Dienstag, 3. Juni 2014

Das abwesende Lamm beim Abendmahl


via art-now-and-then.blogspot
Das Portal „Offene Bibel“ hatte sich in seinem „Markusprojekt“ zum Ziel gesetzt, dass Markusevangelium in einer neuen Bibelübersetzung zugänglich zu machen, die dem griechischen Urtext stärker verbunden ist und doch gute deutsche Formulierungen findet. Ein sehr lobenswertes Beispiel für die glückliche Neuübersetzung ist Markus 14,12:

Und am ersten Tag der ungesäuerten [Brote], als sie das Passah zu essen pflegten, sagen seine Jünger zu ihm: 'Wo willst du, dass wir hingehen und vorbereiten, dass du das Passah isst?'

Bemerkenswert und inhaltlich zutreffend an dieser Neuübersetzung ist, dass ein „Lamm“ im griechischen Urtext von Mk 14,12 nicht erwähnt wird. Alle herkömmlichen Bibelübersetzungen nennen hingegen ein „Lamm“ in Mk 14,12, obwohl es eben im griechischen Grundtext gar nicht auftaucht, z.B. die Luther: „Und am ersten Tage der Ungesäuerten Brote, als man das Passalamm opferte, sprachen seine Jünger zu ihm: Wo willst du, dass wir hingehen und das Passalamm bereiten, damit du es essen kannst?“

Markus schreibt stets nur, dass das „Passah“ gefeiert, das „Passah“ gegessen und das „Passah“ vorbereitet wird. Weder von einem „Lamm“ noch von einer Opferung im Tempel ist die Rede. Seinen Jüngern gibt der markinische Jesus genaue Anweisungen zur Vorbereitung des „Passah“ - Mk 14,13ff (Offene Bibel): „Und er sandte zwei seiner Jünger und sagt zu ihnen: „Geht in die Stadt, und euch wird ein Mann begegnen, der einen Krug Wasser trägt. Folgt ihm! Und wo auch immer er hineingeht, sagt zu dem Hausherrn: ‚Der Lehrer sagt: Wo ist mein Gästezimmer, wo ich das Passah mit meinen Jüngern esse?‘ Und er wird euch ein großes, möbliertes Dachzimmer zeigen, das bereit [ist]. Und dort bereitet [das Passahmahl] für uns vor!“ Auch diese Stelle enthält keinen Hinweis darauf, dass die Jünger ein Lamm im Tempel schlachten und opfern lassen sollen.

Auch im Übrigen gilt, dass Markus jede Nennung von Opferungen im Tempel und jede Erwähnung des regulären Tempeldienstes vermeidet. Die Beschreibung des Abendmahls macht deutlich, dass dies sicherlich kein eigenartiger Zufall, sondern strenge Absicht von Markus war. Warum aber vermeidet Markus jegliche Erwähnung des Tempeldienstes? Ich halte es mal wieder mit einer paulinischen Erklärung:


1. Kor 10,14 (Luther): „Die Unvereinbarkeit von Abendmahl und Götzendienst
Darum, meine Lieben, flieht den Götzendienst! Ich rede doch zu verständigen Menschen; beurteilt ihr, was ich sage. Der gesegnete Kelch, den wir segnen, ist der nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi? Das Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi? Denn "ein" Brot ist's: So sind wir viele "ein" Leib, weil wir alle an "einem" Brot teilhaben. Seht an das Israel nach dem Fleisch! Welche die Opfer essen, stehen die nicht in der Gemeinschaft des Altars? Was will ich nun damit sagen? Dass das Götzenopfer etwas sei? Oder dass der Götze etwas sei? Nein, sondern was man da opfert, das opfert man den bösen Geistern und nicht Gott. Nun will ich nicht, dass ihr in der Gemeinschaft der bösen Geister seid. Ihr könnt nicht zugleich den Kelch des Herrn trinken und den Kelch der bösen Geister; ihr könnt nicht zugleich am Tisch des Herrn teilhaben und am Tisch der bösen Geister. Oder wollen wir den Herrn herausfordern?


Markus hat bei der Beschreibung des letzten Abendmahls in seinem Evangelium offenbar die Vorgabe des 1. Korinthers streng beachtet und „seinen“ Jesus sorgfältig von allen Opferungen und Tempeldiensten ferngehalten. Aus diesem Grund wird man das Lamm beim letzten Abendmahl auch vergeblich suchen. Wer es „erfindet“ und „hinzudichtet“ - wie alle herkömmlichen deutschen Bibelübersetzungen – verkennt die markinische Absicht.

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