Donnerstag, 4. September 2014

Das Abjatar-Problem III


Schluss – Brot des Lebens

Meines Erachtens wirft der Text von Mk 2,23-2,28 u.a. folgende, sehr schwierige Fragen auf:

1) Gibt das Markusevangelium zu verstehen, dass das Ausrupfen der Ähren durch die Jünger zum Essen der Getreidekörner erfolgt wie bei Matthäus und Lukas?

Van Gogh´s Krähen im Kornfeld
via fr.wikipedia
2) Warum kritisieren die Pharisäer Jesus, wenn das nicht der Fall ist?

3) Wieso enthält die gesamte Szene Mk 2,23-2,28 so viel „Schöpfungsvokabular“? Ist Mk 2,27 „humanistisch“ zu interpretieren?

4) Soll man Mk 2,28 mit „So ist der Menschensohn auch Herr des Sabbats“ oder stattdessen eher „Herr ist der Sohn des Menschen und des Sabbats“ übersetzen?

5) Welche Bedeutung hat die Davidserzählung im Kontext von Mk 2,23-28?
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1) Traditioneller Weise wird die Szene vom Ährenraufen am Sabbat so verstanden, dass die Jünger hungrig sind, einige Ähren pflücken und die Getreidekörner essen. Die Pharisäer beurteilen dies als am Sabbat verbotene Erntearbeit und rügen das Vergehen der Jünger gegenüber Jesus. Dies entspricht zweifellos dem Wortlaut und dem Sinn der Perikopen bei Matthäus und Lukas. Zunächst ein Blick auf den griechischen Text und die wortwörtliche Übersetzung von Mk 2,23:

Καὶ
ἐγένετο
αὐτὸν
ἐν
τοῖς
σάββασιν
παραπορεύεσθαι
διὰ
τῶν
σπορίμων
kai
egeneto
auton
en
tois
sabbasin
paraporeuesthai
dia
tOn
sporimOn
Und
es geschah
er
an
den
Sabbaten
hindurchging
durch
die
Saaten

καὶ
οἱ
μαθηταὶ
αὐτοῦ
ἤρξαντο
ὁδὸν
ποιεῖν
τίλλοντες
τοὺς
στάχυας
kai
hoi
mathEtai
autou
Erxanto
hodon
poiein
tillontes
tous
stachuas
und
die
Jünger
seine
begannen
Weg
zu machen
ausrupfend
die
Ähren

Das Handeln der Jünger wird also von Markus wie folgt bezeichnet: „und die Jünger seine begannen Weg zu machen ausrupfend die Ähren“. Dazu im Vergleich Matthäus und Lukas:

Mt 12,1
Lk 6,1
aber die Jünger seine hungerten und begannen auszuraufen Ähren und zu essen
und ausrauften die Jünger seine und aßen die Ähren zerreibend mit den Händen
οἱ δὲ μαθηταὶ αὐτοῦ ἐπείνασαν καὶ ἤρξαντο τίλλειν στάχυας καὶ ἐσθίειν
καὶ ἔτιλλον οἱ μαθηταὶ αὐτοῦ καὶ ἤσθιον τοὺς στάχυας ψώχοντες ταῖς χερσίν

Markus sagt also im Gegensatz zu Matthäus und Lukas nicht, dass die Jünger hungrig sind, Ähren ausraufen und Getreidekörner essen, sondern – scheinbar kurios - dass sie „Weg machen“ („ὁδὸν ποιεῖν“), indem sie Ähren ausrupfen.

Das von mir schon oft gelobte Projekt „Offene Bibel“ hat sich in seiner Markusübersetzung in Mk 2,23 leider gegen die wortwörtliche Übersetzung sowie für den traditionellen Sinn der Szene entschieden und seine Entscheidung kommentiert. Es lohnt einen Blick darauf zu werfen, welche Operationen der Übersetzer durchführen muss, um die Szene im Markusevangelium in den althergebrachten Sinn zu „übersetzen“. (Ich beabsichtige hiermit keinerlei Kritik, sondern lediglich eine Verdeutlichung der Sache.)

