Rembrandt via commons.wikimedia |
1) Der Titel dieses Beitrags ist
zugleich ironisch und ernsthaft gemeint. Ironisch, weil die Heilungen
im Markusevangelium nicht mittels eines Systems medizinischen Wissens
und ärztlicher Behandlungsmethoden erläutert werden können.
Ernsthaft, weil man gleichwohl Muster, Wiederholungen und
Zusammenhänge in den markinischen Heilungserzählungen erkennen
kann, die auf eine mögliche Logik hindeuten.
Man kann beispielsweise drei
wiederkehrende Behandlungsmethoden feststellen, die der markinische
Jesus mit seinen Händen ausführt:
- an der Hand festhalten (κρατέω
τῆς χειρός) und aufstehen lassen (ἤγειρεν)
- anrühren oder berühren (ἅπτομαι)
- Auflegen der Hand (ἐπιτίθημι
τὴν χεῖρα)
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Die handelnden Personen im
Markusevangelium scheinen sich indes über die Bedeutung der
jeweiligen Behandlung nicht ganz im Klaren zu sein. Mehrfach wird
Jesus von Menschen gebeten, eine bestimmte Behandlungsmethode an
einem Patienten anzuwenden, er selbst entscheidet sich jedoch für
eine andere.
So bringt man in Bethsaida einen
Blinden zu Jesus mit der Bitte, diesen „anzurühren“ – Mk 8,22.
Jesus wird jedoch auf dessen Augen die „Hände auflegen“. Zur
Heilung des Taubstummen in Mk 7,31ff wird Jesus umgekehrt gebeten,
diesem die „Hände aufzulegen“, aber Jesus u.a. „rührte an“
seine Zunge. Ebenso bittet der Synagogenvorsteher Jairus in Mk 5,22,
dass Jesus sein im Sterben liegendes Töchterlein durch „Auflegen
der Hand“ vor dem Tod bewahre. Jesus wird sie jedoch „an der Hand
festhalten“ und zu ihr sagen „Steh auf“. Auch außerhalb der
Heilungsgeschichten begegnet uns ein solches Missverständnis. Bei
der Segnung der Kinderchen in Mk 10,13 soll Jesus diese „anrühren“,
aber er wird ihnen „die Hände auflegen“.
Mir scheint jedenfalls, dass Markus
durch diese Irrtümer den Leser dazu einlädt, sich die Sache etwas
näher anzuschauen.
2) Ganz allgemein kann man vielleicht
sagen, dass das Markusevangelium - unter Außerachtlassung der
Exorzismen - zwei unterschiedliche Typen von Heilungserzählungen
enthält.
So gibt es Szenen, die Markus
realistischer schildert, in denen auf den Patienten und die weiteren
beteiligten Personen näher eingegangen werden. In diesen Szenen
stehen die Heilung und Heilbehandlung nicht im Mittelpunkt der Szene.
Bei der „Heilung“ des blinden
Bartimäus in Mk 10,46ff war dies deutlich. Letztlich war es
überhaupt keine Heilungsgeschichte, sondern der Text kreiste um die
Themen von Jüngerschaft und Nachfolgeruf, eine Heilbehandlung wurde
nicht erwähnt. In vergleichbarer Weise steht bei der Heilung des
Gelähmten in Mk 2,1ff die Frage der Vergebung von Sünden im
Vordergrund. Der Gelähmte scheint nach der Erzählung „nur“
deshalb von Jesus geheilt zu werden, damit alle Anwesenden verstehen
können, dass dessen Verfehlungen vergeben sind – Mk 2,10: „Damit
ihr aber wisst, dass der Menschensohn Vollmacht hat, Sünden zu
vergeben auf Erden - sprach er zu dem Gelähmten: Ich sage dir, steh
auf, nimm dein Bett und geh heim! Und er stand auf, nahm sein Bett
und ging alsbald hinaus vor aller Augen ...“. In der Szene der
Wiederherstellung der vertrockneten Hand in Mk 3,1ff liegt die
Betonung auf der Auseinandersetzung mit den Pharisäern über die
Frage des Erlaubtseins der Sabbatheilung, nicht auf der Heilung an
sich. Zugleich erklärt Jesus in einer Nichtheilungsgeschichte in Mk 2,17 anlässlich des Festmahls mit Sündern und Zöllnern, dass er
hier als Arzt tätig sei.
Andererseits gibt es zwei Szenen, in
denen die Heilung und Heilbehandlung das Zentrum bildet, nämlich die
Heilung des Taubstummen aus der Dekapolis in Mk 7,31ff und des
Blinden aus Bethsaida in Mk 8,22ff. In diesen dunklen und
rätselhaften Szenen erfahren wir indes nichts Näheres über die
Patienten, noch etwas über diejenigen, die die Patienten zu Jesus
begleiten. In beiden Szenen heißt es knapp: „sie brachten zu ihm
einen, der … und baten ihn, dass er …“. Alsdann wird die
Heilbehandlung detailliert beschrieben.
Besonders auffällig erscheint unter
den Heilungserzählungen die Schilderung der Heilung der blutenden
Frau und der Erweckung des Töchterleins des Synagogenvorstehers –
Mk 5,21ff, die im berühmten markinischen Sandwich verklammert sind.
Zunächst liegt das Töchterlein im Sterben, die Zeit drängt, der
Vater bittet flehentlich. Offenbar hat es Jesus aber gar nicht so
eilig. Viel wichtiger, so scheint es jedenfalls, war es ihm, zunächst
die Frau in der drängelnden Menge ausfindig zu machen, die heimlich
sein Gewand „anrührte“, um von ihrem 12jährigen Blutfluss zu
genesen. Markus geht hier detailliert auf die Frau, ihre Leiden,
Erwartungen und Gefühle ein. Erst nachdem sie zu Jesus kommt und er
einige Worte mit ihr gewechselt hat, setzt er den Weg zu dem
inzwischen vermeintlich gestorbenen Kindlein fort.
3) Begrifflichkeiten
Markus nimmt gewisse Unterscheidungen
vor und führt Oberbegriffe ein:
Die Patienten unterteilen sich in
- Kranke (ἄρρωστος - arróstos) (Mk 6,5; 6,13)
- Schlechtseiende (κακῶς ἔχοντας - kakōs echontas) (Mk 1,32; 1,34; 2,17;
6,55)
- Geschwächte (ἀσθενέω - astheneó) (Mk 6,56)
- Fehlgehende bzw. Sünder (ἁμαρτωλός - hamartólos) (Mk 2,17)
und die mehrmals genannten Behandlungserfolge vor allem in
- therapiert werden (θεραπεύω –
therapeuó) - Mk 1,34; 3,10 (viele), Mk 6,5 (Kranke in Jesu Heimat), Mk
6,13 (Kranke durch die Jünger)
- gerettet werden (σῴζω - sózó)
- Mk 5,34 (blutende Frau), Mk 10,52
(Bartimäus)
Teilweise sind Krankheiten oder deren
Begleiterscheinungen bezeichnet als
- Gebrechen (νόσος - nosos) (Mk 1,34)
- Geißeln (μάστιξ - mastix) - Mk 3,10 (viele), Mk
5,28-34 (blutende Frau)
4) Übersichten
Patienten und deren Krankheiten
Allgemein
Mk 2,17f - Jesus ist nach seiner Aussage
der Heiler der Schlechtseienden und Fehlgehenden (im Gegensatz zu
Starken und Gerechten)
Näher dargestellte Patienten
Mk 1,30f - Petrus Schwiegermutter mit
Fieber darniederliegend
Mk 1,40ff - Leprakranker
Mk 2,3ff - Paralytiker (Gelähmter)
darniederliegend
Mk 3,1 - Mann mit vertrockneter Hand
Mk 5,22-24,35-43 - Töchterlein des
Synagogenvorstehers Jairus, die den Letzten hat
Mk 5,25-34 - anonyme Frau mit Blutfluss
seit 12 Jahren, die viel leiden musste
Mk 7,32ff - Tauber und
Schwersprechender aus der Dekapolis
Mk 8,22ff - Blinder aus Bethsaida
Mk 9,26ff - wie tot seiender Sohn (nach
Geistaustreibung)
Mk 10,46ff - blinder Bartimäus
Patienten im Allgemeinen
Mk 1,32 - alle Schlechtseienden von
Kafarnaoum
Mk 1,34 - viele Schlechtseiende mit
verschiedenen Gebrechen
Mk 3,10 - viele mit Geißeln
Mk 6,5 - wenige Kranke in seiner Heimat
Mk 6,55 - die Schlechtseienden aus dem
ganzen Land
Mk 6,56 - die Geschwächten aus
Städten, Feldern und Märkten
Mk 6,13 - viele Kranke (als Patienten
der Jünger)
Wiederkehrende Behandlungsmethoden
die Hand festhalten und aufstehen
lassen
Mk 1,31 - festhalten die Hand und
aufstehen lassen (Petrus’ Schwiegermutter)
Mk 9,27 - festhalten die Hand und
aufstehen lassen (wie tot seiender Sohn)
Zu Jairus Töchterlein sagt Jesus nur
„Steh auf“
Mk 5,41 - festhalten die Hand und
sagen: Steh auf! (Tochter von Jairus)
Bemerkenswert ist, dass auch zu anderen Patienten „Steh auf“ gesagt wird, einmal als mögliche Heilbehandlung, die anderen beiden Male vordergründig nur im allgemeinen Sinn
Bemerkenswert ist, dass auch zu anderen Patienten „Steh auf“ gesagt wird, einmal als mögliche Heilbehandlung, die anderen beiden Male vordergründig nur im allgemeinen Sinn
Mk 2,11 – Ich sage: Steh auf … (der
Gelähmte)
Mk 3,3 - sagend: Steh auf! (Mann mit
vertrockneter Hand in Synagoge)
Mk 10,49 - sagend: Steh auf! (andere
rufen dies dem sitzenden Bartimäus zu)
Hände auflegen
Mk 6,5 - Hände auflegen (wenige Kranke
in seiner Heimat)
Mk 8,23,25 - Hände auflegen auf
Angesicht und Augen (Blinder von Bethsaida)
Mk 10,16 - Kinder bei Segnung
Anrühren bzw. Berühren
Mk 1,41 - Jesus berührt den
Aussätzigen
Mk 5,27 - blutende Frau berührt Jesu
Gewand
Mk 7,33 - Jesus berührt die Zunge des
Schwersprechenden und Tauben
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