Sonntag, 29. Dezember 2013

Die Geheimnisse des Messias im Auge William Wredes


Teil 8 – Lehre in Gleichnissen

Ein weiterer Aspekt der messianischen Selbstverhüllung Jesu im Markusevangelium ist die parabolische Lehrweise.
Garret Walker via
sabbathsermons.files.wordpress.com

Mk 4, 10ff: „Und als er allein war, fragten ihn, die um ihn waren, samt den Zwölfen, nach den Gleichnissen. Und er sprach zu ihnen: Euch ist das Geheimnis des Reiches Gottes gegeben; denen aber draußen widerfährt es alles in Gleichnissen, damit sie es mit sehenden Augen sehen und doch nicht erkennen, und mit hörenden Ohren hören und doch nicht verstehen, damit sie sich nicht etwa bekehren und ihnen vergeben werde.

Der Zweck der Gleichnisse besteht nach Markus also darin, dass Jesus NICHT verstanden wird und die „draußen“ verstockt werden.

In diesem Texte ist mit aller Klarheit der Gedanke ausgesprochen, dass Jesus sich dem Volke gegenüber mit seiner Lehre ins Geheimnis hüllt ... Ich brauche diese Exegese nach Jülichers vortrefflichen Darlegungen nicht von Neuem zu begründen. Alle Versuche, dem Gedanken, dass die Form der parabolischen Lehrweise als solche das Dunkle und das dunkel Machende ist, seine Schärfe zu nehmen, hat er bereits völlig ausreichend widerlegt.

Der Gedanke, dass Jesus dem Volke die Lehre durch Gleichnisrede verbirgt, hat seine Kehrseite in dem, was von den Jüngern gesagt wird. Markus scheidet in aller Form zwischen einer esoterischen und exoterischen Belehrung Jesu. Den Jüngern ist nämlich das Geheimnis des Reiches Gottes gegeben worden.

Das „Reich Gottes“ und sein „Geheimnis“ ist bei Markus keineswegs im Schweitzerischen Sinne zu verstehen.

Was das Geheimnis des Reiches Gottes ist, sagt der Erzähler nicht, er setzt aber voraus oder lässt Jesus voraussetzen, dass der Begriff bekannt und klar ist. Für uns ist der Inhalt und Umfang des Begriffes zunächst unbestimmt. … Die Frage, ob es sich um ein gegenwärtiges oder zukünftiges Reich handle, ist daher von vornherein gegenstandslos. … Der Ausdruck (Geheimnis) ist bereits ganz formelhaft und daher ebenso wenig eine Verdeutlichung, … als wenn wir vom ‚Geheimnis des Christentums’ sprächen.

Denn man muss dann notwendig fragen, was denn am Reiche Gottes das Geheimnisvolle sei, und kann eine rechte Antwort darauf nicht finden.“ „Hier ergiebt sich nun eigentlich, dass die gesamte Lehre Christi unter den Begriff fällt. Denn wenn ‚die draussen’ alles ‚in Gleichnissen’ erhalten, wenn sie also von der Lehre Christi im Grunde gar nichts fassen können, so muss eben alles eigentlich Geheimlehre sein.

Markus spricht in unserm Texte noch einen zweiten Gedanken aus. Er ist mit dem besprochenen verwandt, darf aber, wie schon angedeutet ist, nicht mit ihm identifiziert werden. Die Jünger stehen nämlich auch darin über dem Volke, dass sie eine Auslegung der Gleichnisse erhalten. Natürlich enthalten ja die Gleichnisse Jesu, trotzdem sie eigentlich nur des Volkes wegen da sind, tiefe Gedanken. Den Jüngern werden sie erschlossen.

Man wird fragen, was in den Gleichnissen das Geheimnisvolle ist. Es ist zu bezweifeln, dass Markus sich darüber Gedanken gemacht hat, oder dass er einen besonderen Inhalt als geheime Lehre gedacht hat.

Weshalb soll eigentlich die Lehre des Gleichnisses vom Säemann, wie sie der Evangelist in der mitgeteilten Deutung giebt, geheimnisvoller sein als irgend etwas anderes, was Jesus sonst verkündet? Was ist besonders geheimnisvoll daran, dass das Wort Gottes bei den verschiedenen Menschen einen verschiedenen Erfolg hat, oder dass Stumpfsinn, Leichtsinn und Weltsinn um die Frucht des Wortes betrügen? Es ist wichtig, dass man hierauf keine befriedigende Antwort geben kann.

