Dienstag, 11. Februar 2014

Mk 9, 38-42: Der fremde Wundertäter ist Paulus

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Schritt 5 - Der fremde Wundertäter ist Paulus

Teil 1 Hinführung

1) Die Überlegung, dass der fremde Wundertäter in Mk 9,38ff eigentlich nur Paulus sein „kann“, kam mir unvermittelt angesichts dreier Punkte: die kritische Darstellung des Petrus und der Zwölf im Markusevangelium, die Schilderung ihres problematischen Verhältnisses zu Paulus im Galater und die Bedeutung des Namens „Paulus“, übersetzt als „der Kleine“ oder „der Geringe“.

Mk 9,38ff: „Da sagte Johannes zu ihm: Lehrer, wir sahen einen, der trieb in deinem Namen Dämonen aus und wir wollten ihn daran hindern, weil er uns nicht nachfolgt. Jesus aber sprach: Hindert ihn nicht. Denn niemand, der eine Machttat vollbringt in meinem Namen, wird mich bald schmähen. Denn wer nicht gegen uns ist, der ist für uns. Wer aber euch tränkt mit einem Becher Wassers, weil ihr Christus angehört, wahrlich, ich sage euch, keinesfalls wird der seinen Lohn verlieren. Und wer einen dieser Kleinen, die an mich glauben, zum Abfall verführt, für den wäre es besser, wenn ihm ein Eselsmühlstein um seinen Hals gehängt und er ins Meer geworfen würde."

Zwei Umstände ließen mich an dieser Überlegung wieder zweifeln. Einerseits war – wie ich feststellte - dieser Gedanke zwar keineswegs neu. Er wurde jedoch von („irgendwie genialen“, aber) eher unkonventionellen Gelehrten (u.a. Volkmar, Holsten, Loisy, Tarazi) vertreten. Andererseits legt der Rahmen der Perikope auf den ersten Blick nicht unbedingt nahe, dass der fremde Wundertäter eine individualisierte Person darstellen soll. Dass mein Gedanke aber nicht gänzlich abwegig war, entnahm ich erleichtert einer Notiz des ehrwürdigen Johannes Weiß zu Mk 9,38ff:

Aber es scheint, daß eine gewisse Engherzigkeit des urapostolischen Kreises scharf beleuchtet wird. Nach dem Zeugnis der paulinischen Briefe hat sie sich besonders gegen Paulus gerichtet, und es ist eine nicht unwahrscheinliche Vermutung, daß die Leser des Evangeliums unter dem fremden Geisterbanner eben Paulus verstehen sollten, der von den Uraposteln scheel angesehen wurde, weil er 'ihnen nicht nachfolgte', der aber doch das Werk Christi ebenso gut trieb, wie sie.


Gerade weil Johannes Weiß letztendlich diese Überlegung verwarf, war ich für seine Bemerkung dankbar. In ihr fand ich genau den von mir selbst gewonnen „ersten“ Eindruck wieder. Man liest die Perikope und denkt unwillkürlich: Kann eigentlich nur Paulus sein.

2) Das Gespräch zwischen den Jüngern und Jesus über den fremden Wundertäter ist in eine Szene (Mk 9,33-50) eingebettet, die „im Haus“ in Kapernaum spielt. Den hier wiedergegebenen Text habe ich auf Grundlage der Luther 1912 berichtigend bearbeitet.



Beachtlich ist, dass die Kindszene Mk 9,36-37 mit der Kindersegnungsszene in Mk 10,13-16 im engen Zusammenhang steht.

Und sie brachten zu ihm Kinder, damit er sie berührte, aber die Jünger herrschten sie an. Aber als Jesus es sah, wurde er unwillig und sprach zu ihnen: Lasst die Kinder zu mir kommen und hindert sie nicht; denn solcher ist das Reich Gottes. Wahrlich ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind, der wird nie hineingelangen. Und er umarmte sie und segnete sie, die Hände auf sie legend.

3) Die Haus-Szene in Kapernaum gehört zum Mittelteil eines großen „Kapitels“ (Mk 8,27-11,10), dessen Überschrift „Auf dem Weg“ lauten könnte und das an die Heidenmissionsthemen (ab Mk 7,1) anschließt. Es beinhaltet drei ähnlich gestaltete Lehrabschnitte, die man jeweils wie folgt unterteilen könnte: 1) Leidensankündigung, 2) Fehlgehen der Jünger und Zurechtweisung durch Jesus, 3) abschließende Belehrung (Art der Nachfolge, Lohn der Nachfolge, Ziel der Nachfolge). Die abschließende Belehrung (Mk 10,29-31) des hier interessierenden mittleren Lehrabschnitts lautet:

Wahrlich, ich sage euch: Es ist niemand, der Haus oder Brüder oder Schwestern oder Mutter oder Vater oder Kinder oder Äcker verlässt um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der nicht hundertfach empfange: jetzt in dieser Zeit Häuser und Brüder und Schwestern und Mütter und Kinder und Äcker mitten unter Verfolgungen - und in der zukünftigen Welt das ewige Leben. Viele aber werden die Letzten sein, die die Ersten sind, und die Ersten sein, die die Letzten sind.

Zwei Bedeutungen sind hinreichend klar: ein Lebens im Jetzt „unter Verfolgungen“, ein ewiges Leben in der zukünftigen Welt.

Betont und deshalb beachtlich sind die Aufzählungen. Der Lohn der Nachfolge besteht auch und vor allem in einer neuen irdischen Zugehörigkeit, einer neuen Familie, neuen Brüdern, Schwestern, Müttern und Kindern.

Die Frage, die sich stellt, ist doch die: Gehört zu den neuen Brüdern auch der fremde Wundertäter, dessen Wirken Johannes unterbinden wollte? Zählen zu den neuen Kindern, auch jene Kinder, die Jesus umarmt und deren Segnung die angestammten Jünger verhindern wollten? Sind hier Paulus und seine Heidenchristen gemeint? Oder handelt es bei den Kindern und dem Wundertäter nur um Denkfiguren ohne Individualisierung zur theoretischen Unterweisung der „Zwölf“?

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