Sonntag, 22. Dezember 2013

Die Geheimnisse des Messias im Auge William Wredes


Teil 4 – Wredes Einwände

Aus William Wredes Kritik wird deutlich, dass ihm nicht an einem Meinungsstreit gelegen war, sondern am Verständnis des Markusevangeliums. Er brachte mit seiner vorläufigen Kritik keine Gegenargumente vor, sondern Beobachtungen und Überlegungen:

1) Weshalb verbietet Jesus eigentlich überhaupt, von seiner messianischen Würde und seinen Taten zu sprechen? Weshalb schweigt er gegenüber den Jüngern? Warum soll das Geheimnis gegenüber dem Volk auch nach dem Petrusbekenntnis noch gewahrt werden? Ein nahe liegendes Motiv, so Wrede, wäre, dass die Beteiligten von selbst zu dieser Einsicht gelangen sollen. Allerdings deutet Markus, der durchaus auch Erläuterungen gibt, ein solches Motiv nicht an.
via kidsclubs4jesus.com

2) Wenn wir dieses Motiv gleichwohl zu Grunde legen, warum gibt es dann im Markusevangelium keine Erkenntnisentwicklung? Nicht nachvollziehbar ist etwa, wie Petrus plötzlich zu seiner Einsicht und dem Messiasbekenntnis gelangt. Noch unmittelbar vorher zeigten die Jünger ihr Unverständnis anlässlich der Speisungen der 5000 bzw. 4000: „Ob die Erkenntnis nun vorbereitet war oder blitzartig kam - bei einem Erzähler, der etwas von der Bedeutung dieses Wechsels fühlt, wäre eine Andeutung am Platze.

Freitag, 20. Dezember 2013

Die Geheimnisse des Messias im Auge William Wredes


Teil 3 - Theorien vor Wrede

In vereinfachten Grundzügen beantworteten die Bibelexegeten vor William Wrede die Frage nach dem Selbstverständnis Jesus als Messias und seiner öffentlichen Selbstverkündigung in Auslegung des Markusevangeliums mehrheitlich wie folgt:

1. Zunächst erlangt Jesus bei seiner Taufe allein die Offenbarung, Gottes Sohn zu sein. (Mk 1, 10-11 "Und sogleich, als er aus dem Wasser stieg, sah er den Himmel zerrissen und den Geist wie eine Taube auf ihn herabsteigen. Und eine Stimme ertönte aus dem Himmel: Du bist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe!") Jesus hält seine Messiaswürde jedoch mit Absicht geheim.
Dämonen wussten Bescheid
Foto: blog.richmond.edu


2. Die "Dämonischen" (so Wredes Bezeichnung der "unreinen Geister") sind die ersten, die davon Kenntnis haben (Mk 1, 23-24 "Und es war in ihrer Synagoge ein Mensch mit einem unreinen Geist, der schrie und sprach: ... Ich weiß, wer du bist: der Heilige Gottes!") Jesus gebietet den Dämonischen darüber zu schweigen, um das Geheimnis weiterhin zu wahren.

Die Geheimnisse des Messias im Auge William Wredes


Teil 2 - Wredes Frage und Hinführungen

1) Im Zentrum des christlichen Glaubens steht die Gestalt von Jesus Christus.

via sheepalert.wordpress.com
Armand Arnold erinnerte vor etwa einem Jahr treffend daran, dass „‚Christus’ … keineswegs der Familienname eines gewissen Jesus aus Nazareth“ ist, sondern ein Würdentitel jüdischen Glaubens: „Paradoxerweise ist ‚der Christus’, was uns mit den Juden verbindet und zugleich entzweit. Wir nennen ihn ‚Christus’, sie nennen ihn ‚Maschiach/Messias’. Leider reden wir seit zweitausend Jahren aneinander vorbei, wenn wir vom ‚Christus/Maschiach’ reden. Wir behaupten: Jesus von Nazareth war‘s, sie sagen: Er war‘s nicht!“ Fragen, die sich vor diesem Hintergrund stellen, sind beispielsweise: War Jesus der Christus und wenn ja, welche seiner Eigenschaften und Taten berechtigen zu dieser Annahme? Was glaubte Jesus selbst? Hielt er sich für den Messias und verkündete er dies öffentlich? Was sagen die Evangelisten dazu?

2) Bereits an dieser Stelle erhebt William Wrede wissenschaftlichen Einspruch:

Donnerstag, 19. Dezember 2013

Die Geheimnisse des Messias im Auge William Wredes


Teil 1 – Gesten

William Wrede veröffentlichte sein Werk „Das Messiasgeheimnis in den Evangelien. Zugleich ein Beitrag zum Verständnis des Markusevangeliums“ im Jahr 1901 mit einer Geste der Entschuldigung:
Quelle: Wikipedia

Es ist mir in mancher Stunde schmerzlich gewesen, dass meine Untersuchung so manches antastet, woran gute und fromme Menschen mit dem Herzen hängen. Ich gedachte alter Freunde, lieber Zuhörer, bekannter und auch unbekannter Gotteskinder, denen die Schrift vor Augen kommen könnte.

Wrede sah im Markusevangelium eine Schrift, die bei „guten und frommen“ Christen in lebendigem Gebrauch war und an der sie mit „ihrem Herzen hingen“. Wredes denkerische Größe zeigt sich vor allem an dieser einfachen Formel.

Mittwoch, 18. Dezember 2013

Kampf der Evangelien-Literatur: Kanon > < Apokryphen


Teil 8 - Finale Lukas-Evangelium – Johannes-Evangelium

Der Wettbewerb zwischen Kanon und Apokryphen ist vorbei, noch ehe das Finale ausgespielt ist. Dabei habe ich sogar zu Gunsten der Verlierer geschummelt und bei den Ansetzungen die auf den ersten Blick stärksten Apokryphen den scheinbar schwächsten kanonischen Evangelien zugeordnet. Der Ehrlichkeit halber ist sicher auch zu sagen, dass Markus und Matthäus aufs ganze Evangelium gesehen locker die Exegese und Thomas geschlagen hätten. Nur ihre tatsächlichen oder vermeintlichen „schwachen“ Anfänge warfen sie zurück.

Freitag, 15. November 2013

Kampf der Evangelien-Literatur: Kanon > < Apokryphen


Teil 7 - Halbfinale Johannes-Evangelium – Thomas-Evangelium

Im Johannesprolog erscheint Christus in „Herrlichkeit“ "als das wahre Licht", der seinen Gläubigen die "Macht" gibt, "Gottes Kinder zu werden" und scheinbar zum Greifen nahe ist: "... von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade." Ganz ähnlich zeichnet das Thomasevangelium Jesus als "das Licht, das über allen ist" (Spruch 77), seine Jünger "als Söhne (des Lichts)" und "Auserwählte des lebendigen Vaters" (Spruch 50), aber diese Verheißungen werden wohl erst nach einer langen spirituellen Suche erreicht: "Wer die Interpretation dieser Worte findet, wird den Tod nicht schmecken." "Wer sucht, soll nicht aufhören zu suchen, bis er findet ..." (Sprüche 2 und 3)

Im Duell zwischen Johannes und Thomas verwischen auf einmal die Konturen der Gegner und beide werden im strahlenden göttlichen Licht ununterscheidbar. Mitten im Getümmel ist Johannes plötzlich gnostischer (Joh 12, 35f.) als Thomas (Spruch 50), aber ein anderes Mal tauchen sie auf dem Kampfplatz weit voneinander entfernt hinter manichäischen Frontlinien auf. Eine dieser auffallenden Gegensätzlichkeiten ist der deutliche Bezug von Johannes zum Alten Testament, den Thomas verwirft (Spruch 52). Oliver Achilles hat zum Johannesprolog eine der schönsten und zugleich knappsten Auslegungen präsentiert, die mir je unter die Augen gekommen ist. Zum Verständnis reichen notfalls 10 Sekunden nach dem Anklicken !

