Paulus wird häufig nur als Theologe wahrgenommen und die poetischen Stücke seiner Briefe, wie das Hohelied der Liebe oder der Philipperhymnus, als Einfügungen, die von einer anderen Hand stammen. Dabei wird meiner Meinung nach übersehen, dass Gedankenführungen bei Paulus in häufigen Fällen rhythmisch gestaltet sind.
Der Rhythmus entsteht vor allem sprachlich durch Wiederholungen von Wörtern oder einzelner Wortgruppen und gedanklich durch wiederkehrende Gegenüberstellungen und Aufzählungen sowie Untergliederungen des Textes. Ich habe dazu vier kleine Textstücke rausgesucht und sie in eine Form gesetzt, die hoffentlich das Gespür für die Rhythmik erleichtern könnte.
In Galater 1:1 sind sowohl Wortwiederholungen („Menschen“) und Gegensätze (Mensch <-> Jesus Christus) zu finden. Zudem spielt Paulus mit den griechischen Präpositionen „apo“ und „dia“, wobei die erste im Wort „Apostel“ als Vorsilbe auftaucht.
In 2. Korinther 5:6-8 wird der Rhythmus ebenfalls durch wörtliche Wiederholungen, gedankliche Gegensätze und eine zweifache gliedernde Einführung („wir sind getrost“) erzeugt.
Römer 10:8b-10 ist in Einleitung, Ausführung und Abschlusswort gegliedert, wobei Worte oder gedankliche Themen in jedem Teil wiederkehren.
Auch die Verse 1. Korinther 1:21-25 werden von solchen sprachlichen und gedanklichen Merkmale bestimmt.
Der Rhythmus entsteht vor allem beim bedachtsamen, verstehenden Lesen. Ein bemühtes rhythmisches Sprechen des Textes wirkt meines Erachtens eher hinderlich. Am Ende sagt Paulus selbst, dass er nicht nur Theologe ist - 1. Kor 14:15 Ich will beten mit dem Geist, aber ich will auch beten mit dem Verstand; ich will lobsingen mit dem Geist, aber ich will auch lobsingen mit dem Verstand.
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