1) Gelegentlich, aber stets fröhlich
lästerte ich im vergangenen Jahr über manche Professoren und
sonstige Experten, die aus meiner Sicht ziemlichen Unsinn über das
Markusevangelium verzapften. Mit einem solchen Spaß will ich meinen
blog im Jahr 2014 auch beschließen und allen einen guten Rutsch
wünschen.
facepalm via wikicommons |
Es geht um den angeblich schlechten,
schlichten oder einfachen Stil von Markus, der sich vor allem durch
monotone Aneinanderreihungen (natürlich heißt es bei den
Professoren hochwissenschaftlich „Parataxe“) auszeichne, die
durch das Wörtchen καὶ (griechisch: und) verbunden sind. Es
handele sich dabei vermeintlich um eine typisch volkstümliche
Sprache. Immer wieder würde Markus einzelne Verse mit καὶ
beginnen und auch innerhalb des Verses häuften sich die καὶ's.
Nein, ein guter „Schriftsteller“ könne dieser Markus nicht sein,
höchstens ein primitiver „Schreiber“, da er doch bis zum
Überdruss das Wörtchen καὶ verwende: und, und dann, und
schließlich – so ginge es in einem fort. Welch ein Grauen für die
gebildete Professorenschaft!
2) Bevor etwas zur lachhaften
Absurdität dieses Einschätzung gesagt werden soll, möchte ich
zunächst einige dieser Professoren selbst zu Wort kommen lassen:
Wolfgang Fritzen, Von Gott verlassen?,
2008, S. 70
„Der Stil ist einfach, knapp und
volkstümlich: Das Griechisch des Markusevangeliums ist rau und von
Latinismen und Semitismen durchsetzt, kurze Parataxe mit καὶ und
δὲ herrscht vor, die Ausdrucksweise ist wenig vielseitig. Der
Autor scheint also nicht als Schriftsteller ausgebildet gewesen zu
sein. Mehr noch: Seine Sprache und sein Stil mussten in den Augen der
damaligen gebildeten Oberschicht als indiskutabel gelten.“
Edgar Reuber „Handbuch zum
Markus-Evangelium“, 2007, S. 191
„Hier fällt als typisches Stilmittel
des Mk die unbeholfene Kai-Parataxe auf. Gleich vier Mal werden
Inhalte mit dem einfachen „und“ verbunden.“
Konstantinos Nikolakopoulos, Das Neue
Testament in der Orthodoxen Kirche, 2011, S. 122
„Die Sprache und der Stil des zweiten
synoptischen Evangeliums sind viel einfacher und volkstümlicher als
bei Mt und Lk. Der Satzbau ist sehr einfach. Die Satzbeiordnung
(Parataxe) beherrscht das ganze Evangelium; meist sind die Sätze
durch καὶ, seltener durch δὲ aneinandergereiht.“
Folkert Fendler, Studien zum
Markusevangelium, 1991, S. 47
„Die Sprache des Markusevangeliums
kann als einfach und volkstümlich bezeichnet werden.
Charakteristisch sind die kurzen Parataxen von Sätzen durch καὶ
und δὲ … kann zusammenfassend die Schlichtheit und
Volkstümlichkeit von Sprache und Stil des Markusevangeliums
festgehalten werden, die zwar die 'Höhe der sogenannten
literarischen Koine' nicht erreicht, wohl aber als literarischer Stil
bezeichnet werden muss.“
Hans Conzelmann, Andreas Lindemann nach
www.theologie-examen.de
„Sprache des Mk ist einfach, keine
griechische literarische Hochsprache. Parataxe (Aneinanderreihungen
von Sätzen mit „kai“) ist der Normalfall im Satzbau.
Zeitgenössische hellenistische Volksliteratur. Mt und Lk haben an
vielen verschiedenen Stellen verbessert.“
3) Warum ist dieses Urteil, das
offenbar von so vielen Professoren und Experten geteilt wird, einfach
nur albern?
Weil scheinbar noch keiner dieser
„Wissenschaftler“ jemals einen Blick in die Septuaginta, die
griechische Übersetzung der hebräischen Bibel, geworfen hat. Weil
Markus einfach bibelgriechisch (und nicht volkstümlich) schrieb und
er den Stil imitierte, der ihm in seinen heiligen Schriften
vorgegeben war. Weil er im Vergleich zu den Septuaginta-Übersetzern
in der Verwendung von καὶ bloßer Durchschnitt war. Weil er sich
im Gegensatz zu den anderen Evangelisten schämte, sich eines
profanen und weltlichen Stils zu bedienen, sondern jene spirituelle
Sprache pflegte, die er in der Septuaginta vorfand.
Nur eine zwanglose Auswahl:
Von den 31 Versen des ersten Kapitels
des Buches LXX-Genesis beginnen 29 mit καὶ, von den 28 Versen des
1. Kapitels im Buch LXX-1. Könige (1. Samuel) sind es 22 – um
zunächst zwei erzählende Texte zu nennen. Die Propheten bleiben
hier jedoch nicht grundsätzlich zurück: Im ersten Kapitel von
LXX-Jesaja beginnen 8 von 31 Versen mit καὶ, bei LXX-Jeremia sind
es 12 von 19 Versen. Nur zum Vergleich: Markus bringt es im ersten
Kapitel auf 31 καὶ-am-Anfang-Verse von insgesamt 45 Versen, liegt
damit also in der guten Mitte.
Guten Rutsch!
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