Mein Eindruck ist, dass das
Markusevangelium die Figur von Johannes dem Täufer in drei Punkten
in auffälliger Weise „ausschmückt“ und „positioniert“. In
allen drei Fällen weist die Figur des Täufers auf Jesus hin, sowohl
auf Unterschiede als auch auf Gemeinsamkeiten der beiden. Die
literarischen Mittel, die Markus hierzu verwendet, kann man als
„Wiederholung“ und „Parallelisierung“ (einschließlich der
Unterschiede) bezeichnen.
Passion des Täufers - via vultuschristi.org |
Während der von Markus beabsichtigte
Sinn des dritten Themenkomplexes, die Parallelisierung der Passion
des Täufers und von Jesus, greifbar erscheint, „irritieren“ die
ersten beiden Fälle, weil deren Bedeutung auf den ersten Blick eher
dunkel und vielleicht gar kurios anmutet.
1) Wenn es im Markusevangelium Mystik
(oder zumindest einen starken Symbolismus) gibt, so ist Gegenstand dieser
Mystik die Nahrung und Kleidung Jesu´. Offensichtlich ist diese
Eigenart in Bezug auf das (nicht nur) beim Abendmahl ausgeteilte Brot
und den ausgeschenkten Wein. Bei näherer Betrachtung bemerkt man
zugleich, dass auch die Gewänder von Jesus quer durch das Evangelium
mit einer starken symbolischen Bedeutung aufgeladen sind.
Bei einem Vergleich des Täufers mit
Jesus in Fragen der Nahrung und Kleidung zeigt sich, dass Markus
zwischen beiden deutliche Unterschiede gezeichnet hat.
Johannes | Jesus | |
Nahrung | Mk 1,6 Johannes ... aß Heuschrecken und wilden Honig | Mk 14,22ff Und als sie aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brach's und gab's ihnen und sprach: Nehmet; das ist mein Leib. Und er nahm den Kelch, dankte und gab ihnen den; und sie tranken alle daraus. Und er sprach zu ihnen: Das ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird. |
Kleidung | Mk 1,6 Johannes aber trug ein Gewand aus Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine Lenden |
Mk 5,27 Als die von Jesus hörte,
kam sie in der Menge von hinten heran und berührte sein Gewand.
Denn sie sagte sich: Wenn ich nur seine Kleider berühren könnte,
so würde ich gesund.
Mk 6,56 Und wo er in Dörfer, Städte
und Höfe hineinging, da legten sie die Kranken auf den Markt und
baten ihn, dass diese auch nur den Saum seines Gewandes berühren
dürften; und alle, die ihn berührten, wurden gesund.
Mk 15,16f Die Soldaten aber ...
zogen ihm einen Purpurmantel an und flochten eine Dornenkrone und
setzten sie ihm auf
Mk 15,24 Und sie kreuzigten ihn. Und
sie teilten seine Kleider und warfen das Los, wer was bekommen
solle.
Mk 15,45f ... gab er Josef den Leichnam. Und der kaufte ein
Leinentuch und nahm ihn ab und wickelte ihn in das Tuch und legte
ihn in ein Grab |
Einerseits ist deutlich, dass die
Nahrung und Kleidung des Täufers nicht über eine „Alltagsfunktion“
hinausreicht, während es sich bei Jesus´ Kleidung und Nahrung
zugleich um symbolische Objekte handelt. Andererseits sind Kleidung
und Nahrung des Täufers „tierische“ (selbst der durch Bienen
gesammelte Honig) und unzubereitete Produkte (wörtlich heißt es:
Und war der Johannes gekleidet [in] Haaren Kamels ...), während
Jesus eher mit pflanzlichen Produkten (Brot, Wein, Leinen) assoziiert
ist, die zudem einen Herstellungsprozess durchlaufen mussten.
Beide Motive kehren auch bei der Frage
nach dem Fasten in Mk 2,18ff wieder.
Vergleich der Jünger des Johannes mit
Jesus´ Jüngern
„Und die Jünger des Johannes und die
Pharisäer fasteten viel; und es kamen einige, die sprachen zu ihm:
Warum fasten die Jünger des Johannes und die Jünger der Pharisäer,
und deine Jünger fasten nicht? Und Jesus sprach zu ihnen: Wie können
die Hochzeitsgäste fasten, während der Bräutigam bei ihnen ist?
Solange der Bräutigam bei ihnen ist, können sie nicht fasten. Es
wird aber die Zeit kommen, dass der Bräutigam von ihnen genommen
wird; dann werden sie fasten, an jenem Tage.“
Kleidung
„Niemand flickt einen Lappen von
neuem Tuch auf ein altes Kleid; sonst reißt der neue Lappen vom
alten ab und der Riss wird ärger.“
Nahrung
„Und niemand füllt neuen Wein in
alte Schläuche; sonst zerreißt der Wein die Schläuche und der Wein
ist verloren und die Schläuche auch; sondern man soll neuen Wein in
neue Schläuche füllen.“
Markus will in diesen Abschnitten
offenbar eine Unterscheidung zwischen Johannes und Jesus geltend
machen, bei der Johannes eher als das „Althergebrachte“ und Jesus
als das „Neue“ dargestellt ist.
2) Die zweite Thematik betrifft die
Frage nach Jesus´ „Identität“.
Herodesbekenntnis(Mk6,14ff) | Petrusbekenntnis(Mk8,27ff) |
14 Und es kam dem König Herodes zu Ohren; denn der Name Jesu war nun bekannt. | 27 Und auf dem Wege fragte er seine Jünger und sprach ...: Wer, sagen die Leute, dass ich sei? |
Und die Leute sprachen: Johannes der Täufer ist von den Toten auferstanden; darum tut er solche Taten. | 28 Sie antworteten ihm: Einige sagen, du seist Johannes der Täufer; |
15 Einige aber sprachen: Er ist Elia; | einige sagen, du seist Elia; |
andere aber: Er ist ein Prophet wie einer der Propheten. | andere, du seist einer der Propheten. |
16 Als es aber Herodes hörte, sprach er: Es ist Johannes, den ich enthauptet habe, der ist auferstanden. | 29 Und er fragte sie: Ihr aber, wer, sagt ihr, dass ich sei? Da antwortete Petrus und sprach zu ihm: Du bist der Christus! |
Erneut ist hier die von Markus bewusst herausgearbeitete Parallelisierung
dieser Stellen offensichtlich.
Am bemerkenswertesten erscheint
vielleicht sogar die gemischte Meinung des „Volkes“. Obwohl dessen
Ansichten (Täufer, Elia, Prophet) für den Leser augenscheinlich unrichtig sind (Jesus begegnet dem Täufer bei der Taufe in Mk 1,9 und Elia in Mk
9,4), scheinen sie andererseits in der Tendenz durch Markus im
Gleichnis von den Weinbauern (Mk 12,1ff) am stärksten bestätigt zu
werden. Jesus wird dort als Sohn und letzter Gottesgesandte in die
Reihe der verfolgten Propheten gestellt, während Herodes und Petrus
diesen Punkt augenscheinlich verkennen bzw. letzterer ihn auch nicht
wahrhaben will.
3) Dieses Thema leidet zum dritten
Komplex über: die Parallelisierung der Passion von Johannes und
Jesus.
In Leidensweg und Tod des Täufers und
Jesus begegnet dem Leser eine Fülle von Wiederholungen von Wörtern,
Phrasen und Motiven.
