Mittwoch, 7. Mai 2014

Fragen zur Syrophönizierin


Seit gefühlt zwei Monaten schlage ich mich mit Markus 7,24 – 7,31 herum und bin immer noch nicht zu einem zufriedenstellenden Schluss gekommen.
via churchofthefaithfulcenturion

Die namenlose Syrophönizierin aus dem Markusevangelium ist heutzutage eine kleine Heilige geworden. Sie steht fast als Sinnbild für alle Entrechteten und Unterdrückten dieser Welt, sie, der es sogar gelang, Jesus gegen sein anfängliches Widerstreben auf ihre Seite zu ziehen. Wir denken an sie als „Gerechte“ und „Tiefvertrauende“, die sich hilfesuchend und verzweifelt an den Herrn wandte, die noch vor „Gott“ selbst um ihr „Recht“ kämpfen musste, der dies hervorragend gelang und der schlussendlich der verdiente „gute Lohn“ zukam. Ein sehr starkes und schönes Bild!

Ich würde dieses Bild gern unangetastet lassen, wenn ihre kleine Geschichte nicht einige Probleme aufwerfen würde; ja einige Details an diesem Bild einfach nicht stimmig sind.

Hier zunächst die Übersetzung der Szene in chiastischer Form dargestellt mit einigen Erläuterungen. Die Übersetzung ist von mir möglichst wortgetreu und so gefertigt, dass man das ungeheure Tempo der Szene, einige Wortspiele und den leicht diabolischen Humor von Markus wahrnehmen kann.


Chiasmus Mk 7,24-31

Von dort aber aufstehend ging er in das Gebiet von Tyrus.
          Und hineingegangen in ein Haus wollte er es niemanden wissen lassen, aber konnte nicht
           verborgen bleiben,
                  sondern sofort hatte eine Frau von ihm gehört, deren Töchterchen einen unreinen
                  Geist hatte, und war gekommen, und fiel nieder zu seinen Füßen,
                            aber die Frau war eine Griechin/Hellenin/Heidin, eine Syrophönizierin nach
                            der Herkunft,
                                     und befragte ihn, dass er den Dämon aus ihrer Tochter hinauswerfe.
                                     
                                     Und er sprach zu ihr: Lass zuerst die Kinder satt werden; es ist nicht
                                     gut, dass man den Kindern das Brot wegnehme und werfe es vor die
                                     Hündchen.
                           Sie antwortete aber und sprach zu ihm: Herr; aber doch fressen die Hündchen
                           unter dem Tisch von den Krümelchen der Kinderchen.
                   Und er sprach zu ihr: Wegen dieses Wortes gehe hin, der Dämon ist aus deiner
                   Tochter hinausgegangen.
          Und sie ging weg in ihr Haus und fand das Kindchen auf die Couch geworfen und den Dämon
          hinausgegangen.
Und als er wieder hinausging aus dem Gebiet von Tyrus, kam er durch Sidon an das Meer von Galiläa, mitten in das Gebiet der Zehn Städte.


1) Sprachlich springen zunächst die vielen von Markus verwendeten Verkleinerungsformen ins Auge (Töchterchen, Hündchen, Krümelchen, Kinderchen) - möglicherweise auf Mk 9,42 vorausdeutend ("Und wer einen dieser Kleinen, die an mich glauben, zum Abfall verführt, für den wäre es besser, dass ihm ein Mühlstein an den Hals gehängt und er ins Meer geworfen würde.")

Interessant ist, dass die Syrophönizierin nicht den von Jesus verwendeten Begriff für „Kinder“ (τέκνον – teknon) gebraucht, sondern stattdessen von „παιδίον“ (paidiôn) spricht. Der Unterschied ist folgender: die „τέκνον“ sind die Abkömmlinge, die biologischen Kinder; die „παιδίον“ alle zum Haushalt gehörenden Kleinkinder (in der Antike also z.B. auch die Kinder der Sklaven und der sonstigen Hausbewohner).

Unter den Wortspielen fallen vor allem die vom Wortstamm „werfen“ (βάλλω - ballo) abgeleiteteten Formen auf: der Dämon soll „hinausgeworfen“ werden, das Brot soll den Hündchen nicht „hingeworfen“ werfen, die Tochter ist zuletzt auf die Couch „geworfen“.

Schmunzelnd ist zur Kenntnis zu nehmen, dass die Hündchen laut der Syrophönizierin „unter dem“ Tisch essen könnten, aber ihr "Kindchen" zuletzt „auf der“ Couch endet (möglicherweise eben die zum Esstisch gehörende).

Beide, der Dämon und Jesus, sind zuletzt „hinausgegangen“.

2) Inhaltlich ist der Exorzismus bzw. die Heilung der Tochter scheinbar ohne größeres Interesse. 

Im Blickpunkt der Szene steht vielmehr der Wortwechsel zwischen der Syrophönizierin und Jesus, vor allem die Parallelisierung im Zentrum des Chiasmus: „den Dämon hinauswerfen“ und „das Brot hinwerfen“.


Die Griechin aus Syrophönizien

Teil 1 - Jesus in einem Streitgespräch schlagen
Teil 2 - Den verborgenen Heiland wittern und als „Kyrios“ bekennen
Teil 3 - Jesus’ bizarrer Umweg zur Syrophönizierin
Teil 4 - Fragen zur Syrophönizierin
Teil 5 - Jesus beleidigt die Syrophönizierin als Hündchen

Zugabe - Von Dämonen und unreinen Geistern

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