Mittwoch, 24. August 2016

Mk-Einführung: Was ist das „Messiasgeheimnis“?

Streng geheim!
Falsches und Richtiges zu diesem Begriff

Falsch:
Das „Messiasgeheimnis“ ist eine Theorie über das Markusevangelium von William Wrede.

Richtig:
Der Begriff „Messiasgeheimnis“ bezeichnet keine „Theorie über“, sondern ein wiederkehrendes Thema im Markusevangelium. Es findet sich in vielen einzelnen Geboten, Handlungen und Lehrinhalten von Jesus, die auf eine „Geheimhaltung“ zielen.

Wie das Stichwort „Bekenntnis des Petrus“ auf den Vers Mk 8:29 verweist („Da antwortete Petrus und sprach zu ihm: Du bist der Christus!“), so der Begriff „Messiasgeheimnis“ auf eine Vielzahl von Versen; zum Beispiel auf die Antwort von Jesus auf eben dieses Petrusbekenntnis (Mk 8:30 „Und er gebot ihnen, dass sie niemandem von ihm sagen sollten.“)

Dieses Gebot von Jesus „dass sie niemandem von ihm sagen sollten“ hat die Bibelwissenschaft als ein Gebot zur „Geheimhaltung“ verstanden. Das Wort „Messias“ leitet sich aus dem Aramäischen ab und ist im Griechischen mit dem Wort „Christos“ übersetzt. „Messiasgeheimnis“ meint daher bezogen auf den Vers Mk 8:30, dass die Jünger nicht von Jesus als dem Christus (Messias) sprechen, sondern dies eben „geheim“ halten sollen.

In der Bibelwissenschaft wurde diese Thematik bereits vor William Wrede in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts umfangreich diskutiert. Der Hintergrund war folgender:

Obwohl das Markusevangelium von einer Vielzahl von Schweigegeboten und Geheimhaltungen berichtet, wird der Sinn und Zweck dieser „Geheimnistuerei“ vom Evangelisten Markus nicht angegeben. Es stellt sich daher die Frage nach dem Warum. Diese Frage ist nicht nur ein Verständnisproblem, sondern betrifft auch das Selbstverständnis des christlichen Glaubens. Seit nahezu 2000 Jahren verkünden und bekennen Christen in aller Welt, dass Jesus der Christus ist und leiten ihren Namen von diesem Titel ab. Wie kann es dann sein, dass ausgerechnet Jesus Christus seinen Jüngern verbot, von ihm als dem Christus sprechen?

Auf diese Frage versuchten Gelehrte des späten 19. Jahrhunderts eine Antwort zu geben und bezeichneten das von ihnen diskutierte Problem mit dem Begriff „Messiasgeheimnis“.

Mittwoch, 10. August 2016

Der Mensch mit der verdorrten Hand und die Steuern für Cäsar


1) Man würde wohl eher nicht vermuten, dass zwischen der Erzählung von der Heilung des Menschen mit der verdorrten Hand (Mk 3:1ff) und der Frage nach den Steuern für Cäsar (Mk 12:13ff) ein sehr enger Zusammenhang besteht. Wenn man sich in die Einzelheiten vertieft, sind die Verbindungen zwischen beiden Perikopen des Markusevangeliums jedoch offensichtlich.

Eine "verdorrte" Hand?
Die Ausgangslage
Die „Herodianer“ kommen als Personen und als Wort nur in diesen beiden Perikopen vor (Mk 3:6, 12:13) und werden jeweils gemeinsam mit den Pharisäern genannt. Die Gegner versuchen beide Male, Jesus in eine Falle zu locken, die sich um eine Rechtsfrage dreht. (Mk 3:2 Und sie lauerten auf ihn, ob er ihn am Sabbat heilen würde, damit sie ihn anklagen könnten. - Mk 12:13 Und sie senden einige der Pharisäer und der Herodianer zu ihm, um ihn in der Rede zu fangen.)

Die Durchführung
In beiden Perikopen wird eine Frage gestellt, welche mit „Ist es erlaubt …(ξεστιν – Exestin) beginnt, es handelt sich jeweils um eine „oder“-Frage und sie enthält eine Art Wiederholung. (Mk 3:4 Ist es erlaubt, am Sabbat Gutes zu tun oder Böses zu tun, das Leben zu retten oder zu töten? Mk 12:14 Ist es erlaubt, dem Kaiser Steuer zu geben oder nicht? Sollen wir sie geben oder nicht geben?)
via wikimedia: Denar mit Abbild des göttlichen Cäsar

In der ersten Perikope steht ein einzelner Fall zu Diskussion (Heilung dieses Menschen am Sabbat), aber Jesus verteidigt sich mit einer allgemeinen Rechtsfrage („Ist es erlaubt, am Sabbat Gutes zu tun oder Böses zu tun …“). In der zweiten Perikope wird eine allgemeine Rechtsfrage aufgeworfen („Ist es erlaubt, Steuern zu zahlen …“), aber Jesus entscheidet sie an einem einzelnen Fall ("Bringt mir einen Denar, damit ich ihn sehe! … Wessen ist dieses Bild und die Aufschrift? Sie aber sagten … Des Kaisers.")

Das Ergebnis
Jesus’ Gegner sind in beiden Perikopen auf „menschliches“ Recht fokussiert, verstoßen dabei aber gegen die 10 Gebote. In der ersten Erzählung beschließen sie, Jesus zu töten, in der zweiten bringen sie einen römischen Denar mit dem Abbild des „vergöttlichten“ Cäsar in den Tempel und entweihen damit das Heiligtum.


2) Meines Erachtens ist diese sehr sorgfältige Gestaltung von Markus kein bloßes Spiel. Mir scheint, dass das Verständnis der einen Perikope für den Leser hilfreich ist, um die jeweils andere besser zu verstehen und dabei vor allem einen bestimmten Punkt, der nicht sofort offensichtlich ist.

Meinem Eindruck nach soll der Leser der Erzählung von der Heilung der verdorrten Hand nämlich verstehen, dass die Hilfebedürftigen der Geschichte auch die Pharisäer sind und dass das Heilshandeln von Jesus auch auf diese gerichtet ist.