Teil 6 – Abschluss
1. Der Leser wird feststellen, dass er
keine nähere Vorstellung von Jerusalem gewinnen kann.
Die Beschreibung von Markus enthält Plätze und Gebäude in und am Rand von Jerusalem (Tempel, Ölberg, Gethsemane, Paläste des Hohepriesters und von Herodes, Golgatha, das Grab, Betanien, das Haus des aussätzigen Simon und das Haus des Paschamahls). Ihre genaue Lage und ihre Entfernungen zueinander bleiben jedoch offen.
via gabrielansley.blogspot.de |
2. Markus führt einige Bezeichnungen
ein, die auf die vorherigen Abschnitte und geografischen
Beschreibungen Bezug nehmen:
- Markus 14,69 - Galiläer
(Γαλιλαῖος)
- Markus 15,2 (,9,12,18,26) - Judäer (Ἰουδαῖος)
Der Leser wird diese Bezeichnungen möglicherweise auf die Gebietsnamen beziehen, so dass ein Galiläer als Einwohner Galiläas, ein Judäer als Einwohner Judäas und ein “Ἱεροσολυμίτης“ als Einwohner Jerusalems zu verstehen ist. Die Anklage, Jesus sei König der Judäer, wirft für den Leser daher erhebliche Fragen auf und ist ihm nicht nachvollziehbar.
- Markus 15,2 (,9,12,18,26) - Judäer (Ἰουδαῖος)
Der Leser wird diese Bezeichnungen möglicherweise auf die Gebietsnamen beziehen, so dass ein Galiläer als Einwohner Galiläas, ein Judäer als Einwohner Judäas und ein “Ἱεροσολυμίτης“ als Einwohner Jerusalems zu verstehen ist. Die Anklage, Jesus sei König der Judäer, wirft für den Leser daher erhebliche Fragen auf und ist ihm nicht nachvollziehbar.
3. Die letzte Frage, die sich dem Leser
stellt, ist, was unter „Israel“ im geographischen Sinn zu
verstehen ist (Mk 12,29; 15,32)?
Was folgt nun aus alledem? Deutlich ist lediglich eine Einzelheit. Markus verwendet das „Meer von Galiläa“ als literarisches Motiv ohne jeglichen realgeografischen Bezug. Dieses Ergebnis wird durch zwei weitere Beobachtungen bestätigt:
Zum einen ist davon auszugehen, dass Markus die von ihm verwendete Bezeichnung „Meer von Galiläa“ erfunden hat.
Meer von Kinnereth (4. Mo 34,11; Jos
13,27)
Meer von Kineroth (Jos 12,3)
Meer von Chenereth (Septuaginta LXX Jos
12,3; 13,27)
Meer von Chenera (4. Mo 34,11)
Wasser von Gennesar (1 Mak 11,67)
See Gennesaritis (Strabo, Hist 16.2.16)
See Gennesar (so üblicherweise
Josephus, Jüd. Krieg 2.573; 3.463, 506; 3.315–316; Altertümer
5:84; 18:28, 36; Leben 1:349)
See Genesara oder See Tarichea
(Plinius der Ältere, Nat. 5.15.71)
Dass der markinische Begriff „Meer
von Galiläa“ unbekannt war, erkennt man auch leicht daran, dass
Lukas stattdessen den üblichen Begriff „See Genezareth“
verwendet und Johannes in Joh 6,1 erläuternd anführt: „Danach
fuhr Jesus weg über das Galiläische Meer, das auch See von Tiberias
heißt.“
„See von Tiberias“ war ab dem Ende
des 1. Jahrhunderts alsdann auch die übliche Bezeichnung. Sowohl der
Talmud, das Johannesevanglium und in zwei Fällen auch Josephus (Jüd.
Krieg 3.57, 4.456) verwenden diesen Begriff.
Das Problem besteht letztendlich
weniger in der Bezeichnung als „Meer" (Markus konnte sich diesbezüglich
auf die LXX beziehen), sondern in der Verbindung mit „von Galiläa“.
Vergleichbar wäre die Umbenennung des Bodensee in „Meer der
Schweiz“.
Zum anderen setzt Markus das „Meer“
mehrmals in Opposition zum Begriff „Erde“, um ein mythisches
Hintergrundbild zu zeichnen.
Mk 4,1: „Und er fing abermals an, am
Meer (θάλασσαν· - thalassan) zu lehren. Und es versammelte
sich eine sehr große Menge bei ihm, sodass er in ein Boot steigen
musste, das im Meer (θαλάσσῃ) lag; er setzte sich, und alles
Volk stand auf dem Lande (γῆς - gês) am Meer (θάλασσαν).“
Mk 6,47: „Und am Abend war das Boot
mitten auf dem Meer (θαλάσσης - thalassês) und er auf dem
Land (γῆς - gês) allein.“
Die markinische Geografie weicht daher in zwei wesentlichen Punkten deutlich von der Realität ab.
Das „Meer von Galiläa“ des Markus
ist nicht als ein ruhiger Binnensee zu denken, sondern als
gefährliches maritimes Gewässer.
Die Dekapolis liegt im Markusevangelium
nicht jenseits des Jordans, sondern jenseits des Meeres. Zwar gibt es
im Markusevangelium auch ein „Land jenseits des Jordans“. Dieses
Gebiet ist aber bei Markus von der Dekapolis „weit entfernt“.
Konstruktion von „Welt“ bei Markus
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen