1) Im 32. Kapitel des Buches Bereschit
(1. Mose bzw. Genesis) steht Jakob vor seiner Rückkehr ins heilige
Land. Zwanzig Jahre vorher war er geflüchtet, um der Vergeltung
seines älteren Zwillingsbruders Esau zu entgehen. Er hatte Esau
dessen Erstgeburtsrecht und seinem Vater Isaak den väterlichen Segen
abgelistet, der Esau als Älterem gebührte. Nach Jakobs Flucht war
sein Schicksal geprägt durch göttliche Offenbarungen, durch weitere
Tricks und Täuschungen - die er selbst beging oder deren Opfer er
wurde -, durch sein Familienleben und die Rivalität seiner beiden
Frauen Lea und Rahel. Nun kehrt Jakob zurück und fürchtet nach wie
vor den Zorn seines Bruders, den er ängstlich, aber gemäß einem
ausgeklügelten Plan durch reiche Geschenke besänftigen will.
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In der letzten Nacht vor seiner
Begegnung mit Esau lagert Jakobs Tross am Fluss Jabbok. Er steht auf,
geht zunächst hinüber, führt dann seine Familie und sein Lager
über den Fluss und bleibt dann doch allein zurück. Plötzlich ringt
ein geheimnisvoller „Mann“ in der Dunkelheit mit Jakob, der
scheinbar den Kampf im Morgengrauen beenden will, aber von Jakob
daran gehindert wird, denn dieser will von seinem Gegner gesegnet
werden. Der Fremde gibt Jakob den neuen Namen „Israel“ und Jakob
gibt dem Ort am Jabbok den neuen Namen „Peniel“, „denn ich habe
Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen, und meine Seele ist gerettet
worden!“
Seit Jahrtausenden rätseln Bibelleser
über diese magische Erzählung, darüber, ob der Fremde etwa Gott,
ein Engel oder Esau war, ob die Begebenheit sich „wirklich“ oder
als Traum oder als tiefes, meditatives Gebet ereignete oder ob es
sich um eine allegorische Erzählung handelt. Aber egal, zu welcher
Auslegung man auch neigt, man versteht, dass Jakob in dieser Nacht am
Jabbok „irgendwie“ mit Gott, vielleicht mit Esau und mit seinem
Schicksal ringt und aus diesem Kampf verwandelt und geläutert
hervorgeht.
Leider hat dieses „Verständnis“
einen erheblichen Schönheitsfehler. Nach wohl fast einmütiger
Auffassung der Bibelwissenschaft ist diese Erzählung nämlich nicht
einheitlich entstanden, sondern - um es lax zu sagen – ein
Flickenteppich und ein wertloses Kuckucksei. Dabei wird angenommen,
dass der Text – wie wir ihn heute in der Bibel lesen können –
mehrfach überarbeitet worden sei. Am Anfang habe etwa eine uralte
Sage gestanden, die mit der Bibel und Jakob noch nichts zu tun hatte.
In dieser standen sich angeblich ein heidnischer Flussgott oder
Dämon, der nur während der Nacht erscheint, und ein kanaanäischer
Held im Kampf gegenüber. Diese im Volk populäre Geschichte sei zu
späterer Zeit abgeändert und neu erzählt worden, als in Kanaan
einzelne Stämme mit unterschiedlichen Gottheiten um die
Vorherrschaft stritten. Schließlich sei die beliebte Geschichte des
Kampfes von den Autoren der Bibel auf Jakob und den Gott Israels so
umgeschrieben worden, dass aus dem siegreichen Held der unterlegene
Jakob geworden sei. Nach einer der vielen anderen bizarren Meinungen
sei der Ursprung der Geschichte hingegen in einer Art Koboldssage zu
sehen, in der ein Wanderer des Nachts von einem Kobold angefallen
wird.
Ich möchte niemanden davon abhalten,
an kanaanäische Dämonen und Kobolde zu glauben. Persönlich muss
ich über diese Theorien schmunzeln. Ich habe nicht den
allergeringsten Zweifel, dass diese Erzählung echt ist und vollstes
Vertrauen verdient.
Diesen langen Beitrag verfasse ich
ausnahmsweise als eine Art Rätselspiel, an dessen Ende eine
eindeutige Lösung steht. Nach einer Einführung (2.) folgt eine
Übersetzung (3.) des biblischen Textes, danach einige Überlegungen
zu seiner Struktur (4.-5.) und zu Problemen auf seiner Sinnebene
(6.). Mit diesen - manchmal schwierigen - Hinweisen gebe ich Lesern,
die so freundlich sind, diesen Beitrag zu lesen, alles Notwendige in
die Hand, um von selbst auf die Lösung (7.) des Rätsels zu kommen.
Wer dies wagen will, geht zwei Risiken
ein. Er muss – gegen alle Theorien der Bibelwissenschaft - dem
biblischen Text vertrauen und sich - Zeile für Zeile und Wort für
Wort - in ihn und seine vermeintlichen Widersprüche vertiefen. Er
muss außerdem – was noch schwieriger sein dürfte – mir
vertrauen.
Um auf die Lösung zu kommen, sind neben der genauen Lektüre zwei Dinge erforderlich: ein mutiger Gedankensprung und ein kühner Dreh. Mutig, weil die Erzählung von Jakobs Ringen am Jabbok nicht nur ein geistlicher Text ist, sondern daneben auch etwas, was der Leser in der Bibel nicht erwartet. Kühn, weil der Leser mit dem Text kreativ umgehen muss.
Ich empfehle jedem Leser, im Anschluss
an meine letzten Überlegungen in Ziffer 6.6) das Lesen abzubrechen
und allein nach der Lösung zu suchen. Wer nicht von selbst zur
Lösung gelangt, lässt sich eine große Freude entgehen. Dennoch ist
die Lösung nicht einfach zu finden ist und der Leser muss mit dem
Text „ringen“ - so wie Jakob am Jabbok mit dem geheimnisvollen
Fremden rang.
Ein letzter Hinweis: In meinen
Überlegungen zur Sinnebene der Erzählung äußere ich auch einige
Gedanken darüber, wie einige Abschnitte geistlich gedeutet werden
könnten. Diese haben mit der Lösung nicht das Geringste zu tun.
2) Einführung
Während einer Generalaudienz am 25.05.2011 hat Papst Benedikt über diesen Text gesprochen. Zwischen
den Zeilen kann man seiner klugen und nachlesenswerten Ansprache
entnehmen, dass der Theologe Ratzinger diese kleine Erzählung für
außergewöhnlich hält und wirklich liebt, gleichwohl aber die
wissenschaftliche Meinung zum Entstehen des Textes teilt: „Die
Erklärungen, die die biblische Exegese zu diesem Abschnitt geben
kann, sind vielfach; die Forscher erkennen darin vor allem
literarische Komponenten und Absichten verschiedener Art sowie auch
Bezüge auf einige volkstümliche Erzählungen. Doch wenn diese
Elemente von den Verfassern der Schrift aufgenommen und in die
biblische Erzählung eingegliedert werden, ändern sie ihre Bedeutung
und der Text öffnet sich weiteren Dimensionen.“
Der junge Theologe Philipp Greifenstein
ist in seiner schönen Predigt vom 12.10.2014 außergewöhnlich
kreativ mit dem Text umgegangen. Auch seine Gedanken erwecken den
Eindruck, dass er von der Geschichte über Jakobs Kampf am Jabbok
fasziniert und hingerissen war. Indes scheint er keinen Zweifel daran
zu haben, dass die wissenschaftliche Ansicht zur Entstehung des
Textes zutreffend ist: „Dies ist ein alter Text, in den
Generationen eingetragen haben. Gekritzelt, verfälscht, erweitert,
geklärt, weiter- und fortgeschrieben, angepasst, aktualisiert.“
In seinem Beitrag für„Deutschlandradio Kultur“ vom 24.02.2013 hat Prof. Dr. Harald
Schwillus die Erzählung über Jakobs Kampf u.a. auch mit Bezügen
zur modernen Malerei und Lyrik sowie zur antiken und
mittelalterlichen Auslegung besprochen und mit seinen eigenen
Gedanken über den Segen verbunden. Auch in seinem Beitrag ist die
Begeisterung für den biblischen Text spürbar, aber auch die bereits
erwähnte Auffassung über die Herkunft der Erzählung: „Sie ist
sehr alt und erzählt ursprünglich wohl von einem Flussgeist oder
Dämon, der in der Dunkelheit der Nacht enorme Kräfte besitzt, bei
Tagesanbruch aber seine Macht verliert. Solche Geschichten gibt es in
vielen Kulturen: sie erzählen von dämonischen Wesen, die an
Flussübergängen oder an Wegkreuzungen Menschen überfallen und
töten. … Das Volk Israel hat diese Geschichte in seine Erzählwelt
aufgenommen.“
Ich könnte hier ohne große Mühe mit
weiteren Beispielen fortfahren. Die Ironie will es, dass die
überwältigende Mehrzahl der Theologen die Geschichte von Jakobs
Ringen am Jabbok für großartig, aber auch für „unecht“ - oder
besser – für einen nachträglich in die Jakob-Esau-Geschichte
eingebundenen, zusammengenähten Flickenteppich hält, dessen
rätselhafte Faszination bloßer Zufall ist und nur zufällig durch
das wiederholte Umschreiben und Überarbeiten der Geschichte
entstanden ist. Der Alttestamentler Hermann Gunkel sprach gar davon,
dass die „christliche Gemeinde“ mit ihrer Auslegung „Schlacken
in Gold“ verwandelt, zu neudeutsch wohl: „aus Scheiße Bonbons
gemacht“ habe.
Wie immer liegt mein Beweggrund, über
diese Theorien zu spotten, in meinem Bedauern darüber, dass die
moderne Bibelwissenschaft nicht erkennt, dass sie tatsächlich „Gold“
vor sich hat, und in der Bewunderung für eine große biblische
Erzählung. Dabei wäre es verfehlt, wenn man sich nicht – vor
allem auch jenseits der Auffassungen von vorgestern - um ein
Verständnis jener bibelwissenschaftlichen Theorien bemühen würde,
damit man vor den Problemen, die die Erzählung vom Jabbokskampf
stellt, nicht vorschnell die Augen verschließt. Wenn man diese
Überlegungen ernst nimmt, sind sie für das Verständnis der
Geschichte sogar äußerst hilfreich.
Die Probleme der Erzählung beginnen
unmittelbar im Übergang von Vers 22 („Er aber übernachtete in
jener Nacht im Lager“) zu Vers 23 („Und er stand auf in jener
Nacht und ... er ging hinüber über den Übergang des Jabbok“).
Beide Aussagen beinhalten bei Zugrundelegung einer „normalen“
Sinnebene einen augenscheinlichen Widerspruch. Es wäre verfehlt,
diesen irgendwie umgehen zu wollen, denn die Widersprüchlichkeit der
Geschichte setzt sich offenbar fort. Vers 23 erklärt, dass Jakob
über den Übergang des Jabbok hinüberging, in den Versen 24 und 25
geht jedoch lediglich seine Familie und seine Habe über den Fluss
hinüber und Jakob bleibt allein zurück.
Sinnwidrig mutet ebenfalls an, dass der
Kampf zunächst scheinbar unentschieden ausgeht, es dem Fremden
alsdann vermeintlich gelingt, Jakob einen entscheidenden „Schlag“
zu versetzen, er jedoch keinerlei Vorteil daraus ziehen kann und
Jakob den Fremden sogar am Verlassen des Kampfes hindern kann, um
überraschender Weise von seinem „Gegner“ auch noch einen Segen
zu fordern und diesen zu bekommen. Trotzdem Jakobs Verletzung nach
Vers 32 dauerhaft zu sein scheint, ist davon im weiteren Verlauf der
Jakob-Esau-Geschichte keine Rede mehr, insbesondere auch nicht beim
Zusammentreffen mit Esau in Vers 33,3 („Er selbst aber ging vor
ihnen her ...“).
Die Beschreibung Jakobs stellt über
den Rahmen der Erzählung hinaus auch einen deutlichen Widerspruch zu
seinem Verhalten gegenüber Esau dar. Vor dem Kampf fürchtet sich
Jakob vor Esau (32:8 „... Da fürchtete sich Jakob sehr, und ihm
wurde angst ...“), nach dem Kampf begegnet er ihm bei ihrem
Zusammentreffen äußerst unterwürfig (33:3 „... und warf sich
siebenmal zur Erde nieder, bis er nahe an seinen Bruder herangekommen
war.“) Mit dem tapferen Kämpfer aus der Jabboksgeschichte, der
weder Gott noch Menschen fürchtet, harmoniert dies offensichtlich
schlecht.
Die scheinbaren „Probleme“,
„Spannungen“, „Brüche“ und „Widersprüche“ der Erzählung
sind damit keineswegs abschließend aufgezählt. Ich wollte an dieser
Stelle lediglich einen kleinen Eindruck vermitteln, welcher Art die
Gründe sind, auf die sich die Bibelwissenschaft stützt. Ich
empfehle hierzu den beachtlichen Aufsatz von Dr. Ulrich Zalewski
„Jakobs Kampf am Jabbok (Gen 32,23-33): eine kontextabhängige
Einheit?“, der hier ab Seite 299 nachgelesen werden kann. In diesem
Aufsatz verteidigt Zalewski mit großer Umsicht die fast einmütige
wissenschaftliche Auffassung gegen den „rebellischen“ Versuch
des Alttestamentlers Erhard Blum, der die Diskussion über die
Entstehung des Textes ins Kippen bringen wollte.
3) Wie gewohnt beginne ich mit einer
möglichst wortwörtlichen und ungeglätteten Übersetzung des Textes
und drei Anmerkungen hierzu.
Jakob am Jabbok
23 Und er stand auf in jener Nacht und
er nahm seine zwei Frauen und seine zwei Mägde und seine eins und
zehn Kinder und er ging hinüber über den Übergang des Jabbok.
24 Und er nahm sie und er ließ sie
hinübergehen über den Fluss, und er ließ hinübergehen was ihm
war.
25 Und wurde zurückgelassen Jakob, mit
sich allein. Und rang ein Mann mit ihm bis zum Heraufkommen der
Dämmerung.
26 Und er sah, dass nicht er vermochte
ihm. Und er schlug auf die Pfanne seiner Hüfte und wurde ausgerenkt
die Pfanne der Hüfte Jakobs, in seinem Ringen mit ihm.
27 Und er sagte: Entsende mich, denn
heraufgekommen ist die Dämmerung. Und er sagte: Nicht ich entsende
dich, es sei denn, du segnest mich.
28 Und er sagte ihm: Was ist dein Name?
Und er sagte: Jakob.
29 Und er sagte: Nicht Jakob soll
weiterhin gesagt werden dein Name, denn es sei: Israel, denn du
strittest mit Gott und mit Menschen und hast vermocht.
30 Und fragte Jakob und er sagte:
Berichte bitte deinen Namen! Und er sagte: Warum dies, du fragst
wegen meines Namens? Und er segnete ihn dort.
31 Und nannte Jakob den Namen des Ortes
Peniel, denn ich sah Gott, Angesicht zu Angesicht,
und meine Seele wurde gerettet.
32 Und aufging die Sonne ihm, als er
hinüberging bei Penuel. Und er hinkte auf seiner Hüfte.
33 Auf Grund dessen nicht essen die
Söhne Israels die Sehne des Spanns, welche auf der Pfanne der Hüfte
ist, bis zu diesem Tag. Denn er schlug auf die Pfanne der Hüfte
Jakobs, die Sehne des Spanns.
1. Anmerkung: Die renommierten
Übersetzungen sind geteilter Meinung, ob das Verb in Vers 26 und 33
mit „berühren“ (so etwa die Elberfelder) oder mit „schlagen“
(so etwa die Luther) wiedergegeben werden soll. Wenn ich es richtig
verstanden habe, ist beides möglich.
2. Anmerkung: Die „Berührung“ bzw.
der „Schlag“ in Vers 26 wird in fast allen Übersetzungen als ein
Geschehnis von Ursache und Wirkung wiedergegeben (Elberfelder: „Und
als er sah, dass er ihn nicht überwältigen konnte,
berührte er sein Hüftgelenk ...“). Der Wortlaut („way-yar
kî lō yā-ḵōl lōw way-yig-ga‘“) legt dies
jedoch nicht nahe, sondern spricht eindeutig für eine
Und-Verknüpfung („Und er sah, dass nicht er
übermochte ihn. Und er schlug ...“). Beispielsweise
hat die Studienfassung der „Offenen Bibel“ und die „Bibel in
gerechter Sprache“ zutreffend diese Und-Verknüpfung gewählt.
3. Anmerkung: Der schwierigste Punkt
der Übersetzung ist die „Sehne des Spanns“ in Vers 33. Es ist
wohl nicht übertrieben zu sagen, dass niemand wirklich weiß, was an
jener Stelle gemeint ist. Die Übersetzungsvarianten umfassen hierbei
einerseits „Sehne“, „Muskel“ und „Nerv“ und andererseits
sinngemäß „der Hüfte“, „des Spanns“ und „Vergessen bzw.
Betäubung“. Problematisch ist hier meines Erachtens wohl lediglich
die Übersetzung mit „der Hüfte“, da das im übrigen Text
verwendete Wort für „Hüfte“ (yarek) von dem hier als „Spann“
wiedergegebenen Wort (nasheh) verschieden ist. Ich habe mich hier für
eine eher klassische Variante entschieden („Sehne des Spanns“).
4) Zur Struktur der Erzählung
4.1) Ich will zunächst mit einer
kleinen Beobachtung beginnen. Die Erzählung enthält zwei deutlich
zu unterscheidende Textanteile: einen Anteil, der keinerlei wörtliche
Rede, und einen Anteil, der fast ausschließlich wörtliche Rede
enthält. Um dies deutlich zu machen, habe ich die (historisch
nachträglich erfundene) Verseinteilung des Textes aufgehoben und den
Anteil mit fast nur wörtlicher Rede gerötet.
Der gerötete Anteil, befindet sich
innerhalb des grünen Anteils, jedoch nicht in dessen Mitte, denn der
obere Bereich des Grün-Anteils ist etwa doppelt so groß wie der
untere Bereich.
„Und er
stand auf in jener Nacht und er nahm seine zwei Frauen und seine zwei
Mägde und seine eins und zehn Kinder und er ging hinüber über den
Übergang des Jabbok. Und er nahm sie und er ließ sie hinübergehen
über den Fluss, und er ließ hinübergehen was ihm war. Und wurde
zurückgelassen Jakob, mit sich allein. Und rang ein Mann mit ihm bis
zum Heraufkommen der Dämmerung. Und er sah, dass nicht er übermochte
ihm. Und er schlug auf die Pfanne seiner Hüfte und wurde ausgerenkt
die Pfanne der Hüfte Jakobs in seinem Ringen mit ihm.
Und er sagte: Entsende mich, denn
heraufgekommen ist die Dämmerung. Und er sagte: Nicht ich entsende
dich, es sei denn, du segnest mich. Und er sagte ihm: Was ist dein
Name? Und er sagte: Jakob. Und er sagte: Nicht Jakob soll weiterhin
gesagt werden dein Name, denn es sei: Israel, denn du strittest mit
Gott und mit Menschen und hast übermocht. Und fragte Jakob und er
sagte: Berichte bitte deinen Namen! Und er sagte: Warum dies, du
fragst wegen meines Namens? Und er segnete ihn dort. Und nannte Jakob
den Namen des Ortes: Peniel, denn ich sah Gott, Angesicht zu
Angesicht, und meine Seele wurde gerettet. Und aufging die Sonne ihm,
als er hinüberging bei Penuel.
Und er hinkte auf seiner Hüfte.
Auf Grund dessen nicht essen die Söhne Israels die Sehne des Spanns,
welche auf der Pfanne der Hüfte ist, bis zu diesem Tag. Denn er
schlug auf die Pfanne der Hüfte Jakobs, die Sehne des Spanns.“
4.2) Ich komme nun zum ersten kleinen
„Geheimnis“ dieses Text. Es besteht darin, dass man den geröteten
Anteil mit wörtlicher Rede komplett entfernen kann und dabei eine
Erzählung erhält, der zwar der „Clou“ fehlt, deren Sinnverlauf
auf den ersten Blick aber wesentlich geradliniger ist als der des
Gesamttextes. Entsprechend den Größenverhältnissen des Textes
teile ich diese in drei Teile (zwei Teile aus dem oberen Bereich des
grünen Textes und als dritten Teil den unteren Bereich):
„Und er
stand auf in jener Nacht und er nahm seine zwei Frauen und seine zwei
Mägde und seine eins und zehn Kinder und er ging hinüber über den
Übergang des Jabbok. Und er nahm sie und er ließ sie hinübergehen
über den Fluss, und er ließ hinübergehen was ihm war. Und wurde
zurückgelassen Jakob, mit sich allein.
Und rang ein
Mann mit ihm bis zum Heraufkommen der Dämmerung. Und er sah, dass
nicht er vermochte ihm. Und er schlug auf die Pfanne seiner Hüfte
und wurde ausgerenkt die Pfanne der Hüfte Jakobs in seinem Ringen
mit ihm.
Und er hinkte
auf seiner Hüfte. Auf Grund dessen nicht essen die Söhne Israels
die Sehne des Spanns, welche auf der Pfanne der Hüfte ist, bis zu
diesem Tag. Denn er schlug auf die Pfanne der Hüfte Jakobs, die
Sehne des Spanns.“
Bewertet man den „eigentlichen“
Übergang des geröteten Textes zum Grün-Text mit dem hier
„künstlich hergestellten“ Übergang vom zweiten zum dritten
Absatz, scheinen beide zumindest gleichwertig zu sein.
„Und aufging
die Sonne ihm, als er hinüberging bei Penuel.
Und er hinkte auf seiner Hüfte.“
„Und er
schlug auf die Pfanne seiner Hüfte und wurde ausgerenkt die Pfanne
der Hüfte Jakobs in seinem Ringen mit ihm.---------- Und er hinkte
auf seiner Hüfte.“
4.3) Zutreffend haben die
Bibelwissenschaftler erkannt, dass der Text „merkwürdige“ und
„umständliche“ Formulierungen enthält, die sicher auch jedem
Leser sofort auffallen. Daraus muss jedoch nicht folgen, dass der
Text aus verschiedenen Flicken zusammengenäht ist.
Für Leser, die mit der Erzählkunst
der hebräischen Bibel weniger vertraut sind, sei zunächst gesagt,
dass die wichtigsten Gliederungsmittel bei qualitativ hohen
biblischen Texten die Parallelisierung und der Chiasmus (Überkreuzen)
sind, so wie in der Neuzeit Gedichte etwa durch den Reim und das
Versmaß oder die alten nordischen Sagas durch den Stabreim
strukturiert sind.
Bei der Parallelisierung ist der Text
oder größere Texteinheiten nach dem Muster A B – A' B' oder A B
C – A' B' C' usw. gebaut. Beim Chiasmus (Überkreuzen) ist das
Muster A B – B' A' oder A B C B' A' usw. Beachtlich ist freilich,
dass der Text diese Strukturen nicht „sklavisch“ und exakt zu
erfüllen versucht, sondern eher locker auf ihnen liegt. Nicht immer
ist es leicht, den Chiasmus nachzubauen. Eine hervorragende
Einführung zu den Erzähltechniken der hebräischen Bibel kann man
übrigens hier finden.
Was zunächst kompliziert klingt, wird
nach der Umstellung des grünen Textes auf eine chiastische
Gliederung nach dem Muster AB-B'A' bzw. ABC-C'B'A' deutlich.
A - Und er
stand auf in jener Nacht
... B - und er
nahm seine zwei Frauen und seine zwei Mägde und seine eins und zehn
Kinder
...... C - und er
ging hinüber über den Übergang des Jabbok.
...... C' - Und er
nahm sie und er ließ sie hinübergehen über den Fluss,
... B' - und er
ließ hinübergehen was ihm war.
A' - Und wurde
zurückgelassen Jakob, mit sich allein.
A - Und rang
ein Mann mit ihm bis zum Heraufkommen der Dämmerung.
... B - Und er
sah, dass nicht er vermochte ihm.
... B' - Und er
schlug auf die Pfanne seiner Hüfte
A' - und wurde
ausgerenkt die Pfanne der Hüfte Jakobs in seinem Ringen mit ihm.
A - Und er
hinkte auf seiner Hüfte.
... B – Auf
Grund dessen nicht essen die Söhne Israels die Sehne des Spanns,
... B' - welche
auf der Pfanne der Hüfte ist, - bis zu diesem Tag.
A' - Denn er
schlug auf die Pfanne der Hüfte Jakobs, die Sehne des Spanns.
Wie „stabil“ diese Struktur ist,
kann man etwa an den A- und A'-Klauseln sehen, die die Chiasmen
rahmen. Jede A-Klausel enthält die Aktion eines nicht namentlich
genannten Akteurs („Und er stand auf“, „Und rang ein Mann“,
„Und er hinkte“). In den A'-Klauseln ist der Name Jakobs, der im
grünen Text nur an diesen Stellen auftaucht, jeweils etwas nach der
Hälfte platziert (die Wortstellung der Übersetzung entspricht dem
hebräischen Text).
Es ist hilfreich, nunmehr zunächst den
geröteten Text zu betrachten. Dabei ist festzuhalten, dass der
Grüntext sich vom geröteten Text durch das Nichtvorhandensein von
wörtlicher Rede unterscheidet, dass er chiastisch gebaut ist und wie
eine Schachtel funktioniert, aus der man den geröteten Text einfach
„herausnehmen“ kann.
4.4) Der gerötete Text lässt sich
nicht als Chiasmus darstellen, sondern ist nach dem anderen
Strukturmittel, der Parallelisierung, gebaut. Es werden zwei
Parallelen deutlich, aber auch einige Abweichungen, die wichtig sind
und auf die zurückzukommen sein wird. Zunächst gilt es jedoch, den
Grundsatz zu verstehen.
1. Parallelstruktur
- Und er
sagte: Entsende mich, denn heraufgekommen
ist die Dämmerung.
- Und er
sagte: Nicht ich entsende dich, es sei denn, du
segnest mich.
2. Parallelstruktur
a - Und er
sagte ihm: Was ist dein Name?
b - Und er
sagte: Jakob.
c - Und er
sagte: Nicht Jakob soll weiterhin gesagt werden dein Name, denn es
sei Israel,
d - denn du
strittest mit Gott und mit Menschen und hast vermocht.
a - Und fragte
Jakob und er sagte: Berichte bitte deinen Namen!
b - Und er
sagte: Warum dies, du fragst wegen meines Namens?
......... Und
er segnete ihn dort.
c - Und nannte
Jakob den Namen des Ortes Peniel,
d – denn ich
sah Gott, Angesicht zu Angesicht, und meine Seele wurde gerettet.
......... Und
aufging die Sonne ihm, als er hinüberging bei Penuel.
Die zweite Parallelstruktur ist -
abgesehen von den Abweichungen - perfekt und nach dem Schema a-b-c-d
gegliedert.
Die a-Klausel enthält jeweils die
Frage nach dem Namen,
die b-Klausel jeweils die Antwort
hierauf,
die c-Klausel jeweils eine neue
Namensgebung und
die d-Klausel jeweils die Begründung
der Neubenennung.
Es fällt nun nicht schwer, auch die
erste Struktur als Parallele zu erkennen, obwohl diese lediglich eine
einzige Klausel enthält.
Ein erster Blick auf die bislang
markierten Abweichungen. Sie sind zum einen nicht parallel. Zum
anderen beinhalten die zwei letzten keine wörtliche Rede. Man kann
aus ihnen jedoch ebenfalls das Vorhandensein eines Musters erahnen,
denn thematisch sind hier zwei Mal das „Aufsteigen von Licht“
(„heraufgekommen ist die Dämmerung“, „Und aufging die Sonne
ihm“) und zwei Mal der „Segen“ („du segnest mich“, „Und
er segnete ihn dort“) zu verzeichnen.
5) Bislang wurde der grüne Textanteil
und der roten Textanteil voneinander getrennt behandelt, aber
natürlich stellt sich die Frage nach dem Verhältnis dieser beiden
Teile.
5.1) Festgestellt hatte ich bereits,
dass man den grünen Textanteil auch für sich allein lesen kann.
Dies gilt jedoch nicht für den roten Textanteil, der mit der Aussage
einsetzt: „Und er
sagte: Entsende mich, denn heraufgekommen
ist die Dämmerung.“
Zum einen benötigt diese Aussage
natürlich eine Vorgeschichte, zum anderen nimmt sie auf die
A-Klausel des zweiten Chiasmus Bezug: „A -
Und rang ein Mann mit ihm bis
zum Heraufkommen der Dämmerung.“
5.2) Ich komme nunmehr zum zweiten
kleinen „Geheimnis“ der Jabbokserzählung. Es besteht darin, dass
- von einer kleinen Ausnahme abgesehen - der rote Text und der grüne
Text, letzterer ab der Mitte des zweiten Chiasmus, getrennt verlaufen
und nicht aufeinander Bezug nehmen. Hierzu zunächst wieder die
Übersicht, so wie wir den Text in der Bibel lesen können:
„Und er
schlug auf die Pfanne seiner Hüfte und wurde ausgerenkt die Pfanne
der Hüfte Jakobs in seinem Ringen mit ihm.
.....................................Und er
sagte: Entsende mich, denn heraufgekommen ist die Dämmerung. Und er
sagte: Nicht ich entsende dich, es sei denn, du segnest mich. Und er
sagte ihm: Was ist dein Name? Und er sagte: Jakob. Und er sagte:
Nicht Jakob soll weiterhin gesagt werden dein Name, denn es sei:
Israel,
denn du strittest mit Gott und mit Menschen und hast vermocht. Und
fragte Jakob und er sagte: Berichte bitte deinen Namen! Und er sagte:
Warum dies, du fragst wegen meines Namens? Und er segnete ihn dort.
Und nannte Jakob den Namen des Ortes: Peniel, denn ich sah Gott,
Angesicht zu Angesicht, und meine Seele wurde gerettet. Und aufging
die Sonne ihm, als er hinüberging bei Penuel.
.................................... Und
er hinkte auf seiner Hüfte. Auf Grund dessen nicht essen die Söhne
Israels die Sehne des Spanns, welche auf der Pfanne der Hüfte ist, -
bis zu diesem Tag. Denn er schlug auf die Pfanne der Hüfte Jakobs,
die Sehne des Spanns.“
Die Segnung und die neuen
Namensgebungen aus dem geröteten Text kommen im unteren Bereich des
grünen Textes nicht zur Sprache. Ebenso wird die Hüfte Jakobs und
deren Ausrenkung im roten Text nicht erwähnt. Dies ist um so
erstaunlicher, weil im grünen Text ab der Mitte des zweiten Chiasmus
in jeder Klausel die Hüfte Jakobs bzw. die Sehne des Spanns erwähnt
wird. Die Würdigung, dass die Hüfte Jakobs in diesem Bereich die
Hauptrolle spielt, ist wohl kaum übertrieben.
... B' - Und er
schlug auf die Pfanne seiner Hüfte
A' - und wurde
ausgerenkt die Pfanne der Hüfte
Jakobs in seinem
Ringen mit ihm.
A - Und er
hinkte auf seiner Hüfte.
... B – Auf
Grund dessen nicht essen die Söhne Israels die Sehne
des Spanns,
... B' - welche
auf der Pfanne der Hüfte
ist, - bis zu diesem Tag.
A' - Denn er
schlug auf die Pfanne der Hüfte
Jakobs, die Sehne des
Spanns.
Setzt man diese Beobachtungen in ein
Schema um, ist das Verhältnis des geröteten Textes und des
Grüntextes etwa so gestaltet:
(Lesern, die die kleine Ausnahme
bemerkt haben, sei versichert, dass hierauf zurückgekommen wird.)
6) Ich denke, dass der Moment gekommen
ist, an dem man beginnen kann, dieser Erzählung etwas Vertrauen
entgegen zu bringen.
Die Jabbokserzählung enthält zwei
Textanteile, deren einer keinerlei wörtliche Rede und deren anderer
fast ausschließlich wörtliche Rede enthält. Der erste ist
chiastisch gebaut, der zweite parallel. Selbst die kleinen
Abweichungen von dieser Struktur zeigen das Vorhandensein eines
Musters auf. Die sich andeutende Struktur legt nahe, dass diese
Erzählung durchaus „aus einem Guss“ sein könnte.
Es sollte nunmehr auf die Sinnebene des
Textes gewechselt werden, nicht um diesen zu deuten, sondern um zu
verstehen, wo wirklich die Probleme des Textes liegen und welcher Art
diese sind.
6.1) Um mit dem ersten Chiasmus zu
beginnen, der den „berühmten“ Widerspruch enthält:
A - Und er
stand auf in jener Nacht
... B - und er
nahm seine zwei Frauen und seine zwei Mägde und seine eins und zehn
Kinder
...... C - und er
ging hinüber über den Übergang des Jabbok.
...... C' - Und er
nahm sie und er ließ sie hinübergehen über den Fluss,
... B' - und er
ließ hinübergehen was ihm war.
A' - Und wurde
zurückgelassen Jakob, mit sich allein.
Zunächst ist zu bemerken, dass der
Fokus der Erzählung starr auf Jakob gerichtet ist, der in jeder
Klausel im Mittelpunkt des Geschehens steht. Im oberen Teil des
Chiasmus ist Jakob äußerst aktiv dargestellt. Er „steht auf“
(A), „nimmt“ seine Familie (B) und „geht hinüber“ (C). In
der Mitte des Chiasmus kommt es jedoch zu einer Wende. In der
C'-Klausel gelingt es Jakob noch, „sie zu nehmen“, er geht jedoch
nicht mehr selbst hinüber, sondern lässt sie hinübergehen. In der
B'-Klausel ist vom „Nehmen“ keine Rede mehr, sondern nur noch vom
inaktiven „Hinübergehenlassen“. In der letzten, der A'-Klausel,
fehlt es schließlich an jeglichem Handeln von Jakob, der nur noch
passiv zurückgelassen wird.
Deutlich ist, dass der von der
Bibelwissenschaft beschworene Widerspruch (er kommt hinüber – er
kommt nicht hinüber) da ist. Er scheint jedoch größer als diese
andeutet. Im oberen Teil des Chiasmus sehen wir einen aktiven Jakob,
dem gelingt, was er beabsichtigt. Im unteren Teil versucht Jakob,
zwar zunächst noch aktiv zu sein, aber sein Vorhaben des
Hinübergehens misslingt (C'), dann erstarrt seine Aktivität (B')
und er wird letztlich in eigener Person zum passiven Objekt (A').
Man erkennt, dass das Problem des
Textes nicht notwendig in seiner Entstehung liegen muss, sondern auch
in seinem Verständnis zu finden sein könnte. Eine Möglichkeit wäre
etwa, dass es in diesem Abschnitt der Erzählung um das „Vermögen“
und die „Macht“ von Jakob und von Gott geht und dass ab der Mitte
des Chiasmus Gott selbst die Dinge zu lenken beginnt, die Jakob
nunmehr entgleiten. So wie Jakob in der B-Klausel seine Familie wie
ein passives Objekt „nimmt“, könnte Jakob nunmehr von Gott
„genommen“ und am Übergang gehindert werden.
Das Problem dieses Abschnitts läge
dann „lediglich“ im „Warum“, dem Sinn des Geschehens. Dem
Geschehen selbst können wir ohne Probleme folgen. Über die im
Mittelpunkt der Handlung stehende Person (Jakob) und die einzelnen
Handlungen und Geschehnisse bestehen keine Zweifel.
6.2.) Zum zweiten Chiasmus:
A - Und rang
ein Mann mit ihm bis zum Heraufkommen der Dämmerung.
... B - Und er
sah, dass nicht er vermochte ihm.
... B' - Und er
schlug auf die Pfanne seiner Hüfte
A' - und wurde
ausgerenkt die Pfanne der Hüfte Jakobs in seinem Ringen mit ihm.
Interessant ist hier zunächst, dass
die Handlung mitten im Ringen einsetzt. Es wäre nach dem Wortlaut im
Grunde verfehlt zu sagen, dass „der Mann plötzlich aufgetaucht
wäre“. Deshalb hält der Text auch eine weitere
Verständnismöglichkeit bereit, dass nämlich das Ringen des Mannes
mit Jakob bereits begonnen hatte und zwar in der Mitte des ersten
Chiasmus, als das Geschehen den Händen von Jakob entglitt und –
gemäß der oben angedeuteten Möglichkeit – nunmehr Gott die Dinge
zu lenken begann. Dies ist jedoch lediglich eine der in Betracht
kommenden Interpretationsvarianten.
Entscheidend ist, dass man dem
Geschehen in der A-Klausel folgen kann und auch die A'-Klausel
verständlich erscheint (das Verrenken der Hüfte Jakobs im Ringen
des Mannes mit Jakob).
Zunächst problematisch, aber
letztendlich klärbar erweist sich die vorletzte Klausel B'. Beim
Lesen dieser Klausel verstehen wir zwar noch nicht, wer hier auf
wessen Hüfte schlug. Die Erklärung wird jedoch durch die
nachfolgende A'-Klausel ermöglicht, aus der wir rückwärts
schlussfolgern können (Jakobs Hüfte wurde verrenkt, also muss es
der Mann gewesen sein, der Jakob auf die Hüfte schlug).
Mit der B-Klausel stoßen wir nunmehr
auf das erste große Problem der Erzählung, denn wir sind außer
Stande zu sagen, wer hier mit wem gemeint ist („Und er sah, dass
nicht er vermochte ihm“). Zur Klärung der Frage bestehen
theoretisch zwei Möglichkeiten: wir könnten aus dem
Gesamtzusammenhang des grünen Text auf die bestmögliche Lösung
schlussfolgern und nach einer möglichen Erklärung im geröteten
Text suchen.
Im Gesamtzusammenhang des grünen
Textes deutet nicht viel daraufhin, dass derjenige, der „nicht
vermochte“, „der Mann“ sein könnte. Denn im grünen Text
erscheint „der Mann“ Jakob letztlich überlegen – und dies
gilt insbesondere nach der angedeuteten Verständnismöglichkeit,
dass Gott nunmehr das Geschehen lenkt und Jakob die Zügel aus der
Hand genommen wurden. Für diese Variante spricht lediglich, dass der
Mann das Subjekt in der A-Klausel ist („Und rang ein Mann mit ihm
...“) und die gleiche Annahme deshalb auch in der B-Klausel („Und
er sah, dass nicht er ...“) nahe liegen könnte. Wenn wir jedoch –
wie bereits bei der vorletzten Klausel B' geschehen – rückwärts
schlussfolgern, ist klar, dass hier nicht der Mann gemeint sein kann.
Dieser schlug auf Jakobs Hüfte und dessen Hüfte wird daraufhin
ausgerenkt. Die Behauptung, dass der Mann nichts gegen Jakob
ausrichten könnte, wäre dann schlicht sinnwidrig.
Ein anderes Ergebnis erhalten wir
jedoch, wenn wir den geröteten Text zu Rate ziehen und von dort aus
rückwärts schlussfolgern. Späterhin heißt es dort:
„c - Und er
sagte: Nicht Jakob soll weiterhin gesagt werden dein Name, denn es
sei Israel,
d - denn du
strittest mit Gott und mit Menschen und
hast vermocht.“
An beiden Stellen wird hier eine Form
des hebräischen Verbs „yakol“ verwandt, so dass ich auch
gleichlautend übersetzt habe:
„B - Und er
sah, dass nicht er vermochte
ihm.“
„d - denn du
strittest mit Gott und mit Menschen und hast vermocht.“
Wenn wir zugrunde legen, dass Jakob
nach der Aussage des Mannes eben doch „vermochte“, wäre die
Annahme sinnwidrig, wenn er in der B-Klausel „nicht vermocht“
hätte.
Entscheidend ist, sich über die Art
unseres eigenen Schlussfolgerns auf der Strukturebene klar zu werden.
Zunächst sind wir dem grünen Text ein Stück nach unten gefolgt und
haben rückwärts geschlussfolgert. Alsdann sind wir dem roten Text
nachgegangen und haben ebenfalls rückwärts geschlussfolgert. Die
bestmögliche Überlegung hat ergeben, dass wir je nach Text zwei
gegensätzliche Ergebnisse erzielten.
In der 2. Anmerkung zu meiner
Übersetzung hatte ich erwähnt, dass fast alle renommierten
Übersetzungen die B- und B'-Klausel als Geschehnis von Ursache und
Wirkung wiedergegeben („Und als er sah, dass er ihn
nicht überwältigen konnte, berührte er sein Hüftgelenk ...“),
dies aber vom Wortlaut nicht gedeckt ist. Man erkennt, dass diese
Übersetzungen nicht mehr Übersetzungen sind, sondern
Interpretationen, die auf der genannten d-Klausel im geröteten Text
beruhen. Diese Übersetzungen verwischen leider den kritischen Punkt
der Erzählung.
6.3) Der letzte Chiasmus:
A - Und er
hinkte auf seiner Hüfte.
... B – Auf
Grund dessen nicht essen die Söhne Israels die Sehne des Spanns,
... B' - welche
auf der Pfanne der Hüfte ist, - bis zu diesem Tag.
A' - Denn er
schlug auf die Pfanne der Hüfte Jakobs, die Sehne des Spanns.
In diesem Teil bestehen wieder keine
Zweifel, wer hier mit wem gemeint ist. Es ist Jakob, der auf seiner
Hüfte hinkt (A), und der Mann, der zuschlug (A').
Kommen wir nunmehr zu der oben
erwähnten Ausnahme, dass der untere grüne Text sich nicht auf den
geröteten bezieht. Auf der Sinnebene des Textes kann man die „Söhne
Israels“ einfach als die „Israeliten“ überlesen. Auf der
Strukturebene ist dies nicht möglich, weil die Erklärung, wer mit
„Söhne Israels“ gemeint ist, sich nicht aus dem grünen Text,
sondern aus der Neubenennung Jakobs im geröteten Text ergibt: „c
- Und er sagte: Nicht Jakob soll weiterhin gesagt werden dein Name,
denn es sei Israel,
...“ Wenn die hier geäußerten Überlegungen richtig
sind, „müssen“ die „Söhne Israels“ also etwas mit dem
geröteten Text zu tun haben.
Interessant ist, dass die „Israeliten“
nicht nur in der B-Klausel des letzten Chiasmus, sondern auch in der
B-Klausel des ersten Chiasmus erwähnt werden, wenn wir die Familie
Jakobs einmal als „Israeliten“ bezeichnen wollen:
B - und er
nahm seine zwei Frauen und seine zwei Mägde und seine eins und zehn
Kinder
Dabei ist ein kleiner „Fehler“ in
der Erzählung zu entdecken. Insgesamt hatte Jakob 12 Söhne und
richtig ist, dass der jüngste, Benjamin, erst in der Zeit nach den
Geschehnissen des Jabbokskampfes geboren wurde. Neben den bereits
geborenen 11 Söhnen besaß Jakob aber noch seine Tochter Dina, so
dass er eigentlich 12 und nicht 11 Kinder hatte.
Das letzte Problem des grünen Textes
sind die in diesem Chiasmus gegebenen zwei Begründungen („Auf
Grund dessen …“, „Denn er schlug ...“) und die Frage, worauf
sie sich beziehen. Der Wortlaut legt hier nämlich nahe, dass die
Söhne Israels die Sehne des Spanns deshalb nicht essen, weil er auf
seiner Hüfte hinkte! Der Abschlusssatz kann nun einerseits als
Doppelbegründung (sie essen auch deshalb nicht, weil er auf die
Hüfte schlug), aber andererseits als Begründung für das Hinken
verstanden werden, wobei letztere Variante leicht vorzugswürdig
erscheint.
6.4) Es ist nun der Übergang des
grünen Textes zum geröteten Text - wie wir ihn in der Bibel lesen
können - zu betrachten:
... B' - Und er
schlug auf die Pfanne seiner Hüfte
A' - und wurde
ausgerenkt die Pfanne der Hüfte Jakobs in seinem Ringen mit ihm.
- Und er
sagte: Entsende mich, denn heraufgekommen
ist die Dämmerung.
- Und er
sagte: Nicht ich entsende dich, es sei denn, du
segnest mich.
Man erkennt, dass es auf der Sinnebene
keinen Übergang von der A'-Klausel des grünen Chiasmus zur ersten
Klausel der geröteten Parallelstruktur gibt. Beides „beißt“
sich. An dieser Stelle hat der Text auf der Sinnebene einen echten
„Bruch“, insbesondere wenn man annimmt, dass der „Mann“ die
Bitte um Entsendung äußert.
A' - und wurde
ausgerenkt die Pfanne der Hüfte Jakobs in seinem Ringen mit ihm.
- Und er sagte: Entsende mich, denn heraufgekommen ist die Dämmerung.
- Und er sagte: Entsende mich, denn heraufgekommen ist die Dämmerung.
Auch das Hinaufgehen zur B'-Klausel im
grünen Text hilft hier nicht weiter, um eine Sinnverknüpfung
herzustellen. Erst die erste Klausel A im zweiten Chiasmus verknüpft
die beiden Texte wirklich sinnvoll:
A - Und rang
ein Mann mit ihm bis zum Heraufkommen
der Dämmerung.
... B - Und er
sah, dass nicht er vermochte ihm.
... B' - Und er
schlug auf die Pfanne seiner Hüfte
A' - und wurde
ausgerenkt die Pfanne der Hüfte Jakobs in seinem Ringen mit ihm.
- Und er
sagte: Entsende mich, denn heraufgekommen
ist die Dämmerung.
6.5) Die erste Parallelstruktur:
- Und er
sagte: Entsende mich, denn heraufgekommen
ist die Dämmerung.
- Und er
sagte: Nicht ich entsende dich, es sei denn, du
segnest mich.
An dieser Stelle können wir dem Text
erneut nicht folgen und stehen vor einem erheblichen Problem, da
nicht entschieden werden kann, wer hier welche Aussage trifft, wer
nämlich hier entsendet und wer gesegnet werden will. Versuchen wir
zunächst eine Lösung aus dem geröteten Text herzuleiten. Nirgendwo
stellt der gerötete Text fest, dass Jakob oder der Mann den jeweils
anderen schließlich entsenden, gehen lassen oder loslassen. Eine
direkte Schlussfolgerung ist daher nicht möglich.
Die zweite Klausel der Parallelstruktur
stellt jedoch eindeutig die Antwort auf die vorhergehende Bitte dar.
Bitte Entsende
mich, denn heraufgekommen
ist die Dämmerung.
Antwort Nicht
ich entsende dich, es sei
denn, du segnest mich.
Sofern festgestellt werden kann, wer
von den beiden den anderen schließlich segnet, wäre damit eine
indirekte Schlussfolgerung – und zwar erneut rückwärts - möglich.
Dazu müssen wir den geröteten Text ein ganzes Stück abwärts gehen
und finden in der zweiten Hälfte der zweiten Parallelstruktur
folgendes:
a - Und fragte
Jakob und er sagte: Berichte bitte deinen Namen!
b - Und er
sagte: Warum dies, du fragst wegen meines Namens?
.............. Und
er segnete ihn dort.
c - Und nannte
Jakob den Namen des Ortes Peniel,
d – denn ich
sah Gott, Angesicht zu Angesicht, und meine Seele wurde gerettet.
.............. Und
aufging die Sonne ihm, als er hinüberging bei Penuel.
Der Text sagt auch hier leider nicht
eindeutig, wer nun wen segnet. Die bestmöglichste Entscheidung, die
wir treffen können, scheint jedoch zu sein, dass es „der Mann“
ist, der Jakob segnet. In diesem Fall, wäre es „der Mann“, der
oben entsendet werden will, und Jakob, der gesegnet werden möchte.
Einerseits folgt der Segen genau nach der Antwort des „Mannes“
auf Jakobs Frage. Andererseits wirken beide Stellen ebenfalls
auffällig parallel: Oben schlägt Jakob die Bitte „des Mannes“
um Entsendung ab und fordert zunächst den Segen. Unten schlägt „der
Mann“ die Bitte von Jakob um Namensnennung ab und erteilt den
Segen.
Prüfen wir dieses Ergebnis nunmehr am
grünen Text. Auch der grüne Text trifft keine Aussage darüber, ob
letztendlich der eine den anderen entsendet, gehen lässt oder
loslässt. Bereits festgestellt war aber, dass der untere Bereich des
grünen Textes keine Beziehung zum geröteten Text hat, dass aber
beim Aufwärtsgehen im grünen Text zunächst eine thematische
Verbindung zum zweiten Chiasmus besteht.
A - Und rang
ein Mann mit ihm bis zum Heraufkommen
der Dämmerung.
... B - Und er
sah, dass nicht er vermochte ihm.
... B' - Und er
schlug auf die Pfanne seiner Hüfte
A' - und wurde
ausgerenkt die Pfanne der Hüfte Jakobs in seinem Ringen mit ihm.
- Und er
sagte: Entsende mich, denn heraufgekommen
ist die Dämmerung.
Zu dieser Stelle war sowohl ein Bruch
in der Sinnebene beim Übergang zum geröteten Text als auch das
kritischste Verständnisproblem des grünen Textes festgestellt
worden, wer nämlich von beiden in Klausel B „sah, dass nicht er
vermochte ihm“. Ein eindeutiges Urteil ist nicht möglich.
Die bestmöglichste Entscheidung, die
wir auf Grundlage des grünen Textes treffen können, scheint jedoch
zu sein, dass es Jakob ist, der entsendet werden will. Er ist
derjenige, der im Ringen der beiden schwer an der Hüfte verletzt
wurde. Nichts wäre daher sinngemäßer, als wenn Jakob um die
Beendigung des Kampfes bittet. Dieses Verständnis scheint in
Übereinstimmung mit dem ersten Chiasmus zu stehen, in dem es Jakob
letztendlich nicht gelingt, mit seiner Familie „hinüber zu
kommen“. Wenn also einer von beiden, irgendwo anders hin will, dann
ist derjenige Jakob und nicht „der Mann“.
Entscheidend ist erneut die Art unseres
eigenen Schlussfolgerns. Wiederum konnten wir kein eindeutiges Urteil
fällen. Zunächst sind wir dem roten Text nach unten gefolgt und
haben rückwärts geschlussfolgert. Alsdann sind wir dem grünen Text
aufwärts nachgegangen und haben ebenfalls rückwärts
geschlussfolgert. Erneut hat die bestmögliche Überlegung ergeben,
dass wir je nach Text zwei gegensätzliche Ergebnisse erzielten.
Die zweite Parallelstruktur weist hingegen keine weiteren Probleme auf. Stets ist der Text verständlich und man erkennt, wer gerade welche Äußerung wem gegenüber tätigt.
6.6) Zusammenfassend kann deshalb
gesagt werden, dass die kritischsten Stellen der Jabbokserzählung
die folgenden sind:
Zwei Klauseln, in denen nicht eindeutig
feststellbar ist, wer Subjekt ist, und bei denen man zu
unterschiedlichen Auslegungsergebnissen gelangt, wenn man einerseits
den Sinnzusammenhang des grünen und andererseits des geröteten
Textes heranzieht:
B - Und er
sah, dass nicht er vermochte ihm.
- Und er
sagte: Entsende mich, denn heraufgekommen
ist die Dämmerung.
Der Sinnbruch im Übergang des grünen
Textes zum geröteten Text:
A' - und wurde
ausgerenkt die Pfanne der Hüfte Jakobs in seinem Ringen mit ihm.
- Und er
sagte: Entsende mich, denn heraufgekommen
ist die Dämmerung.
Die Beziehung zwischen der Nennung der
„Söhne Israels“ im grünen Text und der Namensgebung „Israel“
im geröteten Text auf der Strukturebene:
B – Auf
Grund dessen nicht essen die Söhne Israels die Sehne des Spanns,
c - Und er
sagte: Nicht Jakob soll weiterhin gesagt werden dein Name, denn es
sei Israel,
...
Die doppeldeutige Begründung im
letzten Chiasmus:
A - Und er
hinkte auf seiner Hüfte.
... B – Auf
Grund dessen nicht essen
die Söhne Israels die Sehne des Spanns,
... B' - welche
auf der Pfanne der Hüfte ist, - bis zu diesem Tag.
A' - Denn
er schlug auf die Pfanne der Hüfte Jakobs, die Sehne des Spanns.
Die ersten beiden Punkte liegen im Text
recht nahe beieinander. Ebenso die letzten zwei Punkte.
_________________________________________________________________________
Damit enden meine Überlegungen und der
nächste Punkt 7) enthält die Lösung.
7) Lösung
7.1) Der mutige Gedankensprung
Er besteht in der Überlegung, dass die
Erzählung vom Jabbokskampf nicht nur ein geistlicher Text ist,
sondern daneben auch – und zwar im wörtlichen Sinne - ein Rätsel
darstellt, das vom Leser gelöst werden soll.
Dem Leser ist mit dem Rätsel die
gleiche Aufgabe gestellt wie Jakob, nämlich „hinüber zu gehen“.
Der erste Chiasmus sagt dem Leser, wie
er diese Aufgabe lösen kann. Wenn er im Text den „Übergang des
Jabbok“ findet, wird er hinüber gelangen. Versucht der Leser
hingegen, über den „Fluss“ hinüber zu setzen, wird er scheitern
und die Aufgabe ist nicht gelöst.
Der dritte Chiasmus erläutert dem
Leser das Problem, verwendet dafür aber eine andere Metapher,
nämlich die „Hüfte Jakobs“. Diese ist ausgerenkt, was
bedeutet, dass der „Übergang des Jabbok“ im Text „entzwei“
ist. Der Leser, der dem normalem Textverlauf (dem „Fluss“) folgt,
wird hingegen nicht hinüber kommen.
7.2) Der kühne Dreh
Die Folge der Verrenkung ist, dass die
12 Klauseln des geröteten Textes (die 12 „Söhne Israels“) nicht
mit dem „richtigen“ Übergang (der „Sehne des Spanns“, welche
über der „Pfanne des Hüfte“ ist) verbunden sind.
Der kühne Dreh besteht darin, den
roten Text mit dem grünen an der „richtigen“ Stelle zu verbinden
und so die „Hüfte Jakobs wieder einzurenken“. Für diese
richtige Verknüpfung enthält die B-Klausel des ersten Chiasmus den
„Bauplan“:
B - und er
nahm seine zwei Frauen und seine zwei Mägde und seine eins und zehn
Kinder
Die 12 Klauseln des geröteten Textes
sind danach um eine Klausel auf 11 zu reduzieren, gleichzeitig müssen
auf der anderen Seite 5 Klauseln eines Chiasmus stehen (Jakob + 2
Frauen + 2 Mägde). Dies gelingt, wenn die erste Klausel des
geröteten Textes in die Mitte des zweiten grünen Chiasmus als
C-Klausel hineingeschoben wird, wodurch auch der Bruch auf der
Sinnebene behoben ist.
A - Und rang
ein Mann mit ihm bis zum Heraufkommen
der Dämmerung.
... B - Und er
sah, dass nicht er vermochte ihm. (Die Sehne
des Spanns)
................... C
- Und er sagte: Entsende mich, denn heraufgekommen
ist die Dämmerung.
... B' - Und er
schlug auf die Pfanne seiner Hüfte (Die Pfanne der
Hüfte)
A' - und wurde
ausgerenkt die Pfanne der Hüfte Jakobs in seinem Ringen mit ihm.
Schafft der Leser dies, konnte das Rätsel gegen
ihn nichts ausrichten („Er sah, dass nicht er vermochte
ihm“), und der Leser ist auf die rote Textseite „hinübergegangen“.
Dort wartet die Anerkennung des Dichters auf ihn („Du hast
vermocht“) und dessen Segen. Gelingt es ihm nicht, war es der
Leser, der nichts ausrichten konnte (deshalb die Doppeldeutigkeit der
B-Klausel). Er verbleibt dann auf der grünen Seite, wo ihn der
„Schlag“ des Dichters erwischt.
Und wenn dabei versehentlich der Kopf
getroffen wird, kann man sogar Flussgeister, Dämonen und Kobolde
sehen ...
Nach der Nacht am Jabbok verzichtet
Jakob auf die Durchführung seines ausgeklügelten Plans, mit dem er
Esaus Zorn beschwichtigen wollte. Anstatt hinter seinem gesamten
Tross von Geschenken und seiner Familie hinterherzulaufen, (um – so
wörtlich in 32:6 – Esaus Angesicht zu bedecken), geht er bei der
Begegnung mit seinem älteren Bruder nun offen voran. Esaus Worte in 33:6 scheinen Jakobs ursprüngliche Absicht milde zu verspotten: "Was willst du mit all den Herden, denen
ich begegnet bin?"
In der Fremde
hatte Jakob bereits ein erstaunliches Durchhaltevermögen bei der
Werbung um Rahel und im Dienst bei seinem Onkel Laban bewiesen. Ich
glaube, in jener Nacht am Jabbok lernte Jakob, sein Vertrauen in Gott
zu setzen und nicht mehr in seine feinen Listen.
Mit seinem Rätsel wollte jener alte
Meister der hebräischen Erzählkunst den Leser die gleiche Erfahrung
machen lassen. Er
wollte ihm das Gleiche abverlangen und ihn das Gleiche lehren:
Vertrauen und Durchhaltevermögen in einer zunächst unüberwindbar scheinenden
Situation.
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