Die Opfer und ihr Tod
- Johannes (Mk 6,17) und Jesus (Mk
3,21; 12,12; 14,1.44.46) werden beide „ergriffen“ bzw. sollen
„ergriffen werden“ (κρατέω – krateó)
- Johannes (Mk 6,17) und Jesus (Mk
15,1) werden beide „gebunden“ (δέω - deó)
- Johannes (Mk 1,14) und Jesus (Mk
3,19; 9,31; 10,33; 14,10.11.18.21.41.42.44; 15,1.10.15) werden beide
„übergeben“ bzw. „überantwortet“ (παραδίδωμι -
paradidómi)
- beider „Leichnam“ (πτῶμα –
ptōma), der von Johannes (Mk 6,29) und Jesus (Mk 15,43.46), wird
genommen und „in ein Denkmal, eine Erinnerungsstätte (ἐν
μνημείῳ - en mnēmeiō) gelegt“ (τίθημι – tithémi)
- beide erleiden einen Tod, der vor dem
biblischen Hintergrund nur schlimmsten Übeltätern zukommt (Johannes
wird wie Holofernes im Buch Judith enthauptet, Jesus wird wie Haman
Hammedata im Buch Esther gekreuzigt – die Septuaginta verwendet in
Esther 7,9 und 8,12r das Wort für „kreuzigen“ [σταυρόω -
stauroó])
- Jesus spielt sowohl im Gleichnis von
den Weingärtnern (Mk 12,4.6) als auch in der Ölbergrede (Mk 13,9)
auf das Schicksal und den Tod von Johannes und Jesus an
Die Entscheidungsträger
- die Entscheidungsträger, Herodes und
Pilatus, wollen von sich aus weder Johannes (Mk 6,19f., 26) noch
Jesus (Mk 15,10.14) töten
- der Tötungsbefehl der
Entscheidungsträger wird nicht durch ihren
freien Willen bestimmt (Herodes ist durch den Eid gegenüber der
Tochter gebunden – Mk 6,23.26; Pilatus durch den Brauch, einen
Gefangenen freizugeben – Mk 15,6.8))
- mit dem Tötungsbefehl wollen beide
Entscheidungsträger auch die Anwesenden zufrieden stellen, bei
Herodes sind es die Gäste seiner Geburtstagsfeier (Mk 6,26) und bei
Pilatus das Volk (Mk 15,15)
- die Namen beider Entscheidungsträger
haben eine „kriegerische“ Doppelbedeutung (Herodes – der
„Heldenhafte“; Pilatus – der „Speer“) und werden von Markus
nie mit ihrem historisch vollständigen und korrekten Namen (Herodes
Antipas, Pontius Pilatus) und Titel („König Herodes“ statt des
historisch richtigen „Tetrarch“, nur „Pilatus“ statt Präfekt)
bezeichnet
Die Anstifter
- in beiden Fällen bewegen die
Anstifter starke Gefühle (Mk 6,19 Herodias „hat es in sich“
[ἐνεῖχεν – eneichen)], Mk 15,10 die Hohenpriester handeln
aus „Neid“)
- die Anstifter wünschen zu töten (Mk
6,19 Herodias; Mk 3,6; 14,1 Jesus Gegner), können dies aber zunächst
nicht (Mk 6,19; 14,2)
- die Tötung von Johannes (Mk 6,21)
und die Gefangennahme von Jesus (Mk 14,10) geschieht zu einem
Zeitpunkt, der von Markus als (Tag einer) „gute(n) Gelegenheit“
(εὔκαιρος – eukairos) bezeichnet wird
- die Anstifter leiten andere Personen
an, um die Tötungsabsicht bei dem Entscheidungsträger durchzusetzen
(Mk 6,24 Herodias ihre Tochter; Mk 15,11 die Hohenpriester das Volk)
Diese Darstellung zur Enhauptung des Johannes muß in gewaltigem Maße angezweifelt werden ! Denn die Gerichtsbarkeit zum Töten eines Menschen , in diesem Falle Johannes , lag ausschließlich beim römischen Landpfleger Pilatus ! Hätte dieser jüdische König Herodes diese Untat , wenn auch nur aus Jux und Dollerei , oder eben aus Liebe zu seinen Familienangehörigen veranlasst , so wäre er beim römischen Prokurator Pilatus wegen Kompetenzüberschreitung in Ungnade gefallen und wäre deswegen selber ans Kreuz genagelt worden ! Huier sehen wir also ganz klar ::: Eine schwindelerregende Darstellung des Evangelienschreibers , eine Unglaubwürdigkeit vom Allergröbsten ..... Also nix Märtyrer -- Ereignis ......
AntwortenLöschenDanke für Ihren Kommentar Herr Popp. Um ganz ehrlich zu sein, ich selbst glaube nicht, dass die Darstellung "in gewaltigem Maße angezweifelt werden muss". Sie scheinen die traditionelle Meinung zu teilen, dass es die Absicht von Markus gewesen sei, der Leser möge seine Schilderung als historischen Tatsachenbericht lesen. Ich halte seine Geschichte schlicht für eine theologisch-philosophische Erzählung und störe mich daran genauso wenig wie über Homer oder Goethe, die beide doch auch keine historischen Biografien eines Königs von Ithaka oder des historischen Johann Faust schreiben wollten. Viele Grüße, Kunigunde
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