Alabastron via wikimedia |
Als was erscheint Jesus in Mk 14,1-11
eigentlich? Als „würdig“ gesalbter Christus, als von teurem
Duftöl „dekadent“ triefender Jesus oder als einbalsamierter
leidender Gottesknecht?
In meinem letzten Beitrag habe ich zu
vorschnell geurteilt. Ich hatte den Eindruck, dass gewisse
Doppeldeutigkeiten und Unbestimmtheiten der Erzählung sich auflösen
lassen und ihr Sinn in der Auslegung eindeutig „gemacht“ werden
kann.
Bei genauer Lektüre ist diese Annahme jedoch falsch. Markus
scheint den Leser zu zwingen, sich in die Szene zu vertiefen und aus
seiner schemenhaften Skizze einen Sinn zu "erarbeiten", der endgültig nicht festgelegt werden kann.
1) Zunächst ist bemerkenswert, mit
welcher Sorgfalt Markus den Text der Salbungsszene ausbalanciert hat
(Griechischer Grundtext am Schluss des Beitrags).
Darniederliegend er, kam eine Frau
habend ein Alabastron
kostbaren Öls von echter Narde.
Zerbrochen habend das Alabastron
niedergoß sie es auf seinen Kopf.
Auf der Textebene nehmen die Wörter
„niederliegend“ und „niedergießen“ aufeinander Bezug, ebenso
die im Kontrast von Beschützen und Zerstören stehenden Wörter
„habend, bewahrend“ und „zerbrochen habend“. Im Zentrum der
Szene steht nicht die Frau, sondern ein erstaunlich detailliert
bezeichnetes Öl, an dem sich die Diskussion entzündet.
2) Unbestimmheiten
Äußerlichkeiten der Frau (Name,
Herkunft, Alter, Status, Beziehungen zu Jesus oder zu den Anwesenden)
erfahren wir aus dem Markusevangelium nicht. Es scheint, als habe
Markus alle erläuternden Einzelheiten mit Absicht ausgeblendet, um
die ungeteilte Aufmerksamkeit des Lesers auf die Handlungen der Frau
und das Öl zu lenken.
Die Motive der Frau werden weder durch
sie noch durch Markus benannt. Ihre Beweggründe bleiben im Dunkeln.
3) Doppeldeutigkeiten
- nach dem Wortsinn
κατακειμένου
(darniederliegend – zu Tische liegend)
πιστικῆς (eigentlich
„überzeugend“, „glaubwürdig“, mehrheitlich mit „echt“
übersetzt)
πολυτελοῦς (kostbar im Sinne
von erlesen – wertvoll im Sinne von Geld)
- nach dem Handlungssinn
Handelt es sich um ein „vollkommenes
Opfer“ der Frau oder eine dekadente Verschwendung? Die Frau
„zerbricht“ das Alabastron und gießt den gesamten Inhalt über
den Kopf von Jesus, schätzungsweise also einen guten Viertelliter
wohlriechenden Öls. Jesus trieft hier von Öl, der Alabastron ist
unbrauchbar gemacht.
4) Christus
Christus (bzw. Messias) bedeutet der
„Gesalbte“. Hier nun ereignet sich eine Art Salbung. War sie
würdig? Was ist von dieser Salbung zu halten?
Leser, die eine hochherrliche
Messias-Salbung an Jesus erwarten (siehe hierzu z.B. 2. Könige 9),
werden – natürlich – von Markus enttäuscht. Der leidende
Gottesknecht wird nicht verherrlicht (Mk 8,27ff). Der markinische
Jesus selbst interpretiert die Salbung in Mk 14,8 deshalb als
vorweggenommenes Balsamieren (μυρίσαι) des (τὸ) Körpers
(σῶμά) in Vorbereitung seiner Bestattung.
Aber das Problem der Salbungsszene
sitzt viel tiefer. Es ist nämlich naheliegend (!), die Salbung (oder
besser Ölung) von Betanien als dekadente Ausschweifung zu verstehen
und in diesem Sinn haben es jene Anwesenden, die die Frau
beschimpfen, auch gesehen.
Durch die nachfolgende Diskussion ist
der Leser aufgerufen, sich die vorgebrachten Argumente zu durchdenken
und nicht vorschnell zu entscheiden. Er hat zunächst zu begreifen,
dass der Standpunkt derjenigen, die die Frau beschimpfen, im
Grundsatz berechtigt (!) ist.
5) Der griechische Grundtext Mk 14,3
κατακειμένου αὐτοῦ
ἦλθεν γυνὴ
ἔχουσα ἀλάβαστρον
μύρου νάρδου πιστικῆς
πολυτελοῦς,
συντρίψασα τὴν
ἀλάβαστρον
κατέχεεν αὐτοῦ τῆς
κεφαλῆς
κατακειμένου
(Niederliegend) αὐτοῦ (er, derselbe oder „für sich selbst“)
ἦλθεν (kam) γυνὴ (eine Frau)
ἔχουσα (habend, bewahrend,
bereit haltend) ἀλάβαστρον (ein Alabastron)
μύρου (mit Öl) νάρδου
(der Narde) πιστικῆς (echt, überzeugend → zu Narde)
πολυτελοῦς (kostbar, wertvoll → zu Öl)
συντρίψασα (Zerbrochen
habend) τὴν ἀλάβαστρον (das Alabastron)
κατέχεεν (niedergoß) αὐτοῦ
(des Selbigen) τῆς κεφαλῆς (des Kopfes).
Nun ja, wieder mal das alte Lied. Die Juenger haben Jesus nicht als den begriffen, der er ist, weshalb er des Oels nicht wuerdig ist. Und Judas erkennt ihn erst recht nicht und zieht aus der Verschwendung Konsequenzen. Das passt also ins Gesamtbild.
AntwortenLöschenJesus kommt hier aber tatsaechlich eher als "begossener Pudel" weg.
Danke für den Kommentar. Ja, iwie läuft´s wohl darauf hinaus. Ich taste mich aber trotzdem langsam ran und bin mir hie und da noch recht unsicher.
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