Mögliche Vorstellung des Lesers nach Mk 3,8 |
Teil 2 - Mk 1,21-3,8: Im Zentrum der Handlung und von
Jesu´Wirken steht zunächst die „Stadt“ Kapernaum, dann „ganz
Galiläa“. Doch Jesus´ Ruf breitet sich über die Grenzen der dem
Leser bereits bekannten „Länder“ nach Idumäa sowie jenseits des
Jordans und nach Tyros und Sidon aus. Der anfangs vorgegebene
geografische „Rahmen“ scheint sich auf dem Landweg auszuweiten.
Mögliche Vorstellung des Lesers nach Mk 5,20 |
Teil 3 - Mk 3,9-5,20:
Obwohl nicht ausdrücklich benannt,
stehen wohl weiterhin Kapernaum und Galiläa im Zentrum der Handlung.
Unerwartet wird auch die „dritte Grenze“ von Galiläa, das
Galiläische Meer, überwunden, als Jesus in Mk 4,35 das Kommando
gibt „Lasst uns hinüberfahren.“ Der geografische Rahmen der
Handlung weitet sich hier auf dem Seeweg in das dem Leser bis dahin
unbekannte Land der Gerasener sowie in die Dekapolis aus.
Teil 2 - Mk 1,21-3,8
Der Leser wird in Mk 3,8 erneut darin
bestärkt, dass Judäa und Jerusalem unterschiedliche „Länder“
sind. Die Einführung eines Landes „jenseits des Jordans“ nötigt
den Leser, seine Vorstellungen vom Jordangebiet und der Lage von
Judäa und Jerusalem zu korrigieren. Tyros, Sidon und Idumäa sind
vom Leser in die Karte einzufügen.
Markus hatte den Leser zunächst mit
den Ländern Galiläa, Judäa und Jerusalem als geografischem Rahmen
bekannt gemacht. Indem die Handlung im Inneren Galiläas, vor allem
in Kapernaum, spielt, wirkt die Ausweitung des dem Lesers bis dahin
bekannten geografischen Rahmens auf Idumäa, ein Land jenseits des
Jordans sowie Tyrus und Sidon etwas überraschend. Die Kartografie
„wuchert“ jedoch eindeutig auf dem Landweg, da die Leute zu Jesus
scheinbar „zu Fuß“ kommen (Mk 3,8): „kam/ging eine große Menge zu
ihm.“
Teil 3 - Mk 3,9-5,20
Die Vorstellungen des modernen Lesers
und eines antiken Lesers, der sich in völliger Unkenntnis der
realgeografischen Lage befindet, gehen in Teil 3 weit auseinander.
Der moderne Leser denkt an den
„kleinen“ See von Genezareth, dessen Überquerung in
Fischerbooten im Bereich des Möglichen liegt. Markus´ idealer Leser
stellt sich ein „großes“ Meer von Galiläa vor, dessen Befahrung
ihm gar nicht in den Sinn käme. Desto überraschender weitet sich
der geografische Rahmen der Handlung nunmehr auf dem Seeweg aus. Ein
Grund für die Überfahrt wird nicht genannt. Deutlich wird nur, wie
die Menge und die ersten Unstimmigkeiten mit den Pharisäern Jesus
Schritt für Schritt an und auf ein Boot im Meer drängen – Mk 3,7; Mk 3,9;
Mk 4,1.
Über einen Landweg von Galiläa zum
Land der Gerasener und in die Dekapolis weiß der Leser noch nichts.
Die Entscheidung der Frage, ob das „Land der Gerasener“ zur
Dekapolis dazugehört, erscheint nicht unproblematisch. Näher dürfte
die Annahme liegen, dass der Leser Gerasa zur Dekapolis dazuzählt.
Der moderne Leser, der das Evangelium
gedanklich in den realgeografischen Rahmen einfügt, dürfte hier den
von Markus beabsichtigten Sinn der Erzählung „verfehlen“. Für
den „richtigen“ Leser stellt die Überfahrt auf dem Meer eine
überraschende Wendung wie in einem Kriminalroman dar, mit der vorher
nicht ansatzweise zu rechnen war.
Konstruktion von „Welt“ bei Markus
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