Montag, 30. Dezember 2013

Die Geheimnisse des Messias im Auge William Wredes


Teil 9 - Der Sinn des Geheimnisses

Was ist nun der Sinn der jesuanischen Geheimniskrämerei im Markusevangelium? Können wir annehmen, dass Jesus sich selbst und sein Wirken so gut wie möglich verhüllt hat oder ist es lediglich die Absicht des Evangelisten Markus, Jesus als einen verborgenen Christus/Messias darzustellen?

Ich gehe weiter und behaupte: ein geschichtliches Motiv kommt wirklich gar nicht in Frage; positiv: die Idee des Messiasgeheimnisses ist eine theologische Vorstellung.

 „Eine verhältnismässig wenig beachtete Stelle liefert den Schlüssel für die Anschauung. ... Es ist der Befehl, den Jesus nach der Verklärung erteilt (Mk 9, 9): 'Und als sie vom Berge herabstiegen, befahl er ihnen, niemand zu erzählen, was sie gesehn, ausser wenn der Sohn des Menschen von den Toten erstanden wäre.'

Bedenbenders "Frohe Botschaft am Abgrund"


Heute ist ein kleiner Festtag für mich.
via eva-leipzig.de

Ich habe mir soeben bei Amazon "Frohe Botschaft am Abgrund: Das Markusevangelium und der Jüdische Krieg" von Andreas Bedenbender bestellt. Das Inhaltsverzeichnis (Achtung pdf-Format) kann hier eingesehen werden. Aus dem Inhalt erschließen sich bereits einige Punkte, die für jeden Markus-Liebhaber mit modernem Verständnis deutlich machen, welch hervorragende Klasse in Bedenbenders Schinken (über 500 Seiten) steckt:

- der Ausruf des römischen Hauptmanns "Wahrlich, dieser Mensch ist Gottes Sohn gewesen!" ist nicht als christliches Bekenntnis zu verstehen (In Wahrheit handelt es sich um eine letzte Schmähung und Verspottung Jesu, mit der unfreiwillig und unbewusst die "Wahrheit" gesagt wird.)
- die "Entgeistung" beim Tode Jesu 
- ein Zusammenhang von Blindenheilung und Petrusbekenntnis (Falls Bedenbender dann noch den "Kleinen", also den fremden Wundertäter in Mk 9, 38ff als Paulus identifizieren sollte, schmeiß' ich ne Runde!)
- Kafarnaum und Bethsaida sind bei Markus nicht reale historische Orte, sondern als Metaphern zu verstehen

Noch habe ich keine Zeile des Buches gelesen, aber es ist wohl bereits absehbar, dass Bedenbender das wichtigste Buch zum Markusevangelium vorgelegt hat, dass seit vielen, seit sehr vielen Jahren in Deutschland geschrieben wurde. Hosianna! Als nächste Serie nach Wrede hatte ich eigentlich bereits eine zu den Orten und Örtlichkeiten im Markusevangelium geplant. Aber die lässt sich sicher ausgezeichnet mit Bedenbenders Darstellung verbinden, bevor ich sein Buch dann hier im Ganzen umfangreich bespreche.

Sonntag, 29. Dezember 2013

Die Geheimnisse des Messias im Auge William Wredes


Teil 8 – Lehre in Gleichnissen

Ein weiterer Aspekt der messianischen Selbstverhüllung Jesu im Markusevangelium ist die parabolische Lehrweise.
Garret Walker via
sabbathsermons.files.wordpress.com

Mk 4, 10ff: „Und als er allein war, fragten ihn, die um ihn waren, samt den Zwölfen, nach den Gleichnissen. Und er sprach zu ihnen: Euch ist das Geheimnis des Reiches Gottes gegeben; denen aber draußen widerfährt es alles in Gleichnissen, damit sie es mit sehenden Augen sehen und doch nicht erkennen, und mit hörenden Ohren hören und doch nicht verstehen, damit sie sich nicht etwa bekehren und ihnen vergeben werde.

Der Zweck der Gleichnisse besteht nach Markus also darin, dass Jesus NICHT verstanden wird und die „draußen“ verstockt werden.

Samstag, 28. Dezember 2013

Die Geheimnisse des Messias im Auge William Wredes


Teil 7 – Die Säulen, der Jüngerkreis und das Haus

Im Fortgang seines Werks untersucht William Wrede verwandte Gesichtspunkte. Er wendet sich zunächst jenen Stellen zu, in denen nur einem ausgewählten Jüngerkreis besondere Erfahrungen mit Jesus zuteil werden. Eine Eingrenzung auf die „Säulen“ – zuweilen zusätzlich mit Andreas – finden wir in folgenden Perikopen:

Staunende "Säulen"
liturgialatina.blogspot.com
- Heilung der Schwiegermutter des Petrus
- Auferweckung der Tochter des Jairus
- Verklärung
- Endzeitrede
- Gebetskampf in Gethsemane

Ebenso fehlt eine Initiative Jesu in dem anderen Falle, wo er den gleichen vier Jüngern eine Belehrung giebt. Zu ihnen nämlich wird nach Markus die grosse eschatologische Rede gesprochen (Mk 13, 3f.). Sie locken sie hervor durch ihre Frage nach dem Wann der von Jesus geweissagten Zerstörung des Tempels und nach dem Zeichen für das Eintreten der Zukunftsereignisse. Hier fällt aber auf, dass der Erzähler betont, die Jünger hätten Jesus allein gefragt. Soll die eschatologische Rede als eine Geheimlehre hingestellt werden?

Die Geheimnisse des Messias im Auge William Wredes


Teil 6 – Offenbarungsverbote

Wrede gibt zunächst eine Übersicht über die Rede- bzw. Offenbarungsverbote, die er in
Noli me tangere
wikigallery.org

- Verbote an die Dämonen
- Verbote nach anderen Wundertaten
- Verbote nach dem Petrusbekenntnis
- Absichten, das Inkognito zu wahren sowie
- in ein nicht von Jesus ausgehendes Verbot (gegenüber dem Blinden von Jericho) unterscheidet.

Er hält alsdann fest, dass sämtliche Verbote durch Markus „scharf“ und „bestimmt“ formuliert sind. Die Verbote sind mit Strenge ausgesprochen. Gegenüber den Adressaten des Verbots schwingt im Verbot von Jesus ausgehende Bedrohung, Zorn und Härte mit.

Montag, 23. Dezember 2013

Die Geheimnisse des Messias im Auge William Wredes


Teil 5 - Messiaserkenntnis der Dämonen

William Wrede untersucht zunächst jene Verse bei Markus, in denen Jesus den Dämonen Schweigen gebietet. Er stellt fest, dass nach dem Markusevangelium nicht die von den unreinen Geistern besessenen Menschen, sondern die Dämonen selbst in Jesus den Gottessohn erkennen:

via answering-christianity.com
 "Nicht die Menschen, sondern die in ihnen wohnenden Dämonen haben die Erkenntnis, es ist die Erkenntnis übernatürlicher Wesen. Und das Objekt ihrer Erkenntnis ist ebenfalls übernatürlich: es ist nicht der menschliche Jesus als solcher, sondern es ist der mit dem Pneuma ausgestattete, der übernatürliche Jesus, der Sohn Gottes ... Der Dämon spricht aus dem Kranken und statt seiner ... Jesus spricht seinerseits auch nicht zum Kranken, sondern herrscht den Dämon selber an. Einer Bekanntschaft des Kranken mit Jesus bedarf es nicht ..."

Sonntag, 22. Dezember 2013

Die Geheimnisse des Messias im Auge William Wredes


Teil 4 – Wredes Einwände

Aus William Wredes Kritik wird deutlich, dass ihm nicht an einem Meinungsstreit gelegen war, sondern am Verständnis des Markusevangeliums. Er brachte mit seiner vorläufigen Kritik keine Gegenargumente vor, sondern Beobachtungen und Überlegungen:

1) Weshalb verbietet Jesus eigentlich überhaupt, von seiner messianischen Würde und seinen Taten zu sprechen? Weshalb schweigt er gegenüber den Jüngern? Warum soll das Geheimnis gegenüber dem Volk auch nach dem Petrusbekenntnis noch gewahrt werden? Ein nahe liegendes Motiv, so Wrede, wäre, dass die Beteiligten von selbst zu dieser Einsicht gelangen sollen. Allerdings deutet Markus, der durchaus auch Erläuterungen gibt, ein solches Motiv nicht an.
via kidsclubs4jesus.com

2) Wenn wir dieses Motiv gleichwohl zu Grunde legen, warum gibt es dann im Markusevangelium keine Erkenntnisentwicklung? Nicht nachvollziehbar ist etwa, wie Petrus plötzlich zu seiner Einsicht und dem Messiasbekenntnis gelangt. Noch unmittelbar vorher zeigten die Jünger ihr Unverständnis anlässlich der Speisungen der 5000 bzw. 4000: „Ob die Erkenntnis nun vorbereitet war oder blitzartig kam - bei einem Erzähler, der etwas von der Bedeutung dieses Wechsels fühlt, wäre eine Andeutung am Platze.

Freitag, 20. Dezember 2013

Die Geheimnisse des Messias im Auge William Wredes


Teil 3 - Theorien vor Wrede

In vereinfachten Grundzügen beantworteten die Bibelexegeten vor William Wrede die Frage nach dem Selbstverständnis Jesus als Messias und seiner öffentlichen Selbstverkündigung in Auslegung des Markusevangeliums mehrheitlich wie folgt:

1. Zunächst erlangt Jesus bei seiner Taufe allein die Offenbarung, Gottes Sohn zu sein. (Mk 1, 10-11 "Und sogleich, als er aus dem Wasser stieg, sah er den Himmel zerrissen und den Geist wie eine Taube auf ihn herabsteigen. Und eine Stimme ertönte aus dem Himmel: Du bist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe!") Jesus hält seine Messiaswürde jedoch mit Absicht geheim.
Dämonen wussten Bescheid
Foto: blog.richmond.edu


2. Die "Dämonischen" (so Wredes Bezeichnung der "unreinen Geister") sind die ersten, die davon Kenntnis haben (Mk 1, 23-24 "Und es war in ihrer Synagoge ein Mensch mit einem unreinen Geist, der schrie und sprach: ... Ich weiß, wer du bist: der Heilige Gottes!") Jesus gebietet den Dämonischen darüber zu schweigen, um das Geheimnis weiterhin zu wahren.

Die Geheimnisse des Messias im Auge William Wredes


Teil 2 - Wredes Frage und Hinführungen

1) Im Zentrum des christlichen Glaubens steht die Gestalt von Jesus Christus.

via sheepalert.wordpress.com
Armand Arnold erinnerte vor etwa einem Jahr treffend daran, dass „‚Christus’ … keineswegs der Familienname eines gewissen Jesus aus Nazareth“ ist, sondern ein Würdentitel jüdischen Glaubens: „Paradoxerweise ist ‚der Christus’, was uns mit den Juden verbindet und zugleich entzweit. Wir nennen ihn ‚Christus’, sie nennen ihn ‚Maschiach/Messias’. Leider reden wir seit zweitausend Jahren aneinander vorbei, wenn wir vom ‚Christus/Maschiach’ reden. Wir behaupten: Jesus von Nazareth war‘s, sie sagen: Er war‘s nicht!“ Fragen, die sich vor diesem Hintergrund stellen, sind beispielsweise: War Jesus der Christus und wenn ja, welche seiner Eigenschaften und Taten berechtigen zu dieser Annahme? Was glaubte Jesus selbst? Hielt er sich für den Messias und verkündete er dies öffentlich? Was sagen die Evangelisten dazu?

2) Bereits an dieser Stelle erhebt William Wrede wissenschaftlichen Einspruch:

Donnerstag, 19. Dezember 2013

Die Geheimnisse des Messias im Auge William Wredes


Teil 1 – Gesten

William Wrede veröffentlichte sein Werk „Das Messiasgeheimnis in den Evangelien. Zugleich ein Beitrag zum Verständnis des Markusevangeliums“ im Jahr 1901 mit einer Geste der Entschuldigung:
Quelle: Wikipedia

Es ist mir in mancher Stunde schmerzlich gewesen, dass meine Untersuchung so manches antastet, woran gute und fromme Menschen mit dem Herzen hängen. Ich gedachte alter Freunde, lieber Zuhörer, bekannter und auch unbekannter Gotteskinder, denen die Schrift vor Augen kommen könnte.

Wrede sah im Markusevangelium eine Schrift, die bei „guten und frommen“ Christen in lebendigem Gebrauch war und an der sie mit „ihrem Herzen hingen“. Wredes denkerische Größe zeigt sich vor allem an dieser einfachen Formel.

Mittwoch, 18. Dezember 2013

Kampf der Evangelien-Literatur: Kanon > < Apokryphen


Teil 8 - Finale Lukas-Evangelium – Johannes-Evangelium

Der Wettbewerb zwischen Kanon und Apokryphen ist vorbei, noch ehe das Finale ausgespielt ist. Dabei habe ich sogar zu Gunsten der Verlierer geschummelt und bei den Ansetzungen die auf den ersten Blick stärksten Apokryphen den scheinbar schwächsten kanonischen Evangelien zugeordnet. Der Ehrlichkeit halber ist sicher auch zu sagen, dass Markus und Matthäus aufs ganze Evangelium gesehen locker die Exegese und Thomas geschlagen hätten. Nur ihre tatsächlichen oder vermeintlichen „schwachen“ Anfänge warfen sie zurück.

Freitag, 15. November 2013

Kampf der Evangelien-Literatur: Kanon > < Apokryphen


Teil 7 - Halbfinale Johannes-Evangelium – Thomas-Evangelium

Im Johannesprolog erscheint Christus in „Herrlichkeit“ "als das wahre Licht", der seinen Gläubigen die "Macht" gibt, "Gottes Kinder zu werden" und scheinbar zum Greifen nahe ist: "... von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade." Ganz ähnlich zeichnet das Thomasevangelium Jesus als "das Licht, das über allen ist" (Spruch 77), seine Jünger "als Söhne (des Lichts)" und "Auserwählte des lebendigen Vaters" (Spruch 50), aber diese Verheißungen werden wohl erst nach einer langen spirituellen Suche erreicht: "Wer die Interpretation dieser Worte findet, wird den Tod nicht schmecken." "Wer sucht, soll nicht aufhören zu suchen, bis er findet ..." (Sprüche 2 und 3)

Im Duell zwischen Johannes und Thomas verwischen auf einmal die Konturen der Gegner und beide werden im strahlenden göttlichen Licht ununterscheidbar. Mitten im Getümmel ist Johannes plötzlich gnostischer (Joh 12, 35f.) als Thomas (Spruch 50), aber ein anderes Mal tauchen sie auf dem Kampfplatz weit voneinander entfernt hinter manichäischen Frontlinien auf. Eine dieser auffallenden Gegensätzlichkeiten ist der deutliche Bezug von Johannes zum Alten Testament, den Thomas verwirft (Spruch 52). Oliver Achilles hat zum Johannesprolog eine der schönsten und zugleich knappsten Auslegungen präsentiert, die mir je unter die Augen gekommen ist. Zum Verständnis reichen notfalls 10 Sekunden nach dem Anklicken !

Donnerstag, 7. November 2013

Kampf der Evangelien-Literatur: Kanon > < Apokryphen


Teil 6 - Halbfinale Lukas-Evangelium – Exegese der Seele

Die Elisabeth bei Lukas und „die gefallene Seele“ der Exegese haben etwas gemeinsam. Mit ihren Gebärmüttern stimmt etwas nicht. Elisabeth kann keine Kinder bekommen und „die gefallene Seele“ nur „ehebrecherische“, die „stumm und blind und krank“ sind. Aber weil Elisabeth fromm vor Gott ist und untadelig in allen Geboten und „die gefallene Seele“ wahrhaftig bereut und in Umkehr und Buße wandelt, wird der liebe Gott, der zudem auch ganz eigene Pläne hat, „Wunder“ und „Heil“ geschehen lassen.

Lukas stellt dieses „Wunder“, die Zeugung Johannes des Täufers, nicht in den Mittelpunkt seines Auftakts. Im Rampenlicht steht bei ihm die Ankündigung dieses Wunders, das Gespräch zwischen dem Angesichtsengel Gabriel und Elisabeths Mann. Jedermann weiß, dass hier ein kniffliges Auslegungsproblem lauert, welches ich mir nicht entgehen lassen will. Warum wird der zweifelnd-nachfragende Zacharias von Gabriel bestraft, aber die späterhin ebenfalls zweifelnd-nachfragende Maria nicht ? Mir scheint, dass eine Antwort darauf mehrere Aspekte zu berücksichtigen hat. Der Wichtigste ist nach meinem Eindruck indes folgender:

Freitag, 18. Oktober 2013

Kampf der Evangelien-Literatur: Kanon > < Apokryphen


Teil 5 - Viertelfinale Johannes-Evangelium - "Das ist mein Wort – Alpha und Omega"

Meines Erachtens haben Ungläubige Vor- und Nachteile beim Lesen biblischer Schriften. Nachteile entstehen vor allem bei hymnischen Texten, die ein „lebendiges“ Verstehen erfordern und den Leser auch auf Gefühlsebene ansprechen. So ergibt das Wort „Gott“ einen anderen Sinn und ein anderes Leseerlebnis, wenn darunter der Schöpfer des Kosmos und des Lebens verstanden wird, als für eine wie mich, der dies nur eine Vokabel ist, „an die andere glauben“. Während das christliche Verständnis des Textes von Gefühlen und Emotionen begleitet werden kann, ist meine Lektüre eher verhalten und sicher auch auf Verstandesebene wesentlich flacher und eindimensionaler. Die Worte, die Johannes für seinen Prolog gefunden hat, werden sich mir daher trotz aller Mühe wohl nie ganz erschließen und immer etwas im Dunklen bleiben. Ich ahne aber ein wenig, welch herrliche Lektüre dieser „leuchtende“ Hymnus für einen Christen sein muss.

Empfunden haben dies auch andere, die den Johannesprolog für ihre Neuoffenbarungen bearbeiteten. Was für die einen sich vielleicht als „dreister Raub des Johannesprologs“ darstellt, mag für jene indes nur die „Bewusstmachung“ des „darin verborgenen geheimen Wissens“ gewesen sein ;-) Ich möchte natürlich nur prüfen, ob sie auf literarischer Ebene über Johannes triumphierten oder kläglich an ihm scheiterten ...

Dienstag, 15. Oktober 2013

Kampf der Evangelien-Literatur: Kanon > < Apokryphen


Teil 4.2 - Viertelfinale Matthäus-Evangelium - Thomas-Evangelium

Thomas, Logion 3:  "Jesus sprach: Wenn die, die euch (auf Abwege) führen, euch sagen: Seht, das Königreich ist im Himmel, so werden euch die Vögel des Himmels vorangehen; wenn sie euch sagen: es ist im Meer, so werden euch die Fische vorangehen. Aber das Königreich ist in eurem Inneren, und es ist außerhalb von euch. Wenn ihr euch erkennen werdet, dann werdet ihr erkannt, und ihr werdet wissen, dass ihr die Söhne des lebendigen Vaters seid. Aber wenn ihr euch nicht erkennt, dann werdet ihr in der Armut sein, und ihr seid die Armut."

In der Armut ? Ach kommen Sie, Evangelist Thomas ! Ich will ja zugeben, dass ich von Matthäus und seinen Auslegern leicht genervt bin, aber das doch bitteschön mit Recht. Es mag einem Professor der Theologie von Berufs wegen schwer fallen, über matthäische Logik klare Worte zu finden, aber dann schweigt man eben klug. Jedoch mit halbseidenen Argumenten in Lobestöne zu verfallen ... Himmel, hilf ! Sie meinen indes, dass ich mich von anderen Auslegungen nicht ablenken lassen solle und noch einige Worte über Matthäus zu sagen hätte ?

Thomas, Logion 4:  "Jesus sprach: Der alte Mensch wird nicht zögern in seinem Alter, ein kleines Kind von sieben Tagen zu befragen über den Ort des Lebens, und er wird leben; denn viele Erste werden die Letzten werden, und sie werden ein einziger werden."

Dann will ich es spaßeshalber mit einem Märchen versuchen, einer fiktiven Szene aus einem Gespräch, das gegen Ende des 1. Jahrhunderts zwischen einem Verleger christlicher Schriften und einem bereits vielbeachteten literarischen Talent geführt wurde, um einen Sitz im Leben zu bestimmen:

Verleger: "Bruder Matthäus, ich habe vom Presbyter, aber auch von anderen aus Deiner Gemeinde bereits viele lobende Worte über Deine Predigten gehört. Du bist ein großer Kenner der jüdischen Schriften. Auch ist mir berichtet worden, dass Du die von den Aposteln überlieferten Aussprüche unseres Herrn sammelst und in erbauenden Reden der Gemeinde zu Gehör bringst."

Sonntag, 13. Oktober 2013

Kampf der Evangelien-Literatur: Kanon > < Apokryphen



Teil 4 - Viertelfinale Matthäus-Evangelium - Thomas-Evangelium

Als Bibelnärrin ist man verpflichtet zu betonen, dass Jesus´ Stammbaum nach Matthäus keine langweilige Aneinanderreihung uninteressanter Namen ist, sondern als ein aufregendes, theologisch feinsinniges Gespinst voller Anspielungen, Bedeutungen und Zahlensymbolik gewoben wurde ;-) Dazu verweise ich der Einfachheit halber mal auf die schöne Auslegung von Prof. Dr. Martin Stowasser unter perikopen.de

Mich selbst beschäftigt an der matthäischen Abstammungslinie vor allem der grundsätzliche Aspekt, dass nämlich der Evangelist das Kind des Heiligen Geistes (Mt 1, 20) und der Jungfrau Maria mit dem Ende einer über seinen Stiefpapa Josef führenden menschlichen Kette verknüpft und damit erklärtermaßen dessen Abrahams- und Davidssohnschaft betont. Über dieses Problem zerbrachen sich bereits die Kirchenväter den Kopf. Kritische Exegeten sahen es als höchst sinnwidrig an, dass sich Matthäus erst die schweißtreibende Mühe der Herleitung einer langen und äußerst raffinierten Abstammungskette gemacht habe, um diese im letzten Moment durch die Jungfrauengeburt wieder durchzutrennen und damit aufzuheben. Matthäus hätte sich damit „ja selbst ins Knie geschossen“.

Freitag, 27. September 2013

Kampf der Evangelien-Literatur: Kanon > < Apokryphen


Teil 3 – Viertelfinale: Lukas-Evangelium > < Nikodemus-Evangelium

Ausweislich der Vorrede handelt es sich bei dem Evangelium nach Nikodemus um einen aus dem Hebräischen übersetzten Augenzeugenbericht. Augenzeuge war danach der aus dem Johannesevangelium bekannte Pharisäer Nikodemus, der bei Prozess und Kreuzigung Jesu anwesend gewesen sei und seine Erinnerungen aufgeschrieben habe. Genau genommen beinhaltet „sein“ Evangelium drei Berichte: 1. Prozess und Kreuzigung Jesu (auch Pilatusakten bzw. Acta Pilati genannt), 2. Gefangennahme Josefs von Arimathäa und dessen Befreiung durch den Auferstandenen sowie 3. Höllenfahrt Christi. Entstehungsgeschichte und -zeit der Schrift sind ungewiss, die Lehrmeinungen reichen vom 2. Jahrhundert bis zum 6. Jahrhundert, ursprünglich bildete sie wohl keine Einheit. Im Hochmittelalter stieß das Nikodemusevangelium unvermutet auf ein reges Interesse und entfaltete eine reiche Nachwirkung. Selbst einige Bibelausgaben nahmen die Schrift mit auf und wiesen nur knapp auf deren Nichtkanonizität hin. Von ihrer Wirkungsgeschichte her betrachtet stehen mit Lukas und Nikodemus daher zwei echte Schwergewichte im Ring. Was ohne diese Evangelien nicht - jedenfalls nicht „so“ - entstanden wäre, ist beachtlich (um nur einiges herauszugreifen: Lukas – Marienverehrung, Weihnachten, Krippenspiele; Nikodemus: bestimmte mittelalterliche Passionsspiele beruhend auf den Acta Pilati, Gralslegende mitberuhend auf dem Bericht über Josef von Arimathäa, Dantes „Göttliche Komödie“ mitberuhend auf der Höllenfahrt).
Nikodemus lässt grüßen: Indi und der Gral

Beginnen wir mit „Lucky Luke“. In der Eingangsszene des Evangeliums bringt Zacharias ein Räucheropfer vor dem „Allerheiligsten“ im Jerusalemer Tempel dar. Er steht vor jenem Vorhang im Inneren des Tempels, der Gott und Mensch im „alten“ Bund noch voneinander trennt, beim Tod des gekreuzigten Jesus nach Lk 23,45mitten entzwei“ reißen und so – sinnbildlich gesehen - den Durchgang freigeben wird. Die lukanische Frohbotschaft beginnt damit unmittelbar vor der „irdischen Wohnstatt“ Gottes in seiner heiligen Stadt Jerusalem. Strikt von ihr ausgehend wird das Evangelium in der Apostelgeschichte des Lukas den Völkern der Welt gesandt, in deren antike „Hauptstadt“ Rom es zu guter Letzt gelangt und dort von Paulus nach Apg 28, 31mit allem Freimut ungehindert“ gepredigt wird. Lukas wird gern als „Historiker“ gepriesen. Wesentlicher erscheint mir jedoch, dass er ein einzigartiger theologischer „Geodät“ bzw. „Kartograph“ war. Ist aus heidnischer Sicht überhaupt ein heiligerer „Ort“ des alten Bundes vorstellbar, um ein Evangelium des Neuen Testaments beginnen und „beglaubigen“ zu lassen sowie die Zuwendung Gottes zu den Heiden plausibel darzustellen? Ich denke nicht. Der Anfangs-“Ort“ des Evangeliums nach Lukas ist ein echter Geniestreich.

Freitag, 20. September 2013

Kampf der Evangelien-Literatur: Kanon > < Apokryphen


Teil 2 – Viertelfinale: Markus-Evangelium > < Exegese der Seele

Die „Exegese der Seele“ (ExAn - Exegesis de Anima, auch „Erzählung über die Seele“) ist eine sogenannte Nag-Hammadi-Schrift. Wahrscheinlich handelt es sich bei ihr um einen Predigttext in erzählerischer Form. Im Mittelpunkt der Erzählung steht nicht der Erlöser Jesus Christus, sondern die Seele als Erlösungs-“Objekt“ und sie geht etwa so: Nach dem Fall aus den Himmeln und den schmerzlichen „irdischen Irrfahrten“ der Seele, die personal als Frau beschrieben ist, nach Umkehr und Hinwendung zu Gott findet sie schließlich in der geistlichen Hochzeit mit dem wahren Bräutigam Jesus Erlösung und Errettung. Aber, so heißt es in der „Erzählung über die Seele“, „der Anfang der Rettung ist die Umkehr. Deswegen 'kam vor der Ankunft Christi Johannes, indem er die Taufe der Buße verkündigte.'

Mit diesem „Anfang der Rettung“ setzt das Evangelium nach Markus ein. Werfen wir, um die Eigenart des markinischen Auftakts zu erfassen, zunächst einen Blick auf die zweite Szene (Mk 1, 9-11), die Taufe. Im Vers 9 hat Jesus seinen ersten „Auftritt“, Vorkenntnisse durch Markus besitzen wir über diese Figur noch nicht. Der Evangelist stellt ihn als „Jesus aus Nazareth in Galiläa“ vor, der „kam und ließ sich taufen von Johannes im Jordan“. Die erste Information, die wir über Jesus im Markusevangelium erhalten, ist also die über einen scheinbar x-beliebigen Johannestäufling, der sich nur durch Name und Herkunftsort ausweist. Ebenso gut, so der Eindruck von Vers 9, hätte es sich auch um irgendeinen Samuel aus Hebron oder eine Mirjam aus Gadara handeln können. Bereits im Vers 10, in dem die Johannestaufe selbst zur bloßen Nebensache wird, öffnet sich der Himmel, der „Geist“ senkt sich auf Jesus herab und eine begleitende himmlische Stimme ertönt in Vers 10: „Du bist mein geliebter Sohn ...“. Markus betont oder erläutert diese Einzelheiten und deren Abfolge jedoch nicht sonderlich, verweilt hier auch nur so kurz wie möglich und treibt Jesus übergangslos durch den Geist für 40 Tage in die Wüste.

Freitag, 7. Juni 2013

Kampf der Evangelien-Literatur: Kanon > < Apokryphen


Schriftsteller und Leser frönen gern des Aberglaubens an den „schönen ersten Satz“. Angeblich sei es „ungemein wichtig, wie man ein Buch anfängt“: „Ein guter erster Satz macht Lust auf den zweiten - und der zweite Lust auf den dritten ... Sie können Spannung erzeugen oder mich irritieren und verstören - nur langweilen dürfen sie mich nicht.

Obwohl Evangelisten bereits im Canon Muratori auch als „Schriftsteller“ bezeichnet wurden, unterwarfen sich die „fab four“ nicht unbedingt der Diktatur des hochmögenden Eingangssatzes. Auf den ersten Blick wird aber deutlich, dass jeder Evangelist ein besonderes Augenmerk auf den Anfang seines Evangeliums in der Absicht richtete, mit dem Beginn seiner Erzählung einen „Eckstein“ zu legen.

Phoebe Anna Traquair via theunwittingtraveller.com


Montag, 3. Juni 2013

Bibellektüre & die Frage nach der historischen „Wahrheit“


Im vergangenen Monat las ich oberflächlich einige Beiträge zu zwei aktuellen wissenschaftlichen Kontroversen, in deren Zentrum jeweils die historisch-kritische Bibelexegese stand.

Hierzulande kritisierte Professor Klaus Berger anlässlich der Veröffentlichung seines Buches „Die Bibelfälscher“ seine Kollegen mit großem Rundumschlag, kanzelte deren wissenschaftliche Arbeitsweise als bösartigen Irrweg ab („… Bibel wird auseinandergenommen und demoliert ...“) und forderte augenscheinlich eine Rückkehr des Wunderglaubens auch an den Universitäten („... weil die heutige Theologie ein lebloses Gedankengerippe ist, das mit Frömmigkeit und Kirche kaum noch etwas zu tun hat ...“).

Daneben fiel mir im englischsprachigen Raum die fortgesetzte Auseinandersetzung der Radikalkritiker und „mythizists“ mit dem liberalen und agnostisch gesinnten Professor Bart Ehrman auf. Diese versuchen gegen Ehrman (seit Jahren & mit nie nachlassender Hartnäckigkeit) zu belegen, dass es einen historischen Jesus nie gegeben habe, auch die sogenannten „echten“ Paulusbriefe vermeintlich nicht vom Apostel stammen usw.

Donnerstag, 30. Mai 2013

Warum sich die Christen für Nero als „Sündenböcke“ eigneten


Teil 6 und Ende - Schlussfolgerung

Die paulinischen Briefe und die Apostelgeschichte belegen, dass die frühen Christen „schändlich“ waren und im Gemeindeleben wie in der Öffentlichkeit „Schandtaten“ begingen, die aufgrund des in vielen Städten entstanden Aufruhrs von Nero und der stadtrömischen Bevölkerung bis zum Jahr 64 zur Kenntnis genommen werden konnten, werden mussten und geeignet waren, eine „Verhasstheit“ der Christen beim römischen Volk zu begründen. Es war daher für Nero plausibel, sie als „Sündenböcke“ für den Brand von Rom im Jahr 64 verantwortlich zu machen. Insoweit schätzte Tacitus die Situation also zutreffend ein.

Überprüfen wir dieses Ergebnis noch einmal ...

Mittwoch, 29. Mai 2013

Älteste vollständige Tora-Rolle in Bologna entdeckt


Beim Durchgehen der Bestände der Universitätsbibliothek Bologna fiel Herrn Professor Mauro Perani auf, dass eine im Jahr 1889 auf das 17. Jahrhundert datierte vollständige Tora-Rolle (36 m lang, 64 cm hoch, auf weichem Schafsleder) mit vermeintlich "italienischem" Schrifttypus tatsächlich orientalischer Schriftart babylonischer Tradition zuzuordnen ist und wesentlich älter sein müsste. Die anschließend durchgeführten Untersuchungen, u.a. mittels Radiokarbonmethode, erlaubten schließlich eine Datierung auf die Zeit zwischen 1155 und 1225.

corriere.it mit weiteren Bildern


Dienstag, 28. Mai 2013

Warum sich die Christen für Nero - Teil 5


Teil 5 – Aufrührer auf dem ganzen Erdkreis


Aber reicht das schon ? Genügen diese zwei Hinweise von Johann Gottlieb Ernst Mess, um eine Eignung der Christen als Neros Sündenböcke auf Grundlage der Schriften des 1. Jahrhunderts plausibel zu machen ? Wohl kaum …

Jedoch beschreibt die Apostelgeschichte selbst einige rechtliche Anklagen gegen die frühen Christen. So heißt es etwa (Apg 16, 20) bezüglich der ersten Christen in Philippi: „... ergriffen sie Paulus und Silas, schleppten sie auf den Markt vor die Oberen und führten sie den Stadtrichtern vor und sprachen: Diese Menschen bringen unsre Stadt in Aufruhr ...“ sowie zu Paulus in Jerusalem (Apg 24, 5): „Wir haben erkannt, dass dieser Mann schädlich ist und dass er Aufruhr erregt unter allen Juden auf dem ganzen Erdkreis.“ Prüfen wir also, ob diese Kritik an den frühen Christen gerechtfertigt war.


Mittwoch, 8. Mai 2013

Warum sich die Christen für Nero - Teil 4

Teil 4 – Sinnliche Schwärmer

Das weitere Argument von Johann Gottlieb Ernst Mess scheint auf den ersten Blick wenig ergiebig zu sein. Dass die ersten Christen ihren Glauben lediglich sinnlich und schwärmerisch, statt vergeistigt gelebt hätten, mag möglicherweise zutreffen. Es trägt aber kaum zur Erklärung bei, weshalb sie wegen ihrer Schandtaten verhasst waren. Versuchen wir es trotzdem ...

Erst kürzlich las ich irgendwo, dass die Mentalität der frühen Christen eher mit den modernen, leicht überspannten „NewAgern“ und Esoterikern vergleichbar wäre als mit der Mehrheit heutiger aufgeklärter mitteleuropäischer Christen. Der 1. Korintherbrief, der uns einen Blick in das damalige Gemeindeleben eröffnet, bestätigt dies auf eindrückliche Weise.

Donnerstag, 11. April 2013

Warum sich die Christen für Nero - Teil 3

Teil 3 – „Sünder und Verbrecher aller Art“

Mein Eindruck ist – wie schon in Teil 2 angesprochen -, dass die gelehrte Mehrheitsinterpretation an einer wissenschaftlichen „Schwäche“ leidet. Um die neronische Verfolgung zu erklären, behauptet sie eine Art „Intoleranz“ der heidnischen Römer gegenüber dem aufkommenden Christentum. Diese ablehnende Haltung leitet sie vor allem aus Quellen her, die aus dem 2. oder gar dem 3. Jahrhundert stammen und sich auf örtliche Gegebenheiten weitab von Rom beziehen. Der in diesem Zusammenhang oft angeführte Christenbrief Plinius´des Jüngeren schildert beispielsweise die Situation in der kleinasiatischen Provinz Bythinien und Pontus um ca. 110. Für die Verfolgung im Rom des Jahres 64 ist er damit nur bedingt aussagekräftig und seine Heranziehung eher als anachronistisch zu bewerten. Aufgrund der nur mangelhaften Quellenlage ist diese „Schwäche“ jedoch nur allzu gut verständlich.

Auch mein kleiner Versuch wird dieser Schwäche nicht entgehen. Trotzdem will ich eine Erklärung auf Grundlage von Texten vorschlagen, die man gewöhnlich dem 1. Jahrhundert zuordnet. Sie sollen sich zudem auf Gegebenheiten und Ereignisse in der Stadt Rom selbst beziehen bzw. zumindest auf solche, von denen man plausibel annehmen darf, dass sie in der Meinungsbildung gewisser stadtrömischer Kreise bis zum Jahr 64 eine Rolle spielen konnten. Ich beschränke mich daher im Wesentlichen auf die sogenannten echten Paulusbriefe und die Apostelgeschichte.

Kehren wir zunächst zu Johann Gottlieb Ernst Mess zurück. Sein Urteil über die frühen Christen stützte er auf zwei Umstände: einerseits handele es sich bei diesen „um viel rohes Gesindel, entlaufene Sclaven, Sünder und Verbrecher aller Art“, andererseits sei ihr Glaube keinesfalls hochstehend geistiger Natur gewesen, sondern „nur sinnlich und schwärmerisch“. Für beide Behauptungen blieb Mess leider jeden Beleg schuldig. Reichen wir diesen zunächst für den ersten Punkt nach.

Dienstag, 12. März 2013

Warum sich die Christen für Nero - Teil 2

Teil 2 – Waren die Christen wirklich unschuldig ? 

Die Ergebnisse meiner kleinen Recherche möchte ich zugleich unter dem Blickwinkel betrachten, in­wieweit sie ihrer Quelle Tacitus „treu“ geblieben sind und zwar hinsichtlich zweier Grundannah­men:

- an der Brandverursachung trugen die Christen keine Schuld

- wegen ihrer Schandtaten waren sie jedoch beim Volk verhasst und deshalb geeignete Sündenböcke

Freitag, 8. März 2013

Warum sich die Christen für Nero als „Sündenböcke“ eigneten

Teil 1

Etwa 20 Jahre ist es her, dass ich mich etwas vertiefter für die frühe Geschichte des Christentums zu interessieren begann. Anlass hierzu war genau diese Frage. Ich überlegte damals, ob die Christen in den Augen Neros wirklich glaubhafte „Sündenböcke“ für den Brand von Rom im Jahr 64 hätten abgeben können oder ob der auf uns gekommene Bericht des Tacitus nicht eher zweifelhaft ist. In den Annalen 15, 44 heißt es: “Um also dieses Gerücht niederzuschlagen, schob Nero die Schuld auf andere und belegte mit den ausgesuchtesten Strafen jene Menschen, die das Volk wegen ihrer Schandtaten hasste und Christen nannte.“ Mich interessierte damals nicht, ob Nero wirklich den Brand legte, ob die Christen dies taten oder wie auch immer er ausgebrochen war, sondern nur die Frage nach der Tauglichkeit der Christen als „Sündenböcke“.