Montag, 30. Dezember 2013

Die Geheimnisse des Messias im Auge William Wredes


Teil 9 - Der Sinn des Geheimnisses

Was ist nun der Sinn der jesuanischen Geheimniskrämerei im Markusevangelium? Können wir annehmen, dass Jesus sich selbst und sein Wirken so gut wie möglich verhüllt hat oder ist es lediglich die Absicht des Evangelisten Markus, Jesus als einen verborgenen Christus/Messias darzustellen?

Ich gehe weiter und behaupte: ein geschichtliches Motiv kommt wirklich gar nicht in Frage; positiv: die Idee des Messiasgeheimnisses ist eine theologische Vorstellung.

 „Eine verhältnismässig wenig beachtete Stelle liefert den Schlüssel für die Anschauung. ... Es ist der Befehl, den Jesus nach der Verklärung erteilt (Mk 9, 9): 'Und als sie vom Berge herabstiegen, befahl er ihnen, niemand zu erzählen, was sie gesehn, ausser wenn der Sohn des Menschen von den Toten erstanden wäre.'

Bedenbenders "Frohe Botschaft am Abgrund"


Heute ist ein kleiner Festtag für mich.
via eva-leipzig.de

Ich habe mir soeben bei Amazon "Frohe Botschaft am Abgrund: Das Markusevangelium und der Jüdische Krieg" von Andreas Bedenbender bestellt. Das Inhaltsverzeichnis (Achtung pdf-Format) kann hier eingesehen werden. Aus dem Inhalt erschließen sich bereits einige Punkte, die für jeden Markus-Liebhaber mit modernem Verständnis deutlich machen, welch hervorragende Klasse in Bedenbenders Schinken (über 500 Seiten) steckt:

- der Ausruf des römischen Hauptmanns "Wahrlich, dieser Mensch ist Gottes Sohn gewesen!" ist nicht als christliches Bekenntnis zu verstehen (In Wahrheit handelt es sich um eine letzte Schmähung und Verspottung Jesu, mit der unfreiwillig und unbewusst die "Wahrheit" gesagt wird.)
- die "Entgeistung" beim Tode Jesu 
- ein Zusammenhang von Blindenheilung und Petrusbekenntnis (Falls Bedenbender dann noch den "Kleinen", also den fremden Wundertäter in Mk 9, 38ff als Paulus identifizieren sollte, schmeiß' ich ne Runde!)
- Kafarnaum und Bethsaida sind bei Markus nicht reale historische Orte, sondern als Metaphern zu verstehen

Noch habe ich keine Zeile des Buches gelesen, aber es ist wohl bereits absehbar, dass Bedenbender das wichtigste Buch zum Markusevangelium vorgelegt hat, dass seit vielen, seit sehr vielen Jahren in Deutschland geschrieben wurde. Hosianna! Als nächste Serie nach Wrede hatte ich eigentlich bereits eine zu den Orten und Örtlichkeiten im Markusevangelium geplant. Aber die lässt sich sicher ausgezeichnet mit Bedenbenders Darstellung verbinden, bevor ich sein Buch dann hier im Ganzen umfangreich bespreche.

Sonntag, 29. Dezember 2013

Die Geheimnisse des Messias im Auge William Wredes


Teil 8 – Lehre in Gleichnissen

Ein weiterer Aspekt der messianischen Selbstverhüllung Jesu im Markusevangelium ist die parabolische Lehrweise.
Garret Walker via
sabbathsermons.files.wordpress.com

Mk 4, 10ff: „Und als er allein war, fragten ihn, die um ihn waren, samt den Zwölfen, nach den Gleichnissen. Und er sprach zu ihnen: Euch ist das Geheimnis des Reiches Gottes gegeben; denen aber draußen widerfährt es alles in Gleichnissen, damit sie es mit sehenden Augen sehen und doch nicht erkennen, und mit hörenden Ohren hören und doch nicht verstehen, damit sie sich nicht etwa bekehren und ihnen vergeben werde.

Der Zweck der Gleichnisse besteht nach Markus also darin, dass Jesus NICHT verstanden wird und die „draußen“ verstockt werden.

