Freitag, 22. August 2014

Das Abjatar-Problem II


Teil 2 – Der markinische David als Vorläufer von Jesus

1) Im ersten Teil dieses Beitrags sollte deutlich geworden sein, dass das Abjatar-Problem eine anachronistische Fragestellung ist. Sie resultiert aus unserem modernen Pro und Contra zu angeblichen „Irrtümern“ in der Bibel. Markus selbst hatte kein Abjatar-Problem. Die Figur, die ihn in erster Linie interessierte und auf die er in Mk 2,25-26 Betonung legte, war David und nicht Abjatar. Meines Erachtens wird man das Abjatar-Problem deshalb nicht lösen, solange man nicht zu verstehen versucht, welches Bild Markus von David zeichnete.
König David tanzt
via wikimedia.org

David wird im Markusevangelium an vier Stellen erwähnt: in Mk 2,25-26 (Abjatar-Stelle), in Mk 10,47-48 (Bartimäus ruft nach Jesus, dem „Sohn Davids“), in Mk 11,10 (Einzug in Jerusalem mit dem Pilgerruf: „Gelobt sei das Reich unseres Vaters David ...“) und in Mk 12,35-37 (Frage nach dem Davidssohn). Die letzten drei Stellen betreffen David nicht direkt, sondern Jesus, die Hoffnungen der Pilger und den Messias. Nur in der Abjatar-Szene in Mk 2,25-26 steht David selbst als Gestalt im Mittelpunkt. Hier haben wir also die markinische David-Interpretation.

Markus´ Davidserzählung im Kontext des Evangeliums

2) Wie interpretiert Markus in Mk 2,25-26 nun den großen und legendären König David, der Israel nach dem alttestamentlichen Bericht einte und in ein glorreiches Zeitalter führte?

- David leidet Not und hungert (Leidensmoment und Niedrigkeitsstatus wie Jesus)

- David dringt in das Haus Gottes ein und isst die Schaubrote (Missachtung der Priester- und Tempelautorität wie Jesus)

- David gibt die Brote auch denen, die bei ihm sind (so auch Jesus´ Brotspeisungen der 5000, 4000 und der Jünger beim letzten Abendmahl)

Montag, 18. August 2014

Das Abjatar-Problem


Teil 1 – Abjatar oder Ahimelech? (… und noch anderes mehr)

1) Wenn von den sogenannten „Fehlern“, „Irrtümern“ und „Widersprüchen“ der Bibel die Rede ist, wird als Beispiel gern auch die Abjatar-Stelle (auch Abiathar geschrieben) im Markusevangelium (Mk 2,26) angeführt.
David und Ahimelech
via wikipedia

Das Problem war bereits in der Spätantike bekannt. Der Kirchenvater Hieronymus schrieb in seinem Mitte der 390er Jahre verfassten Brief an Pammachius: „Derselbe Markus führt den Erlöser ein, wie er zu den Pharisäern spricht: 'Habt ihr nicht gelesen, was David tat, als er Not litt und samt seinen Begleitern hungerte? Wie er unter dem Hohenpriester Abiathar in das Haus des Herrn hineinging und die Schaubrote verzehrte, die niemand außer den Priestern essen durfte?' Schlagen wir einmal Samuel oder, wie der Titel gewöhnlich lautet, die Bücher der Könige nach! Dort werden wir finden, dass der Hohepriester nicht Abiathar, sondern Ahimelech hieß, der nachher von Doeg zusammen mit den übrigen Priestern auf Befehl Sauls umgebracht wurde.

Das Abjatar-Problem hat vor einigen Jahren neue Berühmtheit erlangt, als der bekannte amerikanische Bibelwissenschaftler Bart Ehrman es als Wendepunkt in seinem studentischen Werdegang bezeichnete. Das Problem habe, so Ehrman sinngemäß, am Beginn seiner Konversion vom Christen zum Agnostiker, vom fundamentalistischen Bibelausleger zum kritischen Wissenschaftler gestanden. In seinem 2. Semester schrieb Ehrman in einem Kurs über das Markusevangelium eine Abschlussarbeit und wählte die Abjatar-Stelle. Ziel seiner damaligen Argumentation war es nachzuweisen, dass die Nennung von Abjatar statt Ahimelech nicht wirklich ein „Fehler“ sei, sondern dass man Markus so zu verstehen habe, dass die von ihm wiedergegebene David-Erzählung in einem Bibelabschnitt zu finden ist, in dem Abjatar eine der Hauptpersonen sei: Abjatar also nicht als handelnde Person innnerhalb der David-Erzählung, sondern als Stichpunkt, wo diese David-Erzählung in der Bibel nachgelesen werden kann. Ehrman war sich sicher, dass sein Professor diese Argumentation wohlwollend aufnehmen würde, aber er täuschte sich: „But at the end of my paper he made a simple oneline comment that for some reason went straight through me. He wrote: 'Maybe Mark just made a mistake.' I started thinking about it, considering all the work I had put into the paper, realizing that I had had to do some pretty fancy exegetical footwork to get around the problem, and that my solution was in fact a bit of a stretch. I finally concluded, 'Hmm ... maybe Mark did make a mistake.' Once I made that admission, the floodgates opened. For if there could be one little, picayune mistake in Mark 2, maybe there could be mistakes in other places as well ..."

2) Dieses Problem hatte ich mir für meinem Sommerurlaub ausgewählt. Eine kurze Recherche vor Reiseantritt bestärkte mich in der anfänglichen Mutmaßung, dass Markus den Namen Abjatars nicht irrtümlich und fehlerhaft, sondern absichtlich und im Wissen um seine "Unrichtigkeit" gewählt hatte. Während einiger gemütlicher Radtouren wollte ich nun mit Muse darüber nachsinnen, aus welchem Grund Markus den Namen „geändert“ hatte.