Sonntag, 31. Mai 2015

Josephus über die Mission des Täufers


1) Die „Jüdischen Altertümer“ des jüdischen Historikers Joseph ben Mathitjahu, bekannt als Flavius Josephus, enthalten 3 Stellen, die häufig im Zusammenhang mit den Berichten des Neuen Testaments diskutiert werden: Buch 18,3.3 (über Jesus), 18,5.2 (über Johannes den Täufer) sowie 20,9.1 (über den Herrenbruder Jakobus). Unlängst hat Peter Kirby einen schönen Beitrag veröffentlicht, in dem er die für oder gegen eine Fälschung sprechenden Gründe (insgesamt 26!) betreffend den Bericht über Johannes den Täufer abgewogen hat und zum Ergebnis gelangt ist, dass die Täufer-Passage authentisch ist

via peterkirby.com

Josephus‘ Bericht über die Mission des Täufers widerspricht den Darstellungen der Evangelisten über die Johannestaufe zumindest an einem entscheidenden Punkt, nämlich dem Zweck der Taufe. Historiker und Bibelwissenschafter wägen daher stets ab, welche Schilderung sie als vertrauenswürdiger und von den Absichten des jeweiligen Autors als weniger „überformt“ ansehen.

Im vorliegenden Beitrag interessiert mich ausschließlich die Darstellung von Josephus. Sie ist sehr knapp, vor allem in einem Punkt nicht ganz leicht zu verstehen und lässt meines Erachtens durchaus mehrere, sogar recht unterschiedliche Deutungen der Mission und des Taufverständnisses des Täufers zu.
 
2) Zunächst der griechische Text, die Übersetzung von Martin und einige Anmerkungen zum besseren Verständnis.

Mittwoch, 20. Mai 2015

Wie die Evangelisten die Prophezeiung „in jenen Tagen“ interpretierten


1) In der hebräischen Bibel und ihrer griechischen Übersetzung, der Septuaginta, gibt es Wörter und Phrasen, die sich häufig wiederholen. Dazu gehört auch die Wendung „in jenen Tagen“ (ἐν ταῖς ἡμέραις ἐκείναις) bzw. „an jenem Tag“ (ἐν τῇ ἡμέρᾳ ἐκείνῃ). Ihre Bedeutung ist nicht durchgängig gleich. Die Floskel kann sowohl eine ferne Vergangenheit, die erzählte Gegenwart, aber auch eine prophezeite Zukunft beschreiben. Sie kann zum Zwecke besonderer Betonung, aber auch als bloße unbetonte Zeitangabe verwendet worden sein.
Weihnachtslied: "An jenem Tag", via volksmusik-archiv.de

Sehr bekannt ist die Wendung aus dem Buch der Richter, indem mehrmals wiederholt wird: „In jenen Tagen gab es keinen König in Israel.“ (LXX-Ri 17,6; 18,1; 19,1; 21,25). Das Buch Genesis verwendet die Floskel „an jenem Tag“ gern als „Markierung“ wichtiger Stationen der Abraham gegebenen Verheißung, beginnend mit LXX-1. Mos 15,18 („An jenem Tag verfügte Gott für Abram eine Verfügung, indem er sagte: Deiner Nachkommenschaft werde ich dieses Land geben ...“).