Wir haben eine, wie mir scheint, sehr deutliche und darum wertvolle Parallele in dem bereits erwähnten Worte über das, was den Menschen verunreinigt (Mk 7, 17ff.). … Ich frage nun wieder: weshalb soll die Wahrheit, dass ‚von innen aus dem Herzen’ allerlei Böses kommt, das den Menschen verunreinigt - denn dies ist die Deutung - geheimer sein als ein beliebiger moralischer Spruch, der ohne Bild auftritt? Es ist offenbar: dem Schriftsteller schwebt hier nicht ein bestimmter Gedankeninhalt als das Geheime vor, um dessen willen Jesus dann das bedeckende parabolische Gewand über seine Rede breiten würde, sondern er schliesst ganz einfach von der blossen Form aus: weil Jesus parabolisch-rätselhaft spricht, so hat er Geheimes mitgeteilt und mitteilen wollen.

In der That, die Meinung des Markus vom Rätselcharakter und vom Verhüllungszweck der Parabelrede schlägt den Parabeln selbst, wie sie in den Evangelien vorliegen, schlägt dem Wesen der Parabel überhaupt, der ihr eingeborenen Bestimmung zu veranschaulichen, zu erklären oder zu beweisen, geradezu ins Gesicht. Jesus aber schreibt diese Meinung ein Verfahren zu, dessen Grausamkeit wetteifert mit seiner Sonderbarkeit und Zwecklosigkeit. Denn unverständliche Reden zu dem Zwecke zu sprechen, um Andere damit zu verstocken, ist grausam, diese Wirkung von solchen Reden - und zwar von Gleichnissen! - erwarten ist sonderbar und mehr als das, und eine Unempfänglichkeit herbeiführen wollen, die in Wahrheit schon da ist, ist zwecklos.

Unter diesen Umständen sollte man darauf verzichten, noch irgend einen Fetzen eines echten Jesuswortes im Texte zu suchen und gar noch einen ursprünglichen Sinn des Echten von dem bei Markus überlieferten Sinne zu unterscheiden.

Die Auffassung des Markus von der Tendenz der parabolischen Lehrweise Jesu ist nicht aus einer Reflexion über den Inhalt vorliegender Parabeln hervorgegangen, sie ist auch gar nicht an vorhandenen Parabeln kontroliert …

… dass die Parabel ein Rätsel sei, war der der Zeit geläufige Begriff. Dieser Ausgangspunkt der Anschauung ist also völlig klar.

Ganz abgesehen von den Parabeln also gab es den Gedanken: das Grösste, was Jesus sagen konnte, hat er mit Fleiss für sich behalten. Obwohl noch nicht klar ist, was das für Markus bedeutet, spricht doch, wie gesagt, alles dafür, dass die Auffassung der Parabelrede mit dieser Anschauung irgendwie zusammenhängt. Denn beide Male verbirgt Jesus die göttliche Wahrheit. Wenn man nun jene Anschauung von der Selbstverhüllung Jesu bereits hegte, so konnte der Gedanke, dass er in unverständlichen Bildern gesprochen habe, gar nicht so befremdlich und rätselhaft sein, es war … schon ein Ort für ihn vorhanden.

Wir fanden bei Markus zwei nahe verwandte Vorstellungen: 1) zum Volke sprach Jesus in Parabeln d. h, verhüllt, zu den Jüngern offen, 2) dem Volke blieben die Parabeln dunkel, den Jüngern wurden sie ausgelegt. Welche Vorstellung soll als die ursprüngliche, welche als die abgeleitete gelten? Mit voller Sicherheit lässt sich das vielleicht nicht sagen. Aber man wird vermuten, dass die erste die ursprüngliche war. Denn sie antwortet auf die Frage : weshalb hat Jesus in Parabeln gesprochen ? die andere … auf die Frage: was wird aus der in den Parabeln enthaltenen Lehre? Jene Frage war aber naturgemäss der Ausgangspunkt. Sagte man einmal, der Parabelvortrag erfolgte, um dem Volke die Lehre Jesu zu verbergen, so trat der zweite Gedanke dann leicht hinzu.

Wie fern steht doch dieser Anschauung das geschichtliche Leben Jesu! Nicht die leiseste Empfindung, die das Hören der wirklichen Gleichnisse Jesu erregen konnte und erregen musste, klingt mehr hindurch. Will man zeigen, was für unhistorische Vorstellungen bei Markus möglich sind, so wird dieser Punkt immer ein ausgezeichnetes Beispiel sein. Eben darum aber darf man sich nicht begnügen, ihn gleichmütig als geschichtlich wertlos zu buchen, sondern man muss an ihm lernen für Anderes.

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