Freitag, 15. November 2013

Kampf der Evangelien-Literatur: Kanon > < Apokryphen


Teil 7 - Halbfinale Johannes-Evangelium – Thomas-Evangelium

Im Johannesprolog erscheint Christus in „Herrlichkeit“ "als das wahre Licht", der seinen Gläubigen die "Macht" gibt, "Gottes Kinder zu werden" und scheinbar zum Greifen nahe ist: "... von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade." Ganz ähnlich zeichnet das Thomasevangelium Jesus als "das Licht, das über allen ist" (Spruch 77), seine Jünger "als Söhne (des Lichts)" und "Auserwählte des lebendigen Vaters" (Spruch 50), aber diese Verheißungen werden wohl erst nach einer langen spirituellen Suche erreicht: "Wer die Interpretation dieser Worte findet, wird den Tod nicht schmecken." "Wer sucht, soll nicht aufhören zu suchen, bis er findet ..." (Sprüche 2 und 3)

Im Duell zwischen Johannes und Thomas verwischen auf einmal die Konturen der Gegner und beide werden im strahlenden göttlichen Licht ununterscheidbar. Mitten im Getümmel ist Johannes plötzlich gnostischer (Joh 12, 35f.) als Thomas (Spruch 50), aber ein anderes Mal tauchen sie auf dem Kampfplatz weit voneinander entfernt hinter manichäischen Frontlinien auf. Eine dieser auffallenden Gegensätzlichkeiten ist der deutliche Bezug von Johannes zum Alten Testament, den Thomas verwirft (Spruch 52). Oliver Achilles hat zum Johannesprolog eine der schönsten und zugleich knappsten Auslegungen präsentiert, die mir je unter die Augen gekommen ist. Zum Verständnis reichen notfalls 10 Sekunden nach dem Anklicken !

Donnerstag, 7. November 2013

Kampf der Evangelien-Literatur: Kanon > < Apokryphen


Teil 6 - Halbfinale Lukas-Evangelium – Exegese der Seele

Die Elisabeth bei Lukas und „die gefallene Seele“ der Exegese haben etwas gemeinsam. Mit ihren Gebärmüttern stimmt etwas nicht. Elisabeth kann keine Kinder bekommen und „die gefallene Seele“ nur „ehebrecherische“, die „stumm und blind und krank“ sind. Aber weil Elisabeth fromm vor Gott ist und untadelig in allen Geboten und „die gefallene Seele“ wahrhaftig bereut und in Umkehr und Buße wandelt, wird der liebe Gott, der zudem auch ganz eigene Pläne hat, „Wunder“ und „Heil“ geschehen lassen.

Lukas stellt dieses „Wunder“, die Zeugung Johannes des Täufers, nicht in den Mittelpunkt seines Auftakts. Im Rampenlicht steht bei ihm die Ankündigung dieses Wunders, das Gespräch zwischen dem Angesichtsengel Gabriel und Elisabeths Mann. Jedermann weiß, dass hier ein kniffliges Auslegungsproblem lauert, welches ich mir nicht entgehen lassen will. Warum wird der zweifelnd-nachfragende Zacharias von Gabriel bestraft, aber die späterhin ebenfalls zweifelnd-nachfragende Maria nicht ? Mir scheint, dass eine Antwort darauf mehrere Aspekte zu berücksichtigen hat. Der Wichtigste ist nach meinem Eindruck indes folgender: