Donnerstag, 19. Dezember 2013

Die Geheimnisse des Messias im Auge William Wredes


Teil 1 – Gesten

William Wrede veröffentlichte sein Werk „Das Messiasgeheimnis in den Evangelien. Zugleich ein Beitrag zum Verständnis des Markusevangeliums“ im Jahr 1901 mit einer Geste der Entschuldigung:
Quelle: Wikipedia

Es ist mir in mancher Stunde schmerzlich gewesen, dass meine Untersuchung so manches antastet, woran gute und fromme Menschen mit dem Herzen hängen. Ich gedachte alter Freunde, lieber Zuhörer, bekannter und auch unbekannter Gotteskinder, denen die Schrift vor Augen kommen könnte.

Wrede sah im Markusevangelium eine Schrift, die bei „guten und frommen“ Christen in lebendigem Gebrauch war und an der sie mit „ihrem Herzen hingen“. Wredes denkerische Größe zeigt sich vor allem an dieser einfachen Formel.

Als ehemaliger Pfarrer verstand er, dass die kritische Untersuchung eines Glaubenstextes nicht nur emotionsfreie Meinungen in Frage stellt, sondern Empfindungen „des Herzens“ verletzen kann. Im Besonderen gilt dies, wenn diese Kritik nicht von einem Andersgläubigen, sondern von einem Theologen vorgetragen wird. Zu Recht wird an diesen Berufsstand die grundsätzliche Erwartung herangetragen, „den Glauben zu stärken“ und nicht etwa dessen einzelne Überzeugungen mittels der „Heiligen Schrift“ auf den Prüfstand zu stellen.

Als Theologe war Wrede indes auch dem Evangelium verpflichtet. So mag er für sich in seinem epochemachendes Verständnis des Markusevangeliums die Rechtfertigung gesehen haben, seine Überlegungen trotz seelsorgerischer Bedenken vorzutragen. Nach Wredes Selbstverständnis besaßen seine Auffassungen keinen destruktiven Charakter, sondern einen schöpferischen und bejahenden. Seine Absicht war, das älteste Evangelium selbst in das volle Licht zu rücken, notfalls auch gegen überlieferte Glaubensüberzeugungen:

"Indessen ich konnte hier nichts ändern. Wir können die Evangelien nicht anders machen; wir müssen sie nehmen, wie sie sind. Mag man darum meine Kritik radikal nennen, so habe ich nichts dagegen. Ich halte mich daran, dass die Dinge selbst manchmal am radikalsten sind, und dass es dann kaum ein Vorwurf ist, sie hinzustellen, wie sie sind."

Grundlage solcher Überlegungen darf allein die Schrift sein. Nur durch die Versenkung in den Text und die Ablehnung jeglichen Vorverständnisses wird der Kritiker seinem Vorhaben gerecht. Er muss und kann nicht anders, als sich ausschließlich auf die Worte des Evangelisten zu berufen und diese in Stellung zu bringen:

Die zitierten Stellen habe ich sehr reichlich - mitunter sogar mehrfach - im Wortlaut angeführt. Damit wollte ich nicht nur der Bequemlichkeit des Lesers dienen, sondern ihn auch nötigen, sich die Texte zu vergegenwärtigen.

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