Freitag, 1. November 2024

Barabbas (bei Pär Lagerkvist und Markus)


Im Jahr 1951 erhielt Pär Lagerkvist den Nobelpreis für Literatur. Bei der Preisverleihung würdigte man vor allem seinen Roman „Barabbas“, eine Erzählung über jene Gestalt in den Evangelien, die auf Veranlassung des Volkes freigelassen wird, während über Jesus das Urteil der Kreuzigung ergeht. Im Markusevangelium dürfte Barabbas hingegen nicht als handelnde Person, sondern lediglich als eine Projektionsfigur charakterisiert worden sein.

1) Die Handlung setzt in Lagerkvists Roman unmittelbar nach der Freilassung des Barabbas ein. Ein ihm unerklärliches Gefühl drängt Barabbas, Jesus auf dem Weg zur Kreuzigung nachzugehen. Er verfolgt das Geschehen bis zu Jesus’ Tod, erlebt dabei die im Markusevangelium geschilderte Finsternis und beobachtet auch die Grablegung. Nachdem Barabbas von der angekündigten Auferstehung erfährt, wacht er die Nacht über am Grab: „Dass der Tote nicht von den Toten auferstehen würde, wusste er natürlich, aber er wollte es mit eigenen Augen sehen …“ Mit dem ersten Sonnenstrahl ist der Stein plötzlich beiseite gewälzt. Barabbas ist zunächst bestürzt, redet sich dann aber ein, dass der Stein wohl schon vor seinem Kommen weg und auch das Grab bereits leer war.

In Lagerkvists Erzählung ist Barabbas nicht nur ein Verbrecher, sondern auch ein Ungläubiger und ein einsamer, finsterer Mann, den das Erlebte aus der Bahn wirft. Er gibt sein früheres Räuberdasein auf, verharrt aber in Lethargie ohne einen neuen Lebenssinn zu finden oder gar eine Familie zu gründen. Nach wie vor drängt es ihn, weitere Umstände über Jesus zu erfahren, und er sucht Kontakt zu dessen Jüngern. Sein weiteres Leben ist von dieser ihm selbst unerklärlichen Suche und seiner finsteren Einsamkeit bestimmt, ohne dass er zum Gläubigen wird. Schließlich gelangt er als Sklave mit seinem zurückkehrenden Herrn nach Rom. Als Nero die Stadt anzündet, erschallt zugleich der Ruf, dass dies die Christen getan hätten. In wirrem Taumel glaubt Barabbas, dass Jesus wiederkehre, sein Reich auf Erden aufrichte und Rom zerstören werde. Dieses eine Mal, so beschließt Barabbas, will er Jesus helfen! Er verbreitet das Feuer weiter, indem er brennende Scheite in unzählige Häuser wirft und so erst den großen Brand entfacht. Er wird gefasst und neben vielen unschuldigen Christen gekreuzigt. „Als er den Tod nahen spürte, den Tod, vor dem er immer so große Angst gehabt hatte, sagte er in das Dunkel hinein, als spreche er zu ihm: Dir befehle ich meine Seele an.“

Samstag, 31. August 2024

Sogenannte Könige, die Worte von Königen sprechen

 

Vergleicht man die Erzählungen von der Enthauptung Johannes des Täufers (Markus 6:14-29) mit der Verurteilung und Hinrichtung von Jesus (Markus 15:1-46), erhält man den Eindruck von mehr oder weniger auffälligen Übereinstimmungen in den Rollen der handelnden Personen und den Umständen des Geschehens: Beides ereignet sich während eines Festes (Geburtstag, Pascha), die Richter (Herodes, Pilatus) scheinen eine Verurteilung zunächst nicht zu wollen, sind aber durch bestimmte Umstände gebunden (Herodes Eid, Osteramnestie) und beschließen die Hinrichtung auf unvermuteten Wunsch von Dritten (Salome, die Volksmenge). Diese werden wiederum von anderen dazu angestiftet (Herodias, Hohepriester), die schon lange ein Mordkomplott gegen das Opfer betreiben. Die Grablegung der Hingerichteten wird jeweils ausdrücklich erwähnt (durch die Jünger des Johannes, durch Joseph von Arimathäa) usw.

König David als Psalmdichter

Angesichts dieser Übereinstimmungen stellt sich die Frage, ob Markus die Passion von Jesus ganz bewusst mit der Erzählung vom Tod Johannes des Täufers parallelisiert hat. Diese Frage erscheint aufgrund der bislang aufgezählten Ähnlichkeiten nicht ganz eindeutig beantwortbar zu sein. Ja, vieles gleicht sich in verblüffender Weise, aber man könnte durchaus auch Zweifel haben und die Ähnlichkeiten für eher zufällig halten.

Es gibt jedoch eine weitere Übereinstimmung in beiden Geschichten, die meines Erachtens auch allerletzte Zweifel zum Schweigen bringt.

Montag, 29. Juli 2024

Jesus’ Prozess vor Pilatus – Dichtung oder Wahrheit


1) Als ich das erste Mal im Markusevangelium las, war ich 17 oder 18 Jahre alt. Damals wollte ich mir einen Überblick über die letzten Tage im Leben von Jesus aus den historischen Quellen verschaffen. Bei meiner Lektüre ging ich davon aus - wie selbstverständlich und ohne darüber nachzudenken -, dass es sich beim Markusevangelium um einen Bericht handelt, in dem historische Erinnerungen an Jesus mit christlichen Glaubenswahrheiten und antikem Aberglauben in einer nicht leicht durchschaubaren Gedankenwelt verschmolzen sind. Gleichwohl hegte ich die Hoffnung, dass ich durch sehr sorgfältiges Lesen einige historische Umstände und Geschehnisse im Bericht des Markus entdecken könnte. 

Jesus vor Pilatus

Jahre später habe ich gelernt, dass dieses Vorverständnis des Textes von fast allen historisch interessierten Gelehrten geteilt wird, wenn auch natürlich nicht derart naiv. Diese Gelehrten hatten über ihre Herangehensweise an den Text Reflexionen angestellt, komplizierte Theorien über dessen Entstehung gebildet und Argumente gewonnen, die ihre Art der Lektüre und Interpretation rechtfertigten. Wie unterschiedlich die Auffassungen dieser Gelehrten im Detail auch waren, sie änderten mehrheitlich nichts an diesem Grundverständnis, nach welchem vor allem die letzten Kapitel des Markusevangeliums als ein auf wirklichen Erinnerungen beruhender Bericht verstanden wurde - wenn auch von späteren theologischen Anschauungen des Evangelisten stark durchtränkt und verformt. Die Gelehrten begriffen sich daher als Archäologen am Bibeltext, die theologische Schichten im Text des Markusevangeliums entfernten, um die darunter verborgenen historischen Geschehnisse um Jesus gleichsam auszugraben und freizulegen.

In diesem Beitrag möchte ich am Beispiel des Verhörs vor Pilatus (vor allem am Vers Markus 15:2) zeigen, warum ich, aber auch viele moderne Gelehrte dieses Verständnis des Markusevangeliums nicht mehr teilen und sich die Meinung über das Verhältnis von Dichtung und Wahrheit im Bericht des Markus in den letzten Jahrzehnten deutlich verschoben hat. 

Mittwoch, 12. Juni 2024

Kein Postkarten-Flair für diese „Räuberhöhle“


1) Wenn Josephus Flavius im 5. Buch seines „Jüdischen Krieges“ den Jerusalemer Tempelkomplex beschreibt, will er zunächst verdeutlichen, wie wehrhaft die Bauten errichtet wurden und wie schwierig sich die Eroberung für die Römer im Krieg gestaltete. Aber schnell wechselt Josephus in den Duktus des plaudernden Historikers, der seine interessierte Leserschaft auf gelehrte Weise mit einer gefälligen Beschreibung des Tempels unterhält. In ausführlicher Darstellung benennt er architektonische Einzelheiten und Gestaltungen der Tempelanlage. Dabei spart er auch nicht mit Urteilen, die man eher in einem antiken Reiseführer erwarten würde: „Der äußere Anblick des Tempels ließ nichts vermissen, was irgendwie Herz und Auge überwältigen konnte. Auf allen Seiten mit schweren Goldplatten belegt, blitzte er, wenn ihn die ersten Strahlen der Sonne trafen, im feurigsten Glanze auf …“ (§ 222). 

 

Angesichts vieler baulicher Details wiederholt Josephus, wie hingerissen die Besucher reagierten und voller Bewunderung staunten. Auch Philo von Alexandria schlägt diesen Ton an: „Die herrliche Ausstattung des Baus ist also weit sichtbar und erweckt das Staunen der Beschauer, namentlich der von Ferne kommenden Fremden, die … von seiner Schönheit und Pracht beeindruckt sind.“ (Über die Einzelgesetze, Buch I, 73).

Man kann sich leicht vorstellen, welcher Touristenmagnet dieser Tempel heutzutage wäre: Motiv vieler Postkarten und Hochglanzbilder. Täglich würden tausende Selfies vor der prächtigen Kulisse in den Social Media gepostet werden. Gläubiger, Pilger und Touristen würden umringt von Händlern mit Devotionalien und anderen Waren in Massen über das Gelände strömen. Uns würde es bestimmt ebenso ergehen!

Markus scheint sich dieser weitverbreiteten Bewunderung für den Jerusalemer Tempel wohlbewusst gewesen zu sein, denn am Anfang des 13. Kapitels lässt er einen Jünger auftreten, der ebenfalls solchem Staunen Ausdruck verleiht: „13:1 Als Jesus den Tempel verließ, sagte einer von seinen Jüngern zu ihm: Meister, sieh, was für Steine und was für Bauten!“ (Einheitsübersetzung).

Die Antwort von Jesus ist berühmt. Neben anderen Bibelversen hat sie in den letzten 50 Jahren Anlass zu vielen Monografien über die Haltung von Jesus zum Jerusalemer Tempel gegeben. Meist geht es dabei um die Frage, ob der „historische Jesus“ nur die tatsächlichen Verhältnisse im Tempel kritisierte oder ob er den Tempel als Institution grundsätzlich ablehnte. Aber dies ist nicht Thema dieses Beitrags. Mich interessiert allein die Sichtweise von Markus.

Donnerstag, 24. Mai 2018

Neues über das vormals sogenannte „Markusfragment aus dem 1. Jahrhundert“

Vor einigen Jahren schrieb ich mal in "Ältester Papyrus des Markusevangeliums aus dem 1. Jahrhundert?" über die vermeintliche Extrahierung eines Papyrusfragments aus dem 1. Jahrhundert aus einer ägyptischen Mumienmaske, das Verse des Markusevangeliums enthalten soll. Nach Informationen, die gestern publiziert wurden, soll sich nunmehr folgendes Bild ergeben:

via Amazon
Das Fragment existiert und wurde unter der Bezeichnung P.Oxy. LXXXIII 5345 in „The Oxyrhynchus Papyri Vol. LXXXIII (Graeco-Roman Memoirs)“, Egypt Exploration Society, 2018, veröffentlicht.

Das Fragment stammt nicht aus dem 1. Jahrhundert, sondern wird nunmehr auf Ende des 2./ Anfang des 3. Jahrhunderts datiert.

Es enthält die Verse Markus 1:7-9 und Markus 1:16-18.

(Ich selbst habe bislang das veröffentlichte Fragment noch nicht gesehen.)

Zum Weiterlesen
Beschreibung und Transkription des Papyrus (Auszug aus dem oben erwähnten Buch)

Montag, 14. Mai 2018

Steht das wirklich in der Bibel?

1) In der Welt der bunten bibleblogs gibt es einige, die sich dem in der Überschrift genannten Thema widmen. Ihr Ansporn ist die Faszination angesichts von Bibelversen, die wir in der Bibel einfach nicht erwarten. Das Buch der Bücher erscheint an diesen Stellen moderner, überraschender und kühner als sein Ruf. Unter diesem Blickwinkel würde ich die schönen Verse Hohelied 5:2-6 nennen, die nicht nur ein erotisches Flair, sondern auch eine sexuelle Mehrdeutigkeit entstehen lassen. 

Marc Chagall "Das Hohelied II"
Das „Lied der Lieder“ - von Luther „Hohelied“ genannt - (hebr: Schîr hasch-schîrîm, gr: asma asmatôn) wird im Judentum und Christentum zumindest seit Rabbi Akiba, Hippolyt von Rom und Origenes allegorisch interpretiert. Nach den Auslegungen dieser Denker sei das Thema des Hoheliedes nicht die Liebe zwischen Frau und Mann, sondern zwischen Gott und seinem Volk bzw. der Seele jedes Einzelnen. Nur vereinzelt hat es antike und mittelalterliche Gelehrte gegeben, die das Hohelied wörtlich verstanden und es deshalb aus der Bibel verbannt wissen wollten. Die spirituelle Interpretation schützte das Hohelied daher vor einer Verdammnis.

Eine neue Sichtweise auf das Hohelied eröffnete Johann Gottfried Herder im 18. Jahrhundert, der ihm das Verständnis als einer wunderschönen Liebesdichtung zurückgab: „Schämest du dich des Hohenlieds, Heuchler, so schäme dich auch des Weibes, die dich empfangen, und des Kindes, das dir dein Weib geboren, am meisten aber deiner selbst, Deiner!“ Goethe hat es als Weltpoesie gefeiert und im „Faust“ einige Anklänge an das Hohelied in den Äußerungen von Gretchen verarbeitet.


2) Wer das Hohelied ein wenig kennt, weiß, dass es das unerfüllte Begehren dramatisiert. Braut und Geliebter besingen ihre Liebe und einander, aber der Moment der absoluten Erfüllung bleibt im Lied aus. Auch die Verse 5:2-6 kreisen um diesen Punkt.

Eine gängige moderne Interpretation der Verse lautet, dass es sich bei der Schilderung um einen Traum der Braut handelt („Ich schlief, aber mein Herz war wach …“). Sie träumt vom Kommen des Geliebten („Horch, mein Freund klopft an...“). Noch als sie erwacht, nimmt sie die Trugbilder des Traums als Wirklichkeit, muss aber feststellen, dass der Geliebte nicht da ist („Aber als ich meinem Freund aufgetan hatte, war er weg und fortgegangen ...“). Im Traum verzehrt sie sich in ihrer Sehnsucht nach dem Geliebten.

Mittwoch, 28. März 2018

Das abwesende Leiden unseres Herrn Jesu Christi

1) Als „Die Passion Christi“ von Mel Gibson aus dem Jahr 2004 ins Kino kam, löste der Film anhaltende Diskussionen aus.

Neben Vorwürfen, etwa der Gewaltverherrlichung, zielte die Kritik auf einige historische und biblische Details, die man zusammengefasst im wikipedia-Artikel nachlesen kann. Von kirchlicher Seite wurde Mel Gibson überwiegend verteidigt. So sei die geäußerte Kritik an wenigen Einzelheiten trivial; im Übrigen seien die Vorwürfe nicht begründet. Gerade aus dem Vatikan erntete der Film hohes Lob für seine realistische Darstellung und seine „Treue zu den Evangelien“. Selbst Papst Johannes Paul II. soll sich wohlwollend geäußert haben. Viele Kinobesucher empfanden dies ähnlich und waren zutiefst beeindruckt. Gänzlich unschuldig war Mel Gibson an dieser Situation freilich nicht, da er seinerseits ältere Jesus-Filme als historisch fehlerhaft kritisiert und stolz behauptet hatte, dass sein Werk nach geschichtlichem und biblischem Maßstab zuverlässig sei: „We’ve done the research. I’m telling the story as the Bible tells it.

Ich erwähne dies nicht, um hier zu einer Donquichotterie anzusetzen und mit 14jähriger Verspätung meinerseits den Film kritisieren zu wollen. Mir kam Gibsons Film dieser Tage nur in den Sinn und er erinnerte mich daran, dass unsere Vorstellung über den Inhalt der Evangelien unbewusst fehlerbehaftet sein kann und zwar nicht nur in kleinen Nebensächlichkeiten, sondern in grundlegenden Dingen. Geprägt von einer nahezu 2000jährigen Interpretation und Überzeugungsbildung ergänzen wir in unseren Gedanken unwillkürlich die Evangelien mit liebgewonnenen Themen, obwohl sie in den biblischen Berichten gar nicht vorkommen.

Schmerzensmann
Mel Gibson wollte mit seinem Film das Leiden von Jesus Christus veranschaulichen und deshalb enthält der Filmtitel auch das Wort Passion. Vor allem jene Zuschauer, die den Film positiv aufnahmen, waren gerade von dieser Verdeutlichung des Leidens tief beeindruckt. Schon die ältesten christlichen Glaubensbekenntnisse enthalten die Formel, dass Jesus gelitten hat. Das späte Mittelalter ist berühmt für seine künstlerischen Darstellungen von Jesus als Schmerzensmann und die christliche Literatur kennt unzählige Meditationen wie etwa die von Anna Katharina Emmerick über „Das bittere Leiden unseres Herrn Jesu Christi“. Millionen von Touristen pilgern jährlich die berühmte via dolorosa in Jerusalem und auch moderne Theologen sprechen vom Leidensbericht in den Evangelien.

In allen Evangelienabschnitten, die das Geschehen von der Verhaftung von Jesus bis zu seinem Kreuzestod erzählen (im Markusevangelium sind es die Verse 14:43-15:37), findet sich indes weder eine ausdrückliche Erwähnung des Leidens von Jesus, noch stellen die Evangelisten dieses Leiden dar. Die Berichte schildern, wie Jesus‘ Gegner ihn verurteilen, anspucken, schlagen, auspeitschen, verspotten und kreuzigen, aber sie erzählen nicht vom Leiden des Gepeinigten. Wir hören vor allem von den Handlungen der Täter, aber die Gefühle des Opfers bleiben unausgesprochen. In dieser wesentlichen Hinsicht steht der Film von Mel Gibson konträr zu den Evangelien, die das Leiden von Jesus gerade nicht thematisieren, geschweige es wie Gibson in den Mittelpunkt der Darstellung rücken.

Freitag, 23. Februar 2018

Judas Iskarioth, einer der Zwölf

1) Stets weckte die Gestalt von Judas Iskarioth nicht nur das Interesse von Theologen, sondern auch von Dichtern und Künstlern. 

Während die kirchliche Auslegungstradition sich in ihrem Nachdenken über Judas nur zaghaft vom Bild des verdammten jüdischen Verräters löst, interpretierten moderne Schriftsteller vor allem im vergangenen Jahrhundert die Gestalt des Judas Iskarioth radikal neu - etwa als jüdischen Freiheitskämpfer, der Jesus durch seine Tat zu einem Aufstand wider die römische Besatzungsmacht herausfordern wollte, oder als einzigen erleuchteten Jünger, der Gottes Heilsplan durchschaute und ihn im stillschweigenden Einverständnis mit Jesus durch seine Tat in Gang setzte.

Während Dante Alighieri sich Judas im untersten Höllenpfuhl und qualvoll von Luzifer gepeinigt vorstellte, sah Walter Jens in Judas den allseits verkannten, hervorragenden Jünger, der uneigennützig die schwere Bürde des göttlichen Helfershelfers auf sich nahm.

Ben Becker nach Walter Jens
Die Methodik der modernen Interpretationsansätze ähnelt sich meist. Dabei wird zunächst das kirchlich tradierte Judas-Bild verworfen, das - so die häufige Kritik - auf den späteren Evangelisten Matthäus, Lukas und Johannes beruhend sei, und dem vorgeworfen wird, dass es die Figur des Judas „verteufele“. Die Darstellung des Judas im Markusevangelium wird demgegenüber als bruchstückhaft empfunden und aufgrund dessen als wenig aussagekräftig bewertet. Diese Abkehr von den Quellen erlaubt nicht wenigen Schriftstellern und Theologen eine Spekulation darüber, „wie es denn wirklich gewesen sei“, und führt sie schließlich zum Entwurf eigener neuer Judas-Bilder.

In diesem Beitrag möchte ich diesen Interpretationen nicht etwa eine weitere hinzufügen, sondern lediglich eine Einzelheit im Charakterbild des Judas erörtern, wie man sie im Markusevangelium finden kann. Sie weist meines Erachtens ein vom Evangelisten sehr deutlich herausgearbeitetes Profil auf.

Freitag, 15. Dezember 2017

Von den großartigen Plänen der Hohenpriester

Die hebräische Bibel beinhaltet einige Geschichten über menschliche Vorhaben, die von Gottes eigenen Plänen durchkreuzt und ad absurdum geführt werden.

In der Regel versuchen diese Erzählungen auf humorvolle Weise den Gedanken zu vermitteln, dass göttliches Walten doch allmächtiger und menschliches Bemühen dagegen vergeblich ist. Die Erzählung von Jakobs ausgeklügeltem, aber aufgrund von Gottes Segen völlig unnötigem Versuch, seinen Bruder Esau mit menschlicher List zu versöhnen (Genesis 32:8ff, 33:8) oder von Bileam und seinem Esel (Numeri 22) mögen schöne Beispiele sein.

Auch das Markusevangelium weiß von solchen Geschichten zu erzählen. Ihr Gegenstand sind die Pläne der Hohenpriester, die entweder fehlschlagen oder vom Gotteswirken überrollt werden.

Samstag, 23. September 2017

Jörg Friedrichs liest Μᾶρκος (Markus)


Mit großer Freude darf ich eine Lesung des griechischen Markusevangeliums in klassischer Aussprache präsentieren. Für den Genuss beim Zuhören ein ganz herzliches Dankeschön an Jörg Friedrichs, der hier die weiteren Kapitel hochladen wird.