Der Übersetzer erkennt zunächst den tatsächlichen Wortlaut von Mk 2,23: „fingen seine Jünger an, [sich] einen Weg zu bahnen, wobei (indem) sie Ähren ausrupften“. Er kommentiert alsdann bereits mit Vorbehalten gegen den wortwörtlichen Sinn: „Was genau die Jünger taten, wird erst auf den zweiten Blick klar. Man erhält zunächst den Eindruck, dass die Jünger sich einen Weg durch das Feld bahnten, nicht indem sie die Halme flachtraten, sondern indem sie sie einzeln ausrupften!“ Natürlich ist das nicht ein „Eindruck“, sondern der schlichte Wortlaut von Mk 2,23, (wobei nicht die Halme, sondern nur die Ähren ausgerupft werden). Der Übersetzer bezeichnet den tatsächlichen Wortlaut alsdann als Missverständnis „Zu diesem Missverständnis tragen gleich zwei ungewöhnliche Phänomene bei. Erstens ist i.d.R. das adv. Ptz. Aor. eigentlich Umstandsangabe und das finite Verb Haupthandlung“ und fährt dann ohne stichhaltige Begründung fort „Wer den Satz so liest, versteht ihn jedoch falsch.

Leider wird dann mit der unbelegten Behauptung argumentiert, dass Markus etwas verwechselt haben müsse: „Besser ist es anzunehmen, dass die Partizipiale und die finite Form in diesem Fall vertauscht wurden (so BDR §339 Fn 5; NSS). Richtig müsste es etwa heißen: 'während sie [sich] einen Weg bahnten, begannen sie, Ähren auszurupfen.'“ Markus´ angeblicher Irrtum muss nun vom Übersetzer – in vermeintlich wohlmeinender Absicht – korrigiert werden. Diese Verwechselung sei zudem gleich doppelt geschehen: „Das zweite Phänomen betrifft das Verständnis dieser Umstandsangabe. ὁδὸν ποιεῖν heißt hier nicht 'einen Weg bahnen', sondern ist zu verstehen wie klass. ὁδὸν ποιεῖσθαι 'reisen, wandern' (statt medial wird aktiv formuliert, BDR §310 Fn 3; NSS; Guelich 1989, 119), wie in Ri 17,8 LXX. Die Formulierung wird aus stilistischen Gründen meist adverbial übersetzt (unterwegs).

Ein Hoch auf den Gießener Pfarrer Helmut Schütz! In seiner Predigt vom 21.10.2007 gab Schütz folgendes zu bedenken: „Aber was will der Evangelist Markus uns mit all den Einzelheiten sagen über das Ausraufen der Ähren und über den König David? Eins erzählt Markus übrigens nicht, was die Evangelisten Matthäus und Lukas ergänzen: Matthäus sagt, dass die Jünger Hunger hatten, Lukas erwähnt, dass sie die Körner zwischen den Fingern zerrieben, um sie zu essen. Davon ist bei Markus nicht die Rede. Er formuliert wörtlich: 'die Jünger fingen an, einen Weg zu machen, indem sie Ähren ausrissen'. Einen Weg machen, das gleiche Wort kommt in der griechischen Übersetzung des Alten Testaments nur zwei Mal vor. Einmal im Psalm 68, den wir am Anfang gebetet haben, da hieß es: 'Macht Bahn dem, der durch die Wüste einherfährt.' Also, macht einen Weg für den Gott, der den Einsamen ein Zuhause gibt, der die Gefangenen befreit, der aus der Wüste einen bewässerten Garten macht. Und dann kommt das Wort noch einmal vor im Prophetenbuch Jesaja, Kapitel 62, da verspricht Gott den nach Babylon verbannten Juden, dass sie wieder im eigenen Land die Ernte werden einbringen können: 'Der HERR hat geschworen bei seiner Rechten und bei seinem starken Arm: Ich will dein Getreide nicht mehr deinen Feinden zu essen geben noch deinen Wein, mit dem du so viel Arbeit hattest, die Fremden trinken lassen, sondern die es einsammeln, sollen's auch essen und den HERRN rühmen, und die ihn einbringen, sollen ihn trinken in den Vorhöfen meines Heiligtums. Gehet ein, gehet ein durch die Tore! Bereitet dem Volk den Weg! Machet Bahn, machet Bahn, räumt die Steine hinweg! Richtet ein Zeichen auf für die Völker!' Hier soll ein Weg gemacht werden für das Volk, damit es zurückkehren kann ins Land der Freiheit.

Allerdings erheben sich hier auch leise Bedenken: Wer kann glauben, dass Markus die „unverständigen Jünger“ den „Weg Gottes“ oder den „Weg der Völker“ bahnen lässt. Aber das sagt Markus auch nicht.