Samstag, 28. Dezember 2013

Die Geheimnisse des Messias im Auge William Wredes


Teil 7 – Die Säulen, der Jüngerkreis und das Haus

Im Fortgang seines Werks untersucht William Wrede verwandte Gesichtspunkte. Er wendet sich zunächst jenen Stellen zu, in denen nur einem ausgewählten Jüngerkreis besondere Erfahrungen mit Jesus zuteil werden. Eine Eingrenzung auf die „Säulen“ – zuweilen zusätzlich mit Andreas – finden wir in folgenden Perikopen:

Staunende "Säulen"
liturgialatina.blogspot.com
- Heilung der Schwiegermutter des Petrus
- Auferweckung der Tochter des Jairus
- Verklärung
- Endzeitrede
- Gebetskampf in Gethsemane

Ebenso fehlt eine Initiative Jesu in dem anderen Falle, wo er den gleichen vier Jüngern eine Belehrung giebt. Zu ihnen nämlich wird nach Markus die grosse eschatologische Rede gesprochen (Mk 13, 3f.). Sie locken sie hervor durch ihre Frage nach dem Wann der von Jesus geweissagten Zerstörung des Tempels und nach dem Zeichen für das Eintreten der Zukunftsereignisse. Hier fällt aber auf, dass der Erzähler betont, die Jünger hätten Jesus allein gefragt. Soll die eschatologische Rede als eine Geheimlehre hingestellt werden?

Die Geheimnisse des Messias im Auge William Wredes


Teil 6 – Offenbarungsverbote

Wrede gibt zunächst eine Übersicht über die Rede- bzw. Offenbarungsverbote, die er in
Noli me tangere
wikigallery.org

- Verbote an die Dämonen
- Verbote nach anderen Wundertaten
- Verbote nach dem Petrusbekenntnis
- Absichten, das Inkognito zu wahren sowie
- in ein nicht von Jesus ausgehendes Verbot (gegenüber dem Blinden von Jericho) unterscheidet.

Er hält alsdann fest, dass sämtliche Verbote durch Markus „scharf“ und „bestimmt“ formuliert sind. Die Verbote sind mit Strenge ausgesprochen. Gegenüber den Adressaten des Verbots schwingt im Verbot von Jesus ausgehende Bedrohung, Zorn und Härte mit.

Montag, 23. Dezember 2013

Die Geheimnisse des Messias im Auge William Wredes


Teil 5 - Messiaserkenntnis der Dämonen

William Wrede untersucht zunächst jene Verse bei Markus, in denen Jesus den Dämonen Schweigen gebietet. Er stellt fest, dass nach dem Markusevangelium nicht die von den unreinen Geistern besessenen Menschen, sondern die Dämonen selbst in Jesus den Gottessohn erkennen:

via answering-christianity.com
 "Nicht die Menschen, sondern die in ihnen wohnenden Dämonen haben die Erkenntnis, es ist die Erkenntnis übernatürlicher Wesen. Und das Objekt ihrer Erkenntnis ist ebenfalls übernatürlich: es ist nicht der menschliche Jesus als solcher, sondern es ist der mit dem Pneuma ausgestattete, der übernatürliche Jesus, der Sohn Gottes ... Der Dämon spricht aus dem Kranken und statt seiner ... Jesus spricht seinerseits auch nicht zum Kranken, sondern herrscht den Dämon selber an. Einer Bekanntschaft des Kranken mit Jesus bedarf es nicht ..."

Sonntag, 22. Dezember 2013

Die Geheimnisse des Messias im Auge William Wredes


Teil 4 – Wredes Einwände

Aus William Wredes Kritik wird deutlich, dass ihm nicht an einem Meinungsstreit gelegen war, sondern am Verständnis des Markusevangeliums. Er brachte mit seiner vorläufigen Kritik keine Gegenargumente vor, sondern Beobachtungen und Überlegungen:

1) Weshalb verbietet Jesus eigentlich überhaupt, von seiner messianischen Würde und seinen Taten zu sprechen? Weshalb schweigt er gegenüber den Jüngern? Warum soll das Geheimnis gegenüber dem Volk auch nach dem Petrusbekenntnis noch gewahrt werden? Ein nahe liegendes Motiv, so Wrede, wäre, dass die Beteiligten von selbst zu dieser Einsicht gelangen sollen. Allerdings deutet Markus, der durchaus auch Erläuterungen gibt, ein solches Motiv nicht an.
via kidsclubs4jesus.com

2) Wenn wir dieses Motiv gleichwohl zu Grunde legen, warum gibt es dann im Markusevangelium keine Erkenntnisentwicklung? Nicht nachvollziehbar ist etwa, wie Petrus plötzlich zu seiner Einsicht und dem Messiasbekenntnis gelangt. Noch unmittelbar vorher zeigten die Jünger ihr Unverständnis anlässlich der Speisungen der 5000 bzw. 4000: „Ob die Erkenntnis nun vorbereitet war oder blitzartig kam - bei einem Erzähler, der etwas von der Bedeutung dieses Wechsels fühlt, wäre eine Andeutung am Platze.

Freitag, 20. Dezember 2013

Die Geheimnisse des Messias im Auge William Wredes


Teil 3 - Theorien vor Wrede

In vereinfachten Grundzügen beantworteten die Bibelexegeten vor William Wrede die Frage nach dem Selbstverständnis Jesus als Messias und seiner öffentlichen Selbstverkündigung in Auslegung des Markusevangeliums mehrheitlich wie folgt:

1. Zunächst erlangt Jesus bei seiner Taufe allein die Offenbarung, Gottes Sohn zu sein. (Mk 1, 10-11 "Und sogleich, als er aus dem Wasser stieg, sah er den Himmel zerrissen und den Geist wie eine Taube auf ihn herabsteigen. Und eine Stimme ertönte aus dem Himmel: Du bist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe!") Jesus hält seine Messiaswürde jedoch mit Absicht geheim.
Dämonen wussten Bescheid
Foto: blog.richmond.edu


2. Die "Dämonischen" (so Wredes Bezeichnung der "unreinen Geister") sind die ersten, die davon Kenntnis haben (Mk 1, 23-24 "Und es war in ihrer Synagoge ein Mensch mit einem unreinen Geist, der schrie und sprach: ... Ich weiß, wer du bist: der Heilige Gottes!") Jesus gebietet den Dämonischen darüber zu schweigen, um das Geheimnis weiterhin zu wahren.

Die Geheimnisse des Messias im Auge William Wredes


Teil 2 - Wredes Frage und Hinführungen

1) Im Zentrum des christlichen Glaubens steht die Gestalt von Jesus Christus.

via sheepalert.wordpress.com
Armand Arnold erinnerte vor etwa einem Jahr treffend daran, dass „‚Christus’ … keineswegs der Familienname eines gewissen Jesus aus Nazareth“ ist, sondern ein Würdentitel jüdischen Glaubens: „Paradoxerweise ist ‚der Christus’, was uns mit den Juden verbindet und zugleich entzweit. Wir nennen ihn ‚Christus’, sie nennen ihn ‚Maschiach/Messias’. Leider reden wir seit zweitausend Jahren aneinander vorbei, wenn wir vom ‚Christus/Maschiach’ reden. Wir behaupten: Jesus von Nazareth war‘s, sie sagen: Er war‘s nicht!“ Fragen, die sich vor diesem Hintergrund stellen, sind beispielsweise: War Jesus der Christus und wenn ja, welche seiner Eigenschaften und Taten berechtigen zu dieser Annahme? Was glaubte Jesus selbst? Hielt er sich für den Messias und verkündete er dies öffentlich? Was sagen die Evangelisten dazu?

2) Bereits an dieser Stelle erhebt William Wrede wissenschaftlichen Einspruch:

Donnerstag, 19. Dezember 2013

Die Geheimnisse des Messias im Auge William Wredes


Teil 1 – Gesten

William Wrede veröffentlichte sein Werk „Das Messiasgeheimnis in den Evangelien. Zugleich ein Beitrag zum Verständnis des Markusevangeliums“ im Jahr 1901 mit einer Geste der Entschuldigung:
Quelle: Wikipedia

Es ist mir in mancher Stunde schmerzlich gewesen, dass meine Untersuchung so manches antastet, woran gute und fromme Menschen mit dem Herzen hängen. Ich gedachte alter Freunde, lieber Zuhörer, bekannter und auch unbekannter Gotteskinder, denen die Schrift vor Augen kommen könnte.

Wrede sah im Markusevangelium eine Schrift, die bei „guten und frommen“ Christen in lebendigem Gebrauch war und an der sie mit „ihrem Herzen hingen“. Wredes denkerische Größe zeigt sich vor allem an dieser einfachen Formel.

Mittwoch, 18. Dezember 2013

Kampf der Evangelien-Literatur: Kanon > < Apokryphen


Teil 8 - Finale Lukas-Evangelium – Johannes-Evangelium

Der Wettbewerb zwischen Kanon und Apokryphen ist vorbei, noch ehe das Finale ausgespielt ist. Dabei habe ich sogar zu Gunsten der Verlierer geschummelt und bei den Ansetzungen die auf den ersten Blick stärksten Apokryphen den scheinbar schwächsten kanonischen Evangelien zugeordnet. Der Ehrlichkeit halber ist sicher auch zu sagen, dass Markus und Matthäus aufs ganze Evangelium gesehen locker die Exegese und Thomas geschlagen hätten. Nur ihre tatsächlichen oder vermeintlichen „schwachen“ Anfänge warfen sie zurück.