1) Die Beurteilung Johannes des Täufers
in den Evangelien ist ein anschauliches Beispiel für die Eigenart
des Markusevangeliums, das einzigartige Denken von Markus und dessen
Art und Weise des Erzählens.
Matthäus, Lukas und Johannes lassen
keinerlei Zweifel daran, wie aus ihrer Sicht die Gestalt Johannes des
Täufers zu bewerten ist und wie der Leser ihn bewerten soll. Alle
drei fällen ein positives und unzweifelhaftes Urteil über den
Täufer, das vor allem mit der Stimme des Erzählers wiedergeben oder
in den Mund von Jesus gelegt ist.
Kein glorreicher Wundertäter: Elija am Horeb via davidtlamb.com |
Matthäus nennt den Täufer „mehr als
einen Propheten“ und identifiziert ihn ausdrücklich mit Elija, dem
von Jesaja prophezeiten Prediger in der Wüste und dem von Maleachi
angekündigten Wegbereiter (Mt 3,1ff: „Zu der Zeit kam Johannes der
Täufer ... Denn dieser ist's, von dem der Prophet Jesaja gesprochen
und gesagt hat: 'Es ist eine Stimme eines Predigers in der Wüste:
...“; Mt 11,7ff … Er ist mehr als ein Prophet. Dieser ist's, von
dem geschrieben steht: 'Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her ...
und wenn ihr's annehmen wollt: er ist Elia, der da kommen soll.“)
Lukas lässt nicht nur in den
Geburtsgeschichten einen Engel die besondere Rolle des Täufers
verkünden (Lk 1,15ff „Denn er wird groß sein vor dem Herrn; ...
von Mutterleib an erfüllt werden mit dem Heiligen Geist ... wird vom
Volk Israel viele zu dem Herrn, ihrem Gott, bekehren ... wird vor ihm
hergehen im Geist und in der Kraft Elias … zuzurichten dem Herrn
ein Volk ...“, Lk 1,76ff: „Und du, Kindlein, wirst ein Prophet
des Höchsten heißen. Denn du wirst dem Herrn vorangehen, dass du
seinen Weg bereitest ...“), sondern nennt ausdrücklich seine
göttliche Beauftragung (Lk 3,2 „da geschah das Wort Gottes zu
Johannes, dem Sohn des Zacharias, ...“) und gibt schließlich
ebenfalls einige der von Matthäus genannten Punkte wieder (Lk
7,24ff).
Der Evangelist Johannes verdeutlicht
ausdrücklich und bereits im Prolog, dass der Täufer der von Gott
gesandte Zeuge für Jesus ist (Joh 1,6f: „Es war ein Mensch, von
Gott gesandt, der hieß Johannes. Der kam zum Zeugnis, um von dem
Licht zu zeugen, damit sie alle durch ihn glaubten ...“) und
beschreibt ihn auch nachfolgend in dieser Funktion des Zeugen (Joh
1,29ff „Am nächsten Tag sieht Johannes, dass Jesus zu ihm kommt,
und spricht: Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt!
Dieser ist's, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der
vor mir gewesen ist, ... Und ich habe es gesehen und bezeugt: Dieser
ist Gottes Sohn.“)
Von alledem ist im Markusevangelium
nichts zu finden. Das positivste Urteil über den Täufer fällt bei
Markus nicht etwa der Erzähler oder gar Jesus, sondern ausgerechnet
der Mann, der den Befehl zur Enthauptung des Täufers gibt: „König
Herodes“. Markus präsentiert diese positive Beurteilung auch
deutlich als dessen persönliche Ansicht (Mk 6,20):
„ὁ γὰρ Ἡρῴδης ἐφοβεῖτο
τὸν Ἰωάνην, εἰδὼς αὐτὸν ἄνδρα δίκαιον
καὶ ἅγιον
er nämlich, Herodes, fürchtete den Johannes, erkennend ihn (als) gerechten und heiligen Mann“
er nämlich, Herodes, fürchtete den Johannes, erkennend ihn (als) gerechten und heiligen Mann“