Der Text sagt nur, dass die Jünger „begannen Weg zu machen, ausrupfend die Ähren“ (- nur die Ähren, nicht etwa die Getreidehalme!). Die Unvollkommenheit des Tuns der Jünger wird sowohl durch das Verb „begannen“ als auch die scheinbare Sinnlosigkeit ihres Vorgehens ausgedrückt, denn offensichtlich entsteht beim bloßen Abreißen von Ähren noch kein Weg. Ich habe zudem den leisen Verdacht, dass sich der Sinn der ganzen Szene erst rückblickend aus dem Gleichnis vom Sämann (Mk 4,1ff ) erschließt: Der Sämann Jesus begutachtet am Sabbat seine ausgebrachten Saaten. Noch bevor die Ähren volle Frucht (Mk 4,28f) bringen und geerntet werden können, rupfen die unverständigen Jünger sie beim Machen des eigenen Weges ab, auf dem das gesäte Wort sogleich von den Vögeln aufgepickt wird (Mk 4,4).


2) Auf welches Sabbatverbot beziehen sich dann aber die Phärisäer in Mk 2,24? (Wo kommen die Pharisäer eigentlich so plötzlich her?) Ein Blick auf die entscheidenden Wörter im Text:

Mk 2,23
Mk 2,24
Mk 2,25
„und die Jünger seine begannen Weg zu machen („ὁδὸν ποιεῖν“) ausrupfend die Ähren“
„Und die Pharisäer sagten ihm: Sieh, was diese machen („ποιοῦσιν“) am Sabbat, das nicht erlaubt ist (nicht möglich ist) („ἔξεστιν“).
„Und er sagte ihnen: Habt ihr niemals gelesen, was David machte („ἐποίησεν“), als ...“

Man erkennt, dass sich der Streit zwischen den Pharisäern und Jesus um das Wort „ποιέω“ (poieó) bzw. die Beugungen dieses Wortes dreht, das ich hier zunächst mit „machen“ übersetzt habe. Der griechische Wortstamm „ποιέω“ (poieó) ist uns auch im Deutschen durch das Fremdwort „Poesie“ geläufig. Die Wikipedia führt dazu treffend aus: „Das Wort Poesie (von gr. ποίησις poiesis, „Erschaffung“) ...“ Was ist an diesem Wort problematisch? Problematisch ist, dass das Verb „ποιέω“ (poieó) der Sammel- und Oberbegriff für alle Tätigkeiten ist, die am Sabbat verboten sind, weil das Verb das Handeln Gottes an den 6 Schöpfungstagen beschreibt: „ποιέω“ (poieó) meint „machen“ im Sinne von erschaffen oder kreieren. Am Sabbat ruhte Gott vom „machen“. Am Sabbat ist „ποιέω“ (poieó) also verboten – machen, erschaffen, kreieren, produzieren, herstellen etc.

3 Beispiele aus der Septuaginta (, die sich beliebig fortsetzen lassen):
LXX-1. Mose 1,1: „Im Anfang schuf („ἐποίησεν“) der Gott den Himmel und die Erde.
LXX-1. Mose 1,27: „Und Gott schuf („ἐποίησεν“) den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf („ἐποίησεν“) er ihn; und schuf („ἐποίησεν“) sie als Mann und Frau.
LXX-2. Mose 23,14f: „Darum haltet meinen Sabbat, denn er soll euch heilig sein. Wer ihn entheiligt, der soll des Todes sterben. Denn wer eine Arbeit am Sabbat tut („ποιήσει“), der soll ausgerottet werden aus seinem Volk. Sechs Tage soll man arbeiten („ποιήσεις“), aber am siebenten Tag ist Sabbat, völlige Ruhe, heilig dem Herrn. Wer eine Arbeit tut („ποιήσει“) am Sabbattag, soll des Todes sterben.

