Freitag, 27. Juni 2014

Tränen am Ende



Lukas lässt grüßen!
Stets weine ich, wenn ich beim Lesen zum Schluss des Markusevangeliums komme. Es beginnt mit einem mulmigen Gefühl, dass sich zur Beklemmung steigert, und spätestens bei der Verspottung kommen die Tränchen. Ich weine natürlich nicht wie eine Gläubige, sondern – um bei anderen antiken Literaturbeispielen zu bleiben - wie über den Tod Hektors von Troja, Kassandras oder Antigones. Das mulmige Gefühl setzt immer an der gleichen Stelle ein: der Salbung von Betanien. Bei alledem bin ich mir recht sicher, was Markus über mich denken würde: „Denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist.“ (Mk 8,33)

Ein wirklicher Grund zu weinen, wäre hingegen der Umstand, dass unsere Vorstellung von einer Szene im Markusevangelium häufig von den Schilderungen der anderen Evangelien überlagert und manchmal regelrecht verdrängt wird. Die Salbung von Betanien ist dafür auch ein gutes Beispiel. Viele denken sicher „automatisch“ an eine sündige, schöne Frau, die die Füße Jesu mit ihren Tränen benetzt, mit ihren Haaren trocknet, sie küsst, mit Öl salbt und ergeben vor ihm kniet. Lukas und Johannes lassen grüßen! Wer hingegen weiß, dass der Fall bei Markus und Matthäus ganz anders liegt, stellt sich die Salbung Jesu am Tisch bei einem üppigen Gastmahl im Haus von Simon vor. Hand in Hand haben die drei anderen Evangelisten hier ganze Arbeit geleistet. Tatsächlich kommt ein „Tisch“ oder eine „Mahlzeit“ in der markinischen Salbung überhaupt nicht vor. 

Dienstag, 3. Juni 2014

Das abwesende Lamm beim Abendmahl


via art-now-and-then.blogspot
Das Portal „Offene Bibel“ hatte sich in seinem „Markusprojekt“ zum Ziel gesetzt, dass Markusevangelium in einer neuen Bibelübersetzung zugänglich zu machen, die dem griechischen Urtext stärker verbunden ist und doch gute deutsche Formulierungen findet. Ein sehr lobenswertes Beispiel für die glückliche Neuübersetzung ist Markus 14,12:

Und am ersten Tag der ungesäuerten [Brote], als sie das Passah zu essen pflegten, sagen seine Jünger zu ihm: 'Wo willst du, dass wir hingehen und vorbereiten, dass du das Passah isst?'

Bemerkenswert und inhaltlich zutreffend an dieser Neuübersetzung ist, dass ein „Lamm“ im griechischen Urtext von Mk 14,12 nicht erwähnt wird. Alle herkömmlichen Bibelübersetzungen nennen hingegen ein „Lamm“ in Mk 14,12, obwohl es eben im griechischen Grundtext gar nicht auftaucht, z.B. die Luther: „Und am ersten Tage der Ungesäuerten Brote, als man das Passalamm opferte, sprachen seine Jünger zu ihm: Wo willst du, dass wir hingehen und das Passalamm bereiten, damit du es essen kannst?“

Markus schreibt stets nur, dass das „Passah“ gefeiert, das „Passah“ gegessen und das „Passah“ vorbereitet wird. Weder von einem „Lamm“ noch von einer Opferung im Tempel ist die Rede. Seinen Jüngern gibt der markinische Jesus genaue Anweisungen zur Vorbereitung des „Passah“ - Mk 14,13ff (Offene Bibel): „Und er sandte zwei seiner Jünger und sagt zu ihnen: „Geht in die Stadt, und euch wird ein Mann begegnen, der einen Krug Wasser trägt. Folgt ihm! Und wo auch immer er hineingeht, sagt zu dem Hausherrn: ‚Der Lehrer sagt: Wo ist mein Gästezimmer, wo ich das Passah mit meinen Jüngern esse?‘ Und er wird euch ein großes, möbliertes Dachzimmer zeigen, das bereit [ist]. Und dort bereitet [das Passahmahl] für uns vor!“ Auch diese Stelle enthält keinen Hinweis darauf, dass die Jünger ein Lamm im Tempel schlachten und opfern lassen sollen.

Auch im Übrigen gilt, dass Markus jede Nennung von Opferungen im Tempel und jede Erwähnung des regulären Tempeldienstes vermeidet. Die Beschreibung des Abendmahls macht deutlich, dass dies sicherlich kein eigenartiger Zufall, sondern strenge Absicht von Markus war. Warum aber vermeidet Markus jegliche Erwähnung des Tempeldienstes? Ich halte es mal wieder mit einer paulinischen Erklärung: