ÜBER „Κατὰ Μᾶρκον“


Zu allen Zeiten haben Menschen sich für ein ganz bestimmtes Werk der Weltliteratur begeistert. Dieses Werk konnte die „Odyssee“ von Homer sein, Dante´s „Göttliche Komödie“, der „Don Quijote“ von Cervantes oder Goethe´s „Faust“. Für mich ist es das Evangelium nach Markus, auch wenn ich nicht gläubig bin. Mit
dieser Seite möchte ich diese Erzählung feiern, deren Erfolgsgeschichte nach wie vor ungebrochen ist und deren Autor in meinen Augen einer der größten Schriftsteller aller Zeiten war.

Paulus via
xnapologetics.wordpress.com
In den Jahrzehnten nach dem Tod des Paulus hielt die frühe Christenheit lediglich die paulinischen Briefe als ihre ureigenen Schriften in den Händen. Die Briefe des Paulus gaben jedoch keine Antwort auf die Frage, welchen Ursprung die neue Botschaft, das paulinische Evangelium von Jesus Christus, hatte. Auch Paulus` Brief an die Galater bot hierfür nur eine unbefriedigende Erklärung. Für viele frühe Christen war daher fraglich, welchen Weg das Evangelium in der Zeit vor Paulus zurückgelegt und welche Gestalt es in seinem Anfang hatte.


Jesaja-Rolle via
wikimedia
In dieser Situation entwarf ein paulinischer Christ, den wir unter dem Namen Markus kennen, eine geniale, hochgelehrte und äußerst kunstvolle Erzählung, mittels derer er den Ursprung des paulinischen Evangeliums plausibel darzustellen versuchte. Seine Absicht verdeutlichte er bereits mit den Eingangsworten seines Werkes (Mk 1,1: „Ἀρχὴ τοῦ εὐαγγελίου Ἰησοῦ Χριστοῦ“ - zu deutsch: Anfang, Ursprung, Grundlage der Frohbotschaft von Jesus Christus).

Markus` schriftstellerische Erfindungsgabe bestand darin, dass er paulinische und – bereits durch Paulus vermittelt – auch jesajanische Überzeugungen in eine erzählerische Form goß. Vorbilder für seine Erzählform fand er dabei in Stoffen der hebräischen Bibel, die ihm in griechischer Übersetzung, der Septuaginta, vorlag. Vor allem einzelne Geschichten über Mose, Josua, David, Elia und Elisa lieferten ihm Modellcharakter.

Seine Erzählung wurde ein frühchristlicher „Bestseller“, löste mit ihrer paulinischen Ausrichtung aber auch Bedenken aus. Nachfolger gingen deshalb daran, seine Erfolgsstory nicht nur zu vertiefen, sondern vor allem auch umzudeuten. Während sich Lukas und Matthäus äußerlich eng an das Original anlehnten, legten sie ihm inhaltlich eine andere Intention bei. Andere Nachfolger, beispielsweise Johannes und Thomas, interpretierten die markinische Erzählung bereits wesentlich freier.
Phoebe Anna Traquair via theunwittingtraveller.com
Klarstellen möchte ich, dass mein Blog keinerlei Glaubens- oder Kirchenkritik beabsichtigt, auch wenn es sie möglicherweise „unfreiwillig“ enthält. Es wäre für mich beschämend, mit einem gläubigen Christen über den Wahrheits- oder Sinngehalt des Markusevangeliums streiten zu wollen.

Mein Blog entspringt ausschließlich der Leidenschaft für Markus und der Liebe zu seiner weltberühmten Erzählung. Nur aus diesem Grund und um den Sinn seines Evangeliums so gut als möglich darzustellen, löse ich es häufig aus den üblichen Perspektiven, die es meines Erachtens eher verdunkeln als erhellen.

Ich halte es eher für ausgeschlossen, dass in Markus` eigenen Schilderungen ein Kern „historischer Wahrheit“ zu finden ist. Soweit Markus über Paulus hinausgeht, beruht seine Werk meines Erachtens auf genialer schriftstellerischer Erfindungsgabe.

Dies bedeutet freilich nicht, dass Markus kein Christ war. Ganz im Gegenteil war er ein wahrer „Indianer“ im Glauben, wenn auch ein entschiedener Gegner biederer Frömmelei, naiven Wunderglaubens oder des aufkommenden inner-“kirchlichen“ Machtstrebens. Seine Helden (neben Jesus) sind nicht die von den anderen Evangelisten hochgelobten und späterhin als Heilige verehrten Petrus und Pilatus (ja sogar er!), sondern namenlose Gläubige wie die syrophönizische Frau (Mk 7,24ff), der fremde Wundertäter (Mk 9,38ff), der blinde Bettler Bartimäus (Mk 10,46ff), die namenlose „Salberin“ von Betanien (Mk 14,3ff) und der junge Mann, der bei Jesu Gefangennahme noch nachfolgt, als alle anderen längst geflohen sind (Mk 14,51f), und im leeren Grab die Auferstehung verkündet (Mk 16,5ff).

Markus ist für mich ein „verkanntes Genie“ ganz eigener Art. Gewöhnlich bezeichnet dieser Begriff einen Künstler oder Wissenschaftler, dessen Werk man zunächst übersieht und nicht liest, bevor er schließlich doch „entdeckt“ wird. Mit Markus ist es umgekehrt: Tausendfach wurde und wird seine Erzählung seit fast 2000 Jahren täglich gelesen, aber niemand billigt ihm dafür einen individuellen Verdienst zu. Bestenfalls hält man ihn wohl für einen mäßigen Historiker und ergänzungsbedürftigen Glaubenszeugen.

2 Kommentare:

  1. Hallo Kunigunde, ich habe mich ueber Deine Rezension von dem Aeltsten Jesusbuch gefreut. Der Autor/Herausgeber dieses Buches ist mein Onkel, Hans Thüsing. Wir sprachen heute Nachmittag am Telephon und er sagte, er habe versucht, mit Dir Kontakt aufzunehmen, was aber bisher noch nicht geklappt hat. Wenn Du Lust hast, dann melde Dich doch mal bei ihm (seine Kontaktdaten sind auf der Webseite, auf der Du sein Photo gefunden hast) - er wuerde sich, glaube ich, ueber einen Austausch mit Dir freuen.

    Herzliche Gruesse,
    Kim

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  2. Ist der Blog nicht mehr aktiv? Das wäre sehr schade.

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