Die Pharisäer streiten mit Jesus also zum einen um „Worte“. Zum anderen scheint Markus gerade ein Beispiel gewählt zu haben, dass möglicherweise auch in rabbinischen Kreisen nicht unstreitig war. Ein Ausrupfen der Ähren zum Zwecke des Essens oder Getreidelagerns war sicherlich verbotene Erntearbeit. Auch das Anlegen bzw. der Bau eines richtigen Weges würde unter das Sabbatverbot fallen. Aber auch ein bloßes Abrupfen der Ähren, durch das zudem gar kein „richtiger“ Weg angelegt werden kann? Bejaht hat das zum Beispiel Philo von Alexandria, der den Sabbat als „Ruhe“-Recht für alle Geschöpfe verstand, so dass auch den Pflanzen „Ruhe“ zu gewähren sei (Leider ist nur eine sehr alte Philo-Übersetzung online verlinkbar, Philo von Alexandria, Über das Leben Mose, Buch 2, 22): "Denn wer ist wohl, der den siebenten Tag nicht für heilig halte, und sowohl sich und den Personen, die um ihn sind ..., Ruhe und Rast von der Arbeit verstatten sollte? denn dieser Stillstand gleichsam von aller Mühe erstrecket sich auch auf alle Arten von Thieren ..., ja auch auf jede Art von Bäumen und Pflanzen; denn an diesem Tag darf man keinen Ast oder Zweig, nicht einmal ein Blatt oder Frucht abbrechen, weil alles zu der Zeit gleichsam losgelassen und in seine Freyheit gesetzt ist, und sich, gleich als wenn es durch einen allgemeinen Befehl wäre angedeutet worden, niemand etwas anzurühren, unterstehet."

Jedenfalls, wenn man sich wie die Pharisäer „an Worten aufhängt“, dann liegt ein Verstoß vor, weil Markus für die Tätigkeit der Jünger eben das Wort „ποιέω“ (poieó) verwendete und „ποιέω“ (poieó) am Sabbat verboten ist. In Mk 3,4 wird Jesus erneut auf dieses Wort zurückkommen: „Ist es erlaubt am Sabbat, Gutes zu machen (ἀγαθὸν ποιῆσαι) oder Böses zu machen (κακοποιῆσαι), Leben zu bewahren oder zu töten?


3) Die Sprache der Genesis durchzieht die gesamte Szene Mk 2,23-2,28. Sie hat ihren Höhepunkt in Mk 2,27: „Und er sagte ihnen: der Sabbat für den Menschen entstand („ἐγένετο“ - egeneto) und nicht der Mensch für den Sabbat.

Während „ποιέω“ (poieó) im Schöpfungsbericht das persönliche Erschaffen Gottes meint, steht für das unpersönliche Entstehen der griechische Begriff „ἐγένετο“ (egeneto), in welchem leicht die Herkunft von Fremdwörtern wie „Gen“, „Genese“ oder „generieren“ erkannt werden kann. Markus hat das Wort bereits in Mk 2,23 verwendet. In LXX-1. Mose 1,3 heißt es beispielsweise: „Und Gott sprach: Es werde („γενηθήτω“ - genēthētō) Licht! Und es ward („ἐγένετο“ - egeneto) Licht.

Soweit ich weiß, interpretiert die Mehrheit der Gelehrten den Satz mehr oder weniger „humanistisch“ im Sinne einer Wertstellung des Menschen über den Sabbat. Und sicherlich sprechen dafür gute Gründe. Man sollte dabei jedoch nicht übersehen, dass Markus ansonsten nie „humanistisch“ argumentiert, beispielsweise begründet er das Scheidungsverbot in Mk 10,5 nicht mit den erheblichen ökonomischen und sozialen Nachteilen, die eine geschiedene Frau in der Antike zu befürchten hatte. Die Ethik von Markus leitete sich meines Erachtens aus der Schöpfung Gottes her, was eher ausschließt, dass der Sabbat in der freien Verfügungsgewalt des Menschen steht. Was Markus vorbringt, ist meiner Meinung nach deshalb keine „Abschaffung“ des Sabbats, sondern ein Neuverständnis: der Sabbat ist Gottes Geschenk für den Menschen und soll als solcher ein Segen sein.


4) Der im Griechischen schwierigste Satz der Szene ist Mk 2,28, der gewöhnlich mit „So ist der Menschensohn ein Herr auch über den Sabbat“ übersetzt wird. Wörtlich heißt es in Mk 2,28:

ὥστε
κύριός
ἐστιν

υἱὸς
τοῦ
ἀνθρώπου
καὶ
τοῦ
σαββάτου
So
Herr
ist
der
Sohn
des
Menschen
und
des
Sabbats

Bereits optisch sieht man, wie weit entfernt die Wörter „Herr“ und „des Sabbats“ in der Wortstellung des Satzes platziert sind, und wie schwierig es ist, sie in einen Sinnzusammenhang zu bringen.

Um die Mehrdeutigkeit des Satzes zu verstehen, will ich ein vergleichbares, aber uns geläufigeres Beispiel wählen, dass das Verständnis vielleicht erleichtern kann, und daran erinnern, dass das biblische Griechisch keine Satzzeichen kannte:

Licht ist der Sohn des Gottes und der Weihnacht

Die Wendung könnte so verstanden werden, dass „Sohn des Gottes und der Weihnacht“ ein gleichnishafter Ausdruck für Jesus ist und Jesus zudem als „Licht“ gerühmt wird. Man könnte die Wendung aber notfalls auch so verstehen, dass „der Sohn des Gottes“ ein „Licht“ im Allgemeinen und im Besonderen ein „Licht der Weihnacht“ ist, vor allem wenn ich die Satzzeichen wie folgt setze:

Licht ist der Sohn des Gottes. Und der Weihnacht!

Zudem bedeutet das griechische „καὶ“ nicht nur „und“, sondern kann zum Beispiel für „auch“ stehen. Diese Möglichkeiten des Verständnisses kommen für Mk 2,28 aber eigentlich nur in Frage, wenn man die von der Wortstellung her naheliegende Wendung „Sohn des Menschen und des Sabbats“ ausschließen kann. Dabei sind meiner Meinung nach vier widerstreitende Dinge zu berücksichtigen:

4.1) Zum einen habe ich weder in der Septuaginta noch im Neuen Testament eine Wendung gefunden, bei der in der Wortstellung

Subjekt + Substantiv Genitiv + „καὶ“ + Substantiv Genitiv
(Sohn + des Menschen + „καὶ“ + des Sabbats)

καὶ“ nicht „und“ bedeutet und sich der zweite Genitiv nicht auf das Subjekt bezieht.

4.2) Andererseits wäre die Verbindung des von Markus häufig verwendeten Titels und festgeprägten Begriffs „Sohn des Menschen“ mit dem anderen, scheinbar ganz unüblichen Wort „Sohn des Sabbats“ äußerst verwunderlich.

4.3) Allerdings scheint es mir nicht ganz ausgeschlossen, dass der Prozess der Auferstehung in der Vorstellung von Markus – entgegen dem überlieferten Glaubensinhalt - während des Sabbats geschah. In diesem übertragenen Sinn könnte Jesus ein „Sohn des Sabbats“ sein.

Man sieht in Mk 15,42 wie Markus den Vortag des Sabbats als Zeitpunkt der Grablegung „markiert“ („Und als es schon Abend wurde und weil Rüsttag war, das ist der Tag vor dem Sabbat, kam Josef von Arimathäa ...“) und in Mk 16,1 auch den Folgetag des Sabbats als Tag der Auffindung des leeren Grabes besonders betont („Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria von Magdala und Maria ...“).

Mit der „Wiederherstellung“ der verwitterten Hand in Mk 3,1ff an einem Sabbat, die ja eher eine „kleine Wiederauferstehung“ statt eine Heilung ist, deutet Markus zudem sein Interesse an Schöpfung neuen Lebens am Sabbat an. Dies wird in Mk 3,4 auch explizit gemacht: „Ist es erlaubt am Sabbat, ... Leben zu bewahren ...?

4.4) Dagegen ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass der Kontext die mögliche Wendung „Herr auch des Sabbats“ hervorragend unterstützt. Die Pharisäer stellen Jesus Autorität in Mk 2,24 in Frage. Bereits in Mk 2,10 hatte er darauf wie folgt reagiert: „Damit ihr aber wisst, dass der Menschensohn Vollmacht hat, Sünden zu vergeben auf Erden - sprach er zu dem Gelähmten: Ich sage dir, steh auf, nimm dein Bett und geh heim!

5.) Der ehrwürdige Lohmeyer hat vor mehr als 60 Jahren detailreich gezeigt, dass die von Jesus vorgebrachte Argumentationskette in ihrem traditionellen Verständnis keinen wirklichen Sinn ergibt. Ich verlinke seine Ausführungen einfach, da sie mir nicht überholt scheinen.

Entgegen dem traditionellen Verständnis kann man auf der literarischen Ebene sicher zeigen, dass Mk 2,23-28 verschiedene Themen verknüpft, die Markus im Fortgang des Evangeliums weiter ausarbeiten wird und die vom Gleichnis vom Sämann über die Speisung der 5000 und 4000 sowie das Abendmahl zur Auferstehung führen, Themen, die im Johannesevangelium im Wort vom „Brot des Lebens“ zusammenlaufen.

1 Kommentar:

  1. Interessante, gut ausgearbeitete Abhandlung.
    Bleibt das Problem, wenn Markus die Begebenheit richtig wiedergibt (Weg bahnen) dann liegen Matthäus und Lukas falsch (Hunger) bzw. dann haben wir dort einen Widerspruch.

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