Mittwoch, 10. September 2014

Mk 8,37 – Denn was kann der Mensch geben …?

 
Wanderer am Weltenrand
via commons.wikimedia
1) In der vergangenen Woche las ich erstmals eine muslimische Polemik gegen christliche Glaubensinhalte. Zur Untermauerung seiner These („Die Bibel verneint die Göttlichkeit Jesu´“) berief sich der Autor Shabir Ally auch auf Aussagen des Markusevangeliums. Solche Streitschriften sind für Christen, die sich für den „interreligiösen Dialog“ ;-) interessieren, sicher kalter Kaffee. Für mich war es etwas gänzlich Neues. Ich habe deshalb die Argumentation aufmerksam gelesen, wobei mein Augenmerk auf dem Umgang mit Markus lag. Ally stellt den Leser vor die Alternative: War Jesus Gott oder Mensch? Anhand von Bibelstellen argumentiert er alsdann, dass Jesus im Neuen Testament von Gott deutlich unterschieden werde: „Dies zeigt, dass die Menschen wussten, dass Jesus nicht der einzige Mensch gewesen war, der derartige Macht von Gott verliehen bekommen hat ...“.

Wer in meinen Blog schon mal etwas reingelesen hat, weiß ja, dass ich nicht gläubig bin und meine Begeisterung für das Markusevangelium rein literarischer Natur ist. Davon unabhängig hatte ich mir die von Ally aufgeworfene Frage noch nie gestellt. Ich denke, mein Blog würde seinen Namen nicht verdienen, wenn ich nicht auch mal – vielleicht sogar für mögliche christliche Leser – etwas zu einem solchen Thema sage. Mich haben dabei im Wesentlichen zwei Gedanken bewegt.

2) Zunächst habe ich keinen Zweifel, dass im Markusevangelium - vor allem während der Geschehnisse in Galiläa - Jesus mit göttlichem Angesicht erscheint und durch ihn Gott erfahrbar wird. Zum anderen zeigt es – und diesmal vor allem während der Passion in Jerusalem - Jesus mit menschlichem Antlitz, an dessen Beispiel und in dessen Nachfolge der Mensch den Weg zum ewigen Leben beschreiten kann.

Ich vermute, dass Markus mit dieser Darstellung zudem dem Gedanken aus dem Philipperbrief 2,6ff gefolgt ist: „Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt. Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz.“ Mir erscheint es deshalb folgerichtig, dass die Äußerungen und das Verhalten von Jesus im Fortgang des Markusevangeliums zunehmend „menschlicher“ werden.

3) Die Betonung liegt im Markusevangelium jedoch nicht auf dieser „Wahrheit“, sondern auf dem richtigen Umgang mit ihr: Ja, bei Markus ist Jesus der Sohn Gottes. Trotzdem verhalten sich alle Menschen, die uns im Evangelium begegnen, fehlerhaft, wenn sie ihn als Sohn Gottes oder mit einem vergleichbaren Ehrentitel bezeichnen. Als vorbildhaft erscheinen hingegen solche Personen, die ihr Vertrauen in Jesus in stillschweigendem Handeln zum Ausdruck bringen, z.B. die namenlose Salberin von Bethanien in Mk 14,3.

Alle anderen Evangelien und auch der Quran sind Werke, die eine wunderbare Welt schildern und den Menschen dazu anhalten, diese Welt als wahr zu glauben und als wahr zu bekennen.

Hingegen nimmt das Markusevangelium seine Leser auf eine Reise mit, in deren Verlauf sich die anfängliche Wunderbarkeit immer mehr verliert, und die schließlich in Mk 16,8 in der Realität unserer Welt endet. Der Leser findet so zu sich selbst zurück, zu seinem eigenen Menschsein, seiner Begrenztheit und seinem eingeschränkten Wissen. In dieser menschlichen Welt ist sowohl die Behauptung, dass Jesus Gott oder Gottes Sohn ist, als auch die Behauptung, dass Jesus nicht Gott oder Gottes Sohn ist, eine menschliche Überhebung. Die Aussage, dass jemand Gottes Sohn sei, steht allein Gott zu.

Zwischen diesen beiden falschen Alternativen, der Verneinung der Göttlichkeit Jesu und der Überhebung des Menschen, versucht das Markusevangelium den Gläubigen einen „realistischen“ Weg der Hoffnung zu ebnen, auf dem der Mensch mit seinem begrenzten Wesen versöhnt wird, schweigend auf den von Jesus vorgezeichneten Weg vertrauen kann und das Empfinden von Gottesferne und Glaubenszweifel dadurch annehmbar wird, dass die Gemeinschaft der Gläubigen sich gegenseitig dienstbar ist. Der markinische Weg ist kein Traumpfad, auf dem der Mensch sich in tröstenden Illusionen verlieren kann, und auch kein Weg von Glaubensbekenntnissen, auf dem der Mensch sich über sein Erkenntnisvermögen erhebt, sondern einfach der Gang unseres Lebens im stillschweigenden Vertrauen auf ein durch Jesus vermitteltes ewiges Leben.

Ich mag mich irren, aber ich glaube, dass dies die Idee von Markus war.

1 Kommentar:

  1. Das Johannesevangelium beschreibt diese Menschwerdung im Prolog sehr nachvollziehbar:
    Das Wort war bei Gott, in Einheit mit Gott.
    Und dann ist das Wort Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.
    Und nicht nur gewohnt, sondern gelebt und gelitten, wie ein Mensch eben.-

    (Ich mag es sehr, hier mitzu"denken"!)

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