Donnerstag, 7. November 2013

Kampf der Evangelien-Literatur: Kanon > < Apokryphen


Teil 6 - Halbfinale Lukas-Evangelium – Exegese der Seele

Die Elisabeth bei Lukas und „die gefallene Seele“ der Exegese haben etwas gemeinsam. Mit ihren Gebärmüttern stimmt etwas nicht. Elisabeth kann keine Kinder bekommen und „die gefallene Seele“ nur „ehebrecherische“, die „stumm und blind und krank“ sind. Aber weil Elisabeth fromm vor Gott ist und untadelig in allen Geboten und „die gefallene Seele“ wahrhaftig bereut und in Umkehr und Buße wandelt, wird der liebe Gott, der zudem auch ganz eigene Pläne hat, „Wunder“ und „Heil“ geschehen lassen.

Lukas stellt dieses „Wunder“, die Zeugung Johannes des Täufers, nicht in den Mittelpunkt seines Auftakts. Im Rampenlicht steht bei ihm die Ankündigung dieses Wunders, das Gespräch zwischen dem Angesichtsengel Gabriel und Elisabeths Mann. Jedermann weiß, dass hier ein kniffliges Auslegungsproblem lauert, welches ich mir nicht entgehen lassen will. Warum wird der zweifelnd-nachfragende Zacharias von Gabriel bestraft, aber die späterhin ebenfalls zweifelnd-nachfragende Maria nicht ? Mir scheint, dass eine Antwort darauf mehrere Aspekte zu berücksichtigen hat. Der Wichtigste ist nach meinem Eindruck indes folgender:

Freitag, 18. Oktober 2013

Kampf der Evangelien-Literatur: Kanon > < Apokryphen


Teil 5 - Viertelfinale Johannes-Evangelium - "Das ist mein Wort – Alpha und Omega"

Meines Erachtens haben Ungläubige Vor- und Nachteile beim Lesen biblischer Schriften. Nachteile entstehen vor allem bei hymnischen Texten, die ein „lebendiges“ Verstehen erfordern und den Leser auch auf Gefühlsebene ansprechen. So ergibt das Wort „Gott“ einen anderen Sinn und ein anderes Leseerlebnis, wenn darunter der Schöpfer des Kosmos und des Lebens verstanden wird, als für eine wie mich, der dies nur eine Vokabel ist, „an die andere glauben“. Während das christliche Verständnis des Textes von Gefühlen und Emotionen begleitet werden kann, ist meine Lektüre eher verhalten und sicher auch auf Verstandesebene wesentlich flacher und eindimensionaler. Die Worte, die Johannes für seinen Prolog gefunden hat, werden sich mir daher trotz aller Mühe wohl nie ganz erschließen und immer etwas im Dunklen bleiben. Ich ahne aber ein wenig, welch herrliche Lektüre dieser „leuchtende“ Hymnus für einen Christen sein muss.

Empfunden haben dies auch andere, die den Johannesprolog für ihre Neuoffenbarungen bearbeiteten. Was für die einen sich vielleicht als „dreister Raub des Johannesprologs“ darstellt, mag für jene indes nur die „Bewusstmachung“ des „darin verborgenen geheimen Wissens“ gewesen sein ;-) Ich möchte natürlich nur prüfen, ob sie auf literarischer Ebene über Johannes triumphierten oder kläglich an ihm scheiterten ...

Dienstag, 15. Oktober 2013

Kampf der Evangelien-Literatur: Kanon > < Apokryphen


Teil 4.2 - Viertelfinale Matthäus-Evangelium - Thomas-Evangelium

Thomas, Logion 3:  "Jesus sprach: Wenn die, die euch (auf Abwege) führen, euch sagen: Seht, das Königreich ist im Himmel, so werden euch die Vögel des Himmels vorangehen; wenn sie euch sagen: es ist im Meer, so werden euch die Fische vorangehen. Aber das Königreich ist in eurem Inneren, und es ist außerhalb von euch. Wenn ihr euch erkennen werdet, dann werdet ihr erkannt, und ihr werdet wissen, dass ihr die Söhne des lebendigen Vaters seid. Aber wenn ihr euch nicht erkennt, dann werdet ihr in der Armut sein, und ihr seid die Armut."

In der Armut ? Ach kommen Sie, Evangelist Thomas ! Ich will ja zugeben, dass ich von Matthäus und seinen Auslegern leicht genervt bin, aber das doch bitteschön mit Recht. Es mag einem Professor der Theologie von Berufs wegen schwer fallen, über matthäische Logik klare Worte zu finden, aber dann schweigt man eben klug. Jedoch mit halbseidenen Argumenten in Lobestöne zu verfallen ... Himmel, hilf ! Sie meinen indes, dass ich mich von anderen Auslegungen nicht ablenken lassen solle und noch einige Worte über Matthäus zu sagen hätte ?

Thomas, Logion 4:  "Jesus sprach: Der alte Mensch wird nicht zögern in seinem Alter, ein kleines Kind von sieben Tagen zu befragen über den Ort des Lebens, und er wird leben; denn viele Erste werden die Letzten werden, und sie werden ein einziger werden."

Dann will ich es spaßeshalber mit einem Märchen versuchen, einer fiktiven Szene aus einem Gespräch, das gegen Ende des 1. Jahrhunderts zwischen einem Verleger christlicher Schriften und einem bereits vielbeachteten literarischen Talent geführt wurde, um einen Sitz im Leben zu bestimmen:

Verleger: "Bruder Matthäus, ich habe vom Presbyter, aber auch von anderen aus Deiner Gemeinde bereits viele lobende Worte über Deine Predigten gehört. Du bist ein großer Kenner der jüdischen Schriften. Auch ist mir berichtet worden, dass Du die von den Aposteln überlieferten Aussprüche unseres Herrn sammelst und in erbauenden Reden der Gemeinde zu Gehör bringst."

Sonntag, 13. Oktober 2013

Kampf der Evangelien-Literatur: Kanon > < Apokryphen



Teil 4 - Viertelfinale Matthäus-Evangelium - Thomas-Evangelium

Als Bibelnärrin ist man verpflichtet zu betonen, dass Jesus´ Stammbaum nach Matthäus keine langweilige Aneinanderreihung uninteressanter Namen ist, sondern als ein aufregendes, theologisch feinsinniges Gespinst voller Anspielungen, Bedeutungen und Zahlensymbolik gewoben wurde ;-) Dazu verweise ich der Einfachheit halber mal auf die schöne Auslegung von Prof. Dr. Martin Stowasser unter perikopen.de

Mich selbst beschäftigt an der matthäischen Abstammungslinie vor allem der grundsätzliche Aspekt, dass nämlich der Evangelist das Kind des Heiligen Geistes (Mt 1, 20) und der Jungfrau Maria mit dem Ende einer über seinen Stiefpapa Josef führenden menschlichen Kette verknüpft und damit erklärtermaßen dessen Abrahams- und Davidssohnschaft betont. Über dieses Problem zerbrachen sich bereits die Kirchenväter den Kopf. Kritische Exegeten sahen es als höchst sinnwidrig an, dass sich Matthäus erst die schweißtreibende Mühe der Herleitung einer langen und äußerst raffinierten Abstammungskette gemacht habe, um diese im letzten Moment durch die Jungfrauengeburt wieder durchzutrennen und damit aufzuheben. Matthäus hätte sich damit „ja selbst ins Knie geschossen“.