach Meinung der Bibelwissenschaftler seien Dämonen zwar nicht real existent, aber in der Antike hätten alle Menschen fest an die Existenz von Dämonen geglaubt. Auch der Evangelist Markus habe diesem Dämonenglauben angehangen und deshalb seine Geschichten über Jesus und die Dämonen verfasst. Man kann diese These sogar bei Wikipedia nachlesen: „Das Neue Testament setzt die Existenz von Dämonen voraus. … Besonders das Markusevangelium (Mk) schildert solche eindrücklich.

In einem sind sich diese traditionell Gläubigen und die Gelehrtenwelt also einig. Angeblich habe Markus fest an die Existenz von Dämonen geglaubt – nach den einen zu Recht, nach den anderen irrtümlich.

In Verteidigung von Markus, einem der genialsten Köpfe, die die Menschheit je hervorgebracht hat, will ich in diesem Beitrag am Beispiel der 4 großen Dämonenszenen im Markusevangelium zeigen, dass Markus nicht ansatzweise an Dämonen glaubte und sich über Dämonenvorstellungen sogar lustig machte.

Montag, 12. Mai 2014

Jesus beleidigt die Syrophönizierin als Hündchen


Frage: Warum ist Jesus so herablassend gegenüber der Frau?

Mk 7,27: „Und er sprach zu ihr: Lass zuerst die Kinder satt werden; es ist nicht gut, dass man den Kindern das Brot wegnehme und werfe es vor die Hündchen.

via allaboutchris
Jeder etwas sorgfältige Leser des Markusevangeliums wird sicher über diese Stelle stolpern. Auf der Erzählebene wendet sich eine flehende Mutter aus Sorge um ihr Töchterchen an Jesus. Jesus weist die ehrerbietige Frau zunächst nicht nur ab, sondern beleidigt sie indirekt auch noch als unreines „Hündchen“. Markus erläutert den Grund für Jesus Beleidigung nicht. Der Leser muss sich selbst über diese Stelle Gedanken machen und nach den Gründen für Jesus´ „arrogante“ Absage suchen.

1) Fünf Gelehrtenmeinungen

Vor etwa einem Monat hat David D.M. King einen kleinen Essay über diese Frage geschrieben und dazu verschiedene Gelehrtenmeinungen untersucht sowie deren einzelne Schwächen und Stärken diskutiert. In leicht geänderter Reihenfolge, gekürzt und etwas volkstümlich ausgedrückt sind es die folgenden:

1. Jesus meint es gar nicht so, das griechische Wort für „Hündchen“ bezeichnet nur kleine, im Hause lebende Hundewelpen, Jesus scheint bei seinen Worten gewissermaßen zu zwinkern
2. Jesus möchte allein sein, er ist verärgert über die Störung der Syrophönizierin und hat nicht „seinen besten Tag“
3. Jesus ist nur zu den Juden „gesandt“ und verachtet Heiden, er ist von den Gegebenheiten seiner Zeit geprägt, die Syrophönizierin verändert seine Sicht auf die Heiden
4. Jesus ist rassistisch, von den Gegebenheiten seiner Zeit geprägt, die Syrophönizierin verändert seine Sicht auf „Ausländer“
5. Jesus ist ein ziemlicher Macho, von den Gegebenheiten seiner Zeit geprägt, die Syrophönizierin verändert seine Sicht auf Frauen

Theorie 1 negiert das Problem der Beleidigung, Theorie 2 erklärt die Beleidigung aus einem zufälligen Augenblicksversagen heraus, die Theorien 3-5 geben als Grund der Beleidigung eine intolerante Einstellung von Jesus zu einem Wesenszug der Syrophönizierin an.

Wie David D.M. King bin ich der Meinung, dass die Schwäche der beiden ersten Theorien darin besteht, dass sie das Problem „umgehen“ oder als „zufällig“ hinstellen. Diese Positionen verkennen, dass Markus die Leser offensichtlich mit Absicht vor dieses Problem stellt. Die Leser sollen sich meines Erachtens gerade daran „stoßen“ und über die von Markus nicht genannten Gründe der Beleidigung nachdenken.

Die Theorien 3-5 halte ich ebenfalls für unzutreffend …