Montag, 7. April 2014

Konstruktion von „Welt“ bei Markus

Mögliche Vorstellung des
Lesers nach Mk 3,8

Teil 2 - Mk 1,21-3,8: Im Zentrum der Handlung und von Jesu´Wirken steht zunächst die „Stadt“ Kapernaum, dann „ganz Galiläa“. Doch Jesus´ Ruf breitet sich über die Grenzen der dem Leser bereits bekannten „Länder“ nach Idumäa sowie jenseits des Jordans und nach Tyros und Sidon aus. Der anfangs vorgegebene geografische „Rahmen“ scheint sich auf dem Landweg auszuweiten.

Mögliche Vorstellung des
Lesers nach Mk 5,20


Teil 3 - Mk 3,9-5,20: Obwohl nicht ausdrücklich benannt, stehen wohl weiterhin Kapernaum und Galiläa im Zentrum der Handlung. Unerwartet wird auch die „dritte Grenze“ von Galiläa, das Galiläische Meer, überwunden, als Jesus in Mk 4,35 das Kommando gibt „Lasst uns hinüberfahren.“ Der geografische Rahmen der Handlung weitet sich hier auf dem Seeweg in das dem Leser bis dahin unbekannte Land der Gerasener sowie in die Dekapolis aus.


Teil 2 - Mk 1,21-3,8

Der Leser wird in Mk 3,8 erneut darin bestärkt, dass Judäa und Jerusalem unterschiedliche „Länder“ sind. Die Einführung eines Landes „jenseits des Jordans“ nötigt den Leser, seine Vorstellungen vom Jordangebiet und der Lage von Judäa und Jerusalem zu korrigieren. Tyros, Sidon und Idumäa sind vom Leser in die Karte einzufügen.

Markus hatte den Leser zunächst mit den Ländern Galiläa, Judäa und Jerusalem als geografischem Rahmen bekannt gemacht. Indem die Handlung im Inneren Galiläas, vor allem in Kapernaum, spielt, wirkt die Ausweitung des dem Lesers bis dahin bekannten geografischen Rahmens auf Idumäa, ein Land jenseits des Jordans sowie Tyrus und Sidon etwas überraschend. Die Kartografie „wuchert“ jedoch eindeutig auf dem Landweg, da die Leute zu Jesus scheinbar „zu Fuß“ kommen (Mk 3,8): „kam/ging eine große Menge zu ihm.


Teil 3 - Mk 3,9-5,20

Die Vorstellungen des modernen Lesers und eines antiken Lesers, der sich in völliger Unkenntnis der realgeografischen Lage befindet, gehen in Teil 3 weit auseinander.

Der moderne Leser denkt an den „kleinen“ See von Genezareth, dessen Überquerung in Fischerbooten im Bereich des Möglichen liegt. Markus´ idealer Leser stellt sich ein „großes“ Meer von Galiläa vor, dessen Befahrung ihm gar nicht in den Sinn käme. Desto überraschender weitet sich der geografische Rahmen der Handlung nunmehr auf dem Seeweg aus. Ein Grund für die Überfahrt wird nicht genannt. Deutlich wird nur, wie die Menge und die ersten Unstimmigkeiten mit den Pharisäern Jesus Schritt für Schritt an und auf ein Boot im Meer drängen – Mk 3,7; Mk 3,9; Mk 4,1.

Über einen Landweg von Galiläa zum Land der Gerasener und in die Dekapolis weiß der Leser noch nichts. Die Entscheidung der Frage, ob das „Land der Gerasener“ zur Dekapolis dazugehört, erscheint nicht unproblematisch. Näher dürfte die Annahme liegen, dass der Leser Gerasa zur Dekapolis dazuzählt.

Der moderne Leser, der das Evangelium gedanklich in den realgeografischen Rahmen einfügt, dürfte hier den von Markus beabsichtigten Sinn der Erzählung „verfehlen“. Für den „richtigen“ Leser stellt die Überfahrt auf dem Meer eine überraschende Wendung wie in einem Kriminalroman dar, mit der vorher nicht ansatzweise zu rechnen war.


Konstruktion von „Welt“ bei Markus

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