Bei den Propheten bekommt die Wendung schließlich etwas Geheimnisvolles, weil sie verwendet wird, um die Zeit des künftigen Heils oder des drohenden Gerichts zu beschreiben. Sie dient also zur Bezeichnung der „eschatologischen“ Zukunft, des Anbruchs der letzten Dinge und des Herabkommens einer neuen Welt. Etwa bei Jeremia (LXX-3,16ff): „Und es wird geschehen, wenn ihr euch vermehrt und über das Land ausbreitet in jenen Tagen, spricht der Herr, werden sie nicht mehr sagen 'Die Bundeslade des Heiligen Israels', sie wird nicht mehr zum Herzen aufsteigen, weder wird sie beim Namen genannt noch betrachtet werden, und sie wird nicht wiederhergestellt werden. In jenen Tagen und zu jener Zeit wird man Jerusalem 'Thron des Herrn' nennen, und alle Völker werden in ihr gesammelt werden und sie werden nicht länger hinter den Gedanken ihres bösen Herzens nachlaufen. In jenen Tagen wird das Haus Juda mit dem Haus Israel zusammenkommen, und sie werden miteinander vom Land des Nordens und aus allen Gegenden in das Land kommen, das ich ihren Vätern zum Besitz gegeben habe ...“ oder Jesaja (29,18) „Und an jenem Tag werden Taube Worte eines Buches hören, und die Augen von Blinden, die in der Finsternis und in dem Nebel sind, werden schauen ...

Die Propheten verwenden diese Floskel so häufig, dass unsere Evangelisten dies bemerkt und die Wendung selbst verwendet haben, um an diese Prophezeiungen anzuknüpfen. Wie zu sehen sein wird, verwenden die Vier die Formel zunächst um das Anbrechen der durch Jesus vermittelten Heilszeit zu „markieren“. Markus und Matthäus scheinen diesbezüglich eine kleine Meinungsverschiedenheit zu haben …

Freitag, 8. Mai 2015

Markus im Glauben II


(Unter der Rubrik „Markus im Glauben“ verweise ich von Zeit zu Zeit auf geistliche Texte, die meines Erachtens vorbildlich mit den „Herausforderungen“ des Markusevangelium umgehen. Texte, die einen „unverfälschten“ Markus wertschätzen und als Anregung zu positiven geistlichen Überlegungen dienstbar machen.)

Aktuell beschäftigt mich noch immer Mk 1,40-45, die Reinigung des Aussätzigen. In der vergangenen Woche habe ich viele Interpretationen dieser Erzählung gelesen. Für mich überraschend habe ich die meisten Anregungen nicht in wissenschaftlichen Abhandlungen gefunden, sondern in Predigten und anderen geistlichen Texten.
via wikimedia

Zum Lachen brachte mich ein „Weekly Newsletter“ der St. Mary Catholic Cathedral von Amarillo, Texas, in der der Rollentausch zwischen Jesus und dem Aussätzigen mit jenen Kinofilmen verglichen wurde, in denen zwei Menschen ihre Körper tauschen (sog. bodyswitch-Filme).

Verweisen will ich aber eigentlich auf eine schöne, wenn auch bereits etwas ältere Predigt des Leipziger Pfarrers Christian Wolff. Der Thomaspfarrer meiner Heimatstadt hatte offenbar ganz ähnliche Verständnisprobleme mit dieser Erzählung. Zwei Auszüge:

Eine sonderbare Geschichte ist das. Die an sich erstaunliche Heilung, die ein Aussätziger erfährt, wird fast beiläufig erzählt. Dass es sich dabei um ein Wunder handelt, scheint für den Evangelisten Markus keine Rolle zu spielen. Ihn interessiert eher, was sich zwischen Jesus und dem Aussätzigen abspielt und was nach der Heilung geschieht: wie der Geheilte mit der wundersamen Wandlung umgeht, was er erzählt, was er verschweigt. Doch damit haben sich die Besonder- und Befremdlichkeiten der Geschichte noch lange nicht erschöpft:

Durch die Art und Weise, wie Markus diese Geschichte erzählt, macht er uns auf ein Problem aufmerksam, das uns als Kirche bis zum heutigen Tag begleitet. Es geht nämlich um die Frage, wie sehr wir uns Jesu bemächtigen, wenn wir von ihm öffentlich künden. Wie sehr wir Jesus uns zum Bilde machen, wenn wir seine Taten weiter erzählen. Und wie sehr wir Jesus beschädigen, wenn wir das öffentlich machen, was wir persönlich auf ihn